Protokoll des Fachgesprächs zum Thema „Gesundheitliche Auswirkungen der elektromagnetischen Felder des Mobilfunks – Befundberichte“

Bundesamt für Strahlenschutz, Neuherberg, 02.08.2006


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Teilnehmer/innen (alphabetisch)

Dr. med. Christine Aschermann, Nervenärztin und Psychotherapeutin, Ärzteinitiative Freiburger Appell

Dr. rer. nat. Monika Asmuß, Bundesamt für Strahlenschutz

Dr. rer. nat. Cornelia Baldermann, Bundesamt für Strahlenschutz

Dr. med. Axel Böttger, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Dr. Ing. Christian Bornkessel, IMST GmbH

Dr. rer. nat. Jutta Brix, Bay. Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz

PD Dr. med. Norbert Dahmen, Psychiatrische Klinik und Poliklinik Universität Mainz

Prof. Dr. rer. nat. Heidi Danker-Hopfe, Klinik und Hochschulambulanz für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Berlin – Campus Benjamin Franklin

Dr. rer. nat. Anne Dehos, Bundesamt für Strahlenschutz

Barbara Dohmen, Ärztin für Umweltmedizin, Ärzteinitiative Freiburger Appell

Dr. med. Horst Eger, Arzt für Allgemeinmedizin, Ärztlicher Qualitätszirkel Elektromagnetische Felder in der Medizin – Diagnostik, Therapie, Umwelt

Prof. Dr. med. Thomas Eikmann, Zentrum für Klinische Umweltmedizin, Universität Gießen

Dr. med. Franziska Goetze, Bundesamt für Strahlenschutz

Prof. Dr. phil. nat. Dr. med. Andreas Kappos, Ausschuss Gesundheit und Umwelt der Bundesärztekammer

PD Dr. rer. hum. biol. Michaela Kreuzer, Bundesamt für Strahlenschutz

Dipl. Ing. Rüdiger Matthes, Bundesamt für Strahlenschutz und Mitglied bei ICNIRP e.V.

Dr. rer. hum. biol. Martin Meyer, Bevölkerungsbezogenes Krebsregister Bayern, Registerstelle

Prof. Dr. med. Dennis Nowak, Institut für Arbeits- und Umweltmedizin, Klinikum LMU München

Dr. med. Judith Niedermaier, Bayerische Landesärztekammer

Dr. med. Gerd Oberfeld, Amt der Salzburger Landesregierung Landessanitätsdirektion – Referat Gesundheit, Hygiene und Umweltmedizin

Dipl. soz. Christiane Poelzl, Bundesamt für Strahlenschutz

PD Dr. rer. nat. Blanka Pophof, Bundesamt für Strahlenschutz

Dr. med. Jörg Reißenweber, Facharzt für Physiologie, Zusatzbezeichnung Umweltmedizin, Zentrum für Elektropathologie, Universität Witten-Herdecke

Dr. med. Hans-Christoph Scheiner, Arzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie, Homöopathie, Psychotherapie

Dr. med., Dipl. Psych. Brigitte Schlehofer, Arbeitsgruppe Umweltepidemiologie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ)

Dr. med. Christian Schlesiger, Bayerische Landesärztekammer

Dr.-Ing. Volker Schorpp, Physiker, PULS-SCHLAG e.V.

Dipl. Meteorologe Walter Sönning, Medizinmeteorologe

Dr. med. Cornelia Waldmann-Selsam, praktische Ärztin, Bamberger Appell

Dir. und Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Weiss, Bundesamt für Strahlenschutz

Dr. rer. nat. Gunde Ziegelberger, Bundesamt für Strahlenschutz und ICNIRP e.V.

Zur Vorbereitung auf das Fachgespräch wurde von Frau Dr. Waldmann-Selsam die aktuelle Auflage der von der Bamberger Ärzteinitiative veröffentlichten Broschüre "Dokumentierte Gesundheitsschäden unter dem Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder (Mobilfunk, DECT, WLAN u.a.)" und eine 700-seitige Akte mit "Kasuistiken, ärztlichen Stellungnahmen zu Standortuntersuchungen, Attesten, Schriftwechsel mit Behörden und beispielhaften Fragebögen" zur Verfügung gestellt. Diese Unterlagen wurden vom BfS vorab an die Teilnehmer versandt.

Inhaltsverzeichnis der Akte von Frau Dr. Waldmann-Selsam  
  Vorwort und zwei ausgewählte Briefe von Ehepaar S. und Frau Sch. 2
A. Gesundheitsstörungen und Erkrankungen durch DECT-Telefone  
  1. Frau Dr. med. R., Mittelfranken 3
  2. Herr Dr. med. K., Coburg 8
  3. Herr L., Siegen 10
  4. Vierzehn Erfahrungsberichte von Betroffenen 18
B. Krankheitshäufungen an Mobilfunkbasisstationen  
  1. Familie v. B./ S., Benediktbeuren (bis Nov. 2005 Icking) 39
  2. Icking: Bericht über 95 Anwohner (60 E, 35 K) 47
  3. Haibach: Bericht über 38 Anwohner (27 E, 11 K) 146
  4. Familie B. 157
  5. Haibach: Weitere Krankheitsfälle, Sterbefälle, Plan 200 a,b
  6. Ehepaar N., Dresden 201
  7. Ehepaar B., Dresden 211
  8. Homburg/ Bruchhof: Bericht über 19 Anwohner (14 E, 5 K) 215
  9. Herr M., Ötisheim (weitere 21 Anwohner wurden besucht) 249
  10. Herr S., Bietigheim 309
  11. Frau P., Herlikofen (mit 9 Briefen von Allgemeinarzt G. und 43 ausgewählten Briefen von Anwohnern (2000-2005) 322
  12. Jägersburg: Bericht über 19 Anwohner (17 E, 2 K) 387
  13. Dresden: (10 Haushalte wurden besucht) 416
  14. Familie K., Dresden 438
C. Erkrankungen durch Hochfrequenzexposition am Arbeitsplatz  
  1. Herr S., Kempten 468
  2. Meteorologische Observatorium Hohenpeißenberg  
      a) Frau S., Halblech 496
      b) Herr F., Oberammergau 524
      c) Herr A., Peiting 527
      d) Herr M.,Weilheim 531
  3. Frau H., Freibug 532
D. Fallbeispiele: schwer einstellbare Hypertonie und/oder Herzrhythmusstörungen  
  1. Frau G. 553
  2. Herr S. 590
  3. Frau W. 594
E. Fallbeispiele aus Bamberg, Pödeldorf, Hirschhaid, Forchheim 597
  (im Frühjahr 2005 an das BMU eingereicht; 7 Patienten hiervon waren Dr. Böttger und Dr. Vogel am 18.1.05 persönlich vorgestellt worden)
F. Anhang  
  Kurzfragebogen 682
  Fragebogen zur Erfassung von Gesundheitsschäden durch hochfrequente elektromagnetische Felder (ergänzte Fassung 6/2006) 683
  Brief an Staatsminister Dr.Schnappauf (Febr. 2006) 694
  Brief an Bundeskanzlerin Merkel, Minister Gabriel, Schmidt, an Leyen, Ministerpräsident Stoiber, Präsident Bayer. AK Dr. H. Koch und fünf fränkische Gesundheitsämter (12/2005) 701
  Ein neues Krankheitsbild: Das Mikrowellensyndrom 702

Sechs Ärzte/Innen der Ärzteinitiativen sowie ein Physiker und ein Medizinmeteorologe wurden von Frau Dr. Waldmann-Selsam benannt und vom BfS zur Teilnahme am Fachgespräch eingeladen.

Tagesordnung:

  1. Begrüßung
  2. Vorgehen in epidemiologischen Studien, Studien im DMF
  3. Umgang mit Fallbeispielen aus umweltmedizinischer Sicht (Möglichkeiten und Grenzen)
  4. Ärztliche Dokumentation von Gesundheitsschäden durch hochfrequente elektromagnetische Felder – Befundberichte; Vor-Ort-Untersuchungen und Dokumentation von Kasuistiken als Methode zur Ableitung kausaler Zusammenhänge zwischen chronischer HF-Belastung und Gesundheitsschäden
  5. Diskussion zur Beantwortung folgender Fragen:
    • Ist das vorgelegte Material geeignet, einen kausalen Zusammenhang zwischen Gesundheitsschäden und HF-EMF zu belegen?
    • Kann das Material ggf. nach Ergänzung und Aufarbeitung in eine weiterführende wissenschaftliche Studie einfließen?
    • Werden Möglichkeiten gesehen, die Erfahrungen praktizierender Ärzte in die laufenden Prozesse der Risikoabschätzung und -bewertung stärker als bisher einzubeziehen?
  6. Fazit, Weiteres Vorgehen, v. a. hinsichtlich der Dokumentation der Ergebnisse des Workshops
  7. Schlusswort

Tischvorlagen:

    • Tagesordnung
    • Teilnehmerliste
    • Schreiben von Frau Prof. Dr. Blettner
    • Empfehlung des Robert-Koch-Instituts "Vorschlag zur Gliederung von umweltmedizinischen Kasuistiken", Bundesgesundheitsblatt 2006, 49: 485-486

TOP 1: Begrüßung durch BMU und BfS

Herr Dr. Weiss begrüßt die Teilnehmer des Fachgesprächs und stellt die vorgeschlagene Tagesordnung vor. Diese wird angenommen. Ein Audio-Mitschnitt der Veranstaltung ausschließlich zu internen protokollarischen Zwecken wird genehmigt, ebenso die Einstellung eines abgestimmten Protokolls der Veranstaltung in das Internet. Eine Kopie des Audio-Mitschnitts wird Frau Dr. Waldmann-Selsam vom BfS zur Verfügung gestellt; sie dient ausschließlich der internen Dokumentation. Eine Weitergabe an Dritte ist nicht zulässig. Herr Dr. Weiss teilt mit, dass Frau Prof. Dr. Blettner, Universität Mainz, leider nicht am Fachgespräch teilnehmen kann. Eine kurze schriftliche Stellungnahme zu den von Frau Dr. Waldmann-Selsam zur Verfügung gestellten Fallbeispielen liegt als Tischvorlage vor.

Nach einer Vorstellungsrunde begrüßt Herr Dr. Böttger die Teilnehmer im Namen des BMU, bedankt sich für die Teilnahme und erläutert die Hintergründe des Fachgesprächs. Verschiedene mobilfunkkritische Ärzteinitiativen postulieren einen Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern des Mobilfunks und einer Vielzahl von Erkrankungen. Zur Klärung des Sachverhaltes hatte der BMU bereits im Jahr 2003 mit der Interdisziplinären Gesellschaft für Umweltmedizin e.V. IGUMED Kontakt aufgenommen und um Vorlage einiger Fallbeschreibungen gebeten, aus denen die Schlüsse der Ärzte abgeleitet wurden. Unter dem Begriff "Fallbeschreibungen" wurden vollständige Kasuistiken incl. Differentialdiagnosen verstanden, die es ermöglichen, die Erkrankungen und mögliche Zusammenhänge mit HF-Exposition im Einzelfall zu dokumentieren. Herr Dr. Böttger führt aus, dass seinerzeit Beschreibungen von Patienten und Betroffenen sowie Symptomlisten vorgelegt worden seien. Zur Expositionserfassung seien Abstandsschätzungen zur vermuteten Expositionsquelle verwendet worden. Auf Nachfrage sei mitgeteilt worden, dass weitere Untersuchungen nicht durchgeführt worden wären. Trotz der Bereitschaft des BMU, die Ärzte bei einer wissenschaftlichen Aufarbeitung des Materials zu unterstützen und auch Mittel für weitergehende Untersuchungen bereit zu stellen, sei eine weitere Zusammenarbeit mit IGUMED nicht zustande gekommen. Nach Kontaktaufnahme von Frau Dr. Waldmann-Selsam mit dem BMU im Jahr 2005 seien wiederum Fallbeispiele erbeten worden. Daraufhin seien im Wesentlichen die Unterlagen vorgelegt worden, die jetzt Gegenstand des Fachgesprächs sind.

Herr Dr. Böttger bittet die Teilnehmer um eine klare Bewertung aus Sicht der Wissenschaft und Auskunft darüber, ob sich aus fachlicher Sicht aus diesem Material ein Zusammenhang zwischen HF-Exposition und Gesundheitsschäden ableiten lässt oder nicht. Herr Dr. Böttger begrüßt das Zustandekommen dieses Fachgesprächs und hofft auf fruchtbare Diskussionen.

Die Tagesordnungspunkte 2. – 4. dienen der Präsentation der unterschiedlichen Sichtweisen. Eine Diskussion zu den Fragestellungen des Workshops findet unter den Tagesordnungspunkten 5 und 6 statt.

TOP 2: Vortrag "Vorgehen in epidemiologischen Studien, Studien im DMF", Frau Dr. Kreuzer, BfS

Frau Dr. Kreuzer stellt in ihrem Vortrag zunächst die Methoden vor, mit denen mögliche Gesundheitsrisiken durch Mobilfunk am Menschen wissenschaftlich untersucht werden können. Prinzipiell kommen epidemiologische oder experimentelle Studien in Frage. Die Vor- und Nachteile beider Studientypen werden gegenübergestellt. Frau Dr. Kreuzer erläutert, dass es definierte Kriterien zur Beurteilung der Aussagekraft epidemiologischer Studien gäbe. Diese beträfen Studiendesign, Datenqualität, Berücksichtigung von Störgrößen, Selektionsbias,- Informationsbias, statistische Power etc. Die Publikation von Studien in Zeitschriften mit Begutachtung durch externe Experten würde in der Wissenschaft als wesentliches Qualitätskriterium betrachtet. Auf wichtige mögliche Fehlerquellen bei der Interpretation von Ergebnissen geht Frau Kreuzer näher ein. So könne eine selektive Auswahl von Probanden, durch die die Verhältnisse in der Grundpopulation verzerrt abgebildet werde, zu einer falschen Risikoabschätzung führen ("Selektionsbias"). Z.B. könne eine gezielte Aufnahme besonders interessierter Personen zu einer Überschätzung des tatsächlichen Risikos führen, sofern es sich hierbei um erkrankte und exponierte Personen handele, die dann überproportional in der Stichprobe vertreten wären. Um sowohl eine Über- als auch Unterschätzung des Risikos zu vermeiden, sei es in epidemiologischen Studien wichtig, eine echte Zufallsstichprobe zu ziehen sowie eine möglichst hohe Teilnehmerzahl zu erreichen.

Störgrößen ("Confounder") wie Alter, Geschlecht, Sozialstatus, im Fall des Mobilfunks die Angst vor Basisstationen, könnten – sofern sie nicht berücksichtigt würden – ebenfalls zu einer falschen Risikoabschätzung führen. In diesem Zusammenhang geht Frau Dr. Kreuzer auf die Arbeit von Hutter et al., veröffentlicht in Occup. Environ. Med. 2006; 63:307-313, ein. Hier wurde die mögliche Störgröße "Angst vor Basisstationen" in die Auswertung einbezogen. Wird das Ergebnis für den Faktor Angst adjustiert, verschwindet die – ursprünglich scheinbar vorhandene - Korrelation zwischen Schlafstörungen und Feldexposition. Es sei also wahrscheinlich, dass der Faktor "Angst vor der Basisstation" mit den Schlafstörungen korreliere, nicht die Feldexposition selbst. Anders z.B. beim Endpunkt Kopfschmerzen: Hier bleibt die Korrelation auch dann bestehen, wenn für den Faktor "Angst" adjustiert wird. Das Beispiel zeige, dass es für eine aussagekräftige Studie notwendig sei, derartige Störgrößen zu berücksichtigen. Gleiches gelte für fehlerhafte Informationen, z.B. hinsichtlich der tatsächlichen Exposition oder des tatsächlichen Krankheitsstatus ("Informationsbias"). Derartige Fehlerquellen könnten sowohl zu Über- als auch zu Unterschätzung eines realen Risikos führen.

Im weiteren Verlauf des Vortrags gibt Frau Dr. Kreuzer einen kurzen Überblick über Studien des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms (DMF). Sowohl experimentelle Studien als auch epidemiologische Studien im DMF setzen sich mit der Frage nach Befindlichkeitsstörungen um Basisstationen auseinander. Sowohl Feldstudien als auch Laborstudien werden zum Schwerpunkt Schlafqualität durchgeführt; zwei Studien beschäftigen sich gezielt mit dem Thema Elektrosensibilität. Drei epidemiologische Fall-Kontroll Studien werden zu Krebserkrankungen (Hirntumore, Augentumore, Kinderleukämie) durchgeführt. Zwei geplante Kohortenstudien zu Langzeitfolgen (beruflich hoch exponierte Personen, internationale prospektive Handykohorte) erwiesen sich nach durchgeführten Pilotphasen leider als nicht machbar. Im ersten Fall war es nicht möglich, ein aussagekräftiges Studiendesign zu entwickeln. Im zweiten Fall lag die Teilnahmerate (vermutlich mitbedingt durch hohe Datenschutzauflagen) bei lediglich 5%. Die prospektive Kohortenstudie wird aber nach derzeitiger Kenntnis von anderen europäischen Ländern durchgeführt.

Weitergehende ausführliche Informationen zu den im DMF durchgeführten Studien sind unter www.emf-forschungsprogramm.de im Internet abrufbar.

Die Präsentation wird den Teilnehmern als pdf-Datei zur Verfügung gestellt.

Herr Dr. Weiss leitet zum Vortrag von Prof. Nowak über und zitiert zwei Sätze aus den Empfehlungen des Robert-Koch Instituts (RKI) "Vorschlag zur Gliederung von umweltmedizinischen Kasuistiken", Bundesgesundheitsblatt 2006, 49:485-486, die den Teilnehmern als Tischvorlage zur Verfügung stehen: "Gut dokumentierte klinische Fallbeschreibungen haben in der Medizin eine lange Tradition und wesentlich zur Entwicklung des medizinischen Fachwissens beigetragen. Sie lassen sich durch die moderne Epidemiologie oder Toxikologie nicht vollständig ersetzen". In diesem Sinne gehe es auch in diesem Fachgespräch nicht um ein "entweder Epidemiologie oder Kasuistiken", sondern um die Nutzung beider Ansätze im Sinne eines "sowohl als auch".

TOP 3: Umgang mit Fallbeispielen aus umweltmedizinischer Sicht (Möglichkeiten und Grenzen), Vortrag Prof. Dennis Nowak

Herr Prof. Nowak macht deutlich, dass aus seiner Sicht geeignete, gut aufgearbeitete Fallbeispiele schon immer eine wichtige Erkenntnisquelle der Umweltmedizin waren und sind. Er erläutert dies an mehreren Beispielen (Zusammenhang von Mesotheliomen und Asbest-Exposition in Hamburg-Harburg, Heuschnupfen, blutdrucksenkende Wirkung von Nitrat im Arbeitsstoff TNT, Pneumonien bei Drogenabhängigen, Hämangiosarkome bei Vinylchlorid-Exponierten u.a.). Insbesondere böten gute umweltmedizinische Kasuistiken seiner Ansicht nach die Chance, unerwartete, seltene und ungewöhnliche Fälle zu erfassen, die durch das Raster der wissenschaftlich etablierten Methoden Epidemiologie und Toxikologie fallen könnten. Er stellt allerdings klar, dass gute Fallbeispiele wissenschaftlich-publizistischen Regeln folgen müssten, wie sie z.B. von medizinischen Zeitschriften als Annahme- und Ablehnungskriterien definiert und auch in der bereits erwähnten RKI-Empfehlung dargelegt seien. Hierzu gehöre u.a., dass neben der Autorenmeinung auch andere plausible Erklärungen und die Grenzen der Kasuistik diskutiert würden. Auch weist er darauf hin, dass anekdotische Fall-Berichte und Fallserien ohne Kontrollen in der Hierarchie wissenschaftlicher Aussagekraft auf der niedrigsten Stufe evidenzbasierter Medizin stünden. Zur Definition einer "guten Kasuistik" gehört für Prof. Nowak das Überprüfen verschiedener Erklärungsansätze mit einem geeigneten Design. Er erläutert dies an mehreren Beispielen wie dem Fall eines Patienten mit MCS-Symptomatik: in diesem Fall habe das Betreiben eines Luftfiltergerätes zur Verbesserung des Beschwerdebildes, sinkenden Erkrankungszeiten und sinkendem Medikamentenverbrauch geführt. Die durch das Betreiben des Gerätes eingetretenen Verbesserungen seien unstrittig vorhanden gewesen, die Schwachstelle der Kasuistik habe jedoch darin gelegen, dass das einfache, für den Patienten erkennbare Ein- und Ausschalten des Geräts keine ausreichende Kontrolle gewesen sei. Hätte man das Gerät – gegenüber dem Patienten und dem untersuchenden Arzt verblindet - abwechselnd mit und ohne Filter betrieben und die Auswirkung erfasst, hätte man die tatsächliche Wirkung der gefilterten Luft von Placebo-Effekten abgrenzen können. Es sei dies das Beispiel einer Kasuistik, die vordergründig betrachtet in Ordnung sei, einer strengeren Betrachtung aber nicht standhalte.

Prof. Nowak erläutert, dass gute Fallbeispiele Anlass zu Hypothesengenerierung geben und ggf. zu höheren Stufen der evidenzbasierten Medizin führen können. Lägen jedoch Erkenntnisse aus methodisch höherwertigeren, stärker evidenzbasierten Studien vor, "sei die Zeit von Fallbeispielen vorbei".

Bei aller zum Ausdruck gebrachten Wertschätzung für qualitativ hochwertige Fallbeispiele betont Prof. Nowak, dass seiner Ansicht nach Aussagen – in der Umweltmedizin genauso wie in jedem anderen Bereich von Medizin und Wissenschaft - empirisch überprüfbar und auch falsifizierbar sein müssen.

Die Präsentation wird den Teilnehmern als pdf-Datei zur Verfügung gestellt.

TOP 4: Die Präsentation der Ärzte wurde in vier kurze Vorträge aufgeteilt.

Das Thema des Vortrags von Frau Dr. Waldmann-Selsam lautet:

Erkrankungen durch Hochfrequenzexposition

Frau Dr. Waldmann-Selsam stellt zunächst vier charakteristische Fallbeispiele aus den eingereichten Unterlagen vor. Bei einem 10-jährigen Jungen aus Haibach sei es 1999 schlagartig zu extremem Leistungsabfall, Sehverschlechterung und Wachstumsstillstand gekommen, ohne dass die sieben aufgesuchten Ärzte eine organische Ursache hätten finden können. Auch bei Bruder und Eltern seien etwas später Symptome aufgetreten. Nach gründlichen Abschirmmaßnahmen an zwei Seiten des Hauses seien die Symptome verschwunden. Dr. Waldmann-Selsam habe im Juni 2006 sieben Familien in der Nachbarschaft besucht und hierbei erfahren, dass seit 1999 viele Erwachsene und Kinder z.T. schwer erkrankt seien.

Ein 50-jähriger Mann aus Icking habe seit 2001 wegen massiven Kniegelenksschwellungen und Entzündungen, Muskelschwäche, Gewichtsabnahme u.a. häufig nicht mehr laufen können. Keiner der 18 aufgesuchten Ärzte habe ihm helfen können. Erst nach vier Krankheitsjahren sei der in 120 m Entfernung stehende Mobilfunkmast als auslösender Faktor in Erwägung gezogen worden. Seit dem Umzug an eine hochfrequenzfreie Stelle habe er keinerlei Knieprobleme mehr. Auch in Icking hätten die ärztlichen Erhebungen in über 30 Haushalten eine Häufung von Erkrankungen ergeben.

Bei einem 60-jährigen Mann aus Ötisheim sei unmittelbar nach Inbetriebnahme eines zweiten Senders im Jahr 2001 unerträgliches Rauschen, Brummen und Hämmern im Kopf aufgetreten. Obwohl mehrere Ärzte verschiedener Fachrichtungen einen ursächlichen Zusammenhang mit den Mobilfunksendern attestiert hätten, seien die zuständigen Behörden untätig geblieben. Es seien weitere Sender hinzugekommen.

Eine 39-jährige Frau sei 1997 wenige Wochen nach Versetzung auf das Met. Observatorium Hohenpeißenberg (in unmittelbarer Nachbarschaft von Rundfunk-, Fernseh- und Mobilfunksendern) an häufigen Infekten, Entzündungen (Niere, Blase), Kopfschmerzen, Blutdruckkrisen und Schwindel erkrankt. Wegen unfallbedingter Entfernung der Schilddrüse und der Nebenschilddrüsen seien seit 1982 problemlos Schilddrüsenhormon, Calcium und Vitamin D substituiert worden. Am neuen Arbeitsplatz sei der tägliche Calcium-Bedarf ständig angestiegen. Ab 1999 sei es zu Zusammenbrüchen mit extremen Blutdruckentgleisungen und häufigen Fehlzeiten gekommen. Es wurden häufig Calcium-Infusionen erforderlich. Seit sie bei Verlassen des Hauses einen Hochfrequenzschutzanzug trage, sei der Calcium-Bedarf auf das frühere Niveau gesunken.

Als Beispiel für "vorbildliches Vorgehen einer Behörde" zitiert Dr. Waldmann-Selsam aus einer Stellungnahme des Landesamtes für Gesundheit und Veterinärwesen, Sachsen. Dort habe ein Arzt mehrere betroffene Familien in Dresden zu Hause aufgesucht und sich vor Ort ein Bild gemacht. In der amtlichen Stellungnahme habe er die Auffassung geäußert, dass die eklatanten Unsicherheiten über mögliche Zusammenhänge nicht zu Lasten der Betroffenen gehen dürften und dass vor dem Hintergrund des aktuellen wissenschaftlichen Diskussionsstandes ein Aufschub von stärker Vorsorge geprägten Maßnahmen bis zur endgültigen Klärung unverantwortbar erscheine. Das gehäufte Auftreten von Beschwerden mit ähnlicher Charakteristik sei vom Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem Umweltgutachten 2002 (Bundestagsdrucksache 14/8792) als prioritär zu untersuchendes Problem eingeschätzt worden.

Dr. Waldmann-Selsam berichtete abschließend "von Betroffenen, deren Hochfrequenzbelastung überwiegend von einer in der Wohnung befindlichen DECT-Anlage hervorgerufen wurde". Bei Patienten, die die Anlage abgeschaltet hatten, habe man die Symptomenabfrage nach mehrmonatiger Deexposition wiederholt. Eine graphische Darstellung zeige eine deutliche Abnahme (bis zu 70 %) vieler Beschwerden.

In allen Fällen werden zum Teil massive gesundheitliche Beschwerden auf HF-Strahlung (Mobilfunksendeanlagen, DECT-Telefone u.a.) zurückgeführt. Der Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs ergibt sich für Frau Dr. Waldmann-Selsam aus der zeitlichen Korrelation zwischen HF-Exposition und Beschwerden (wobei einige Beschwerden akut, andere verzögert auftreten können), aus dem ärztlichen Unvermögen, organische Ursachen zu finden, aus dem Auftreten ähnlicher Symptome bei Familienangehörigen, Arbeitskollegen und Nachbarn sowie der Besserung der Symptomatik bei Wegfall der HF-Exposition. Nach Beobachtung von Frau Dr. Waldmann-Selsam unterscheide sich die Symptomatik bei Nutzung eines DECT-Telefons von der Symptomatik bei der komplexeren Exposition durch Mobilfunk-Basisstationen. Frau Dr. Waldmann-Selsam macht den hohen Leidensdruck der betroffenen Familien und den Wunsch der Ärzte, für die Patienten Hilfe zu finden, deutlich.

Die Präsentation wird den Teilnehmern als pdf-Datei zur Verfügung gestellt.

Das Thema des Vortrags von Herr Dr. Oberfeld lautet:

Ausgewählte Aspekte epidemiologischer Studien zu Mobilfunksendeanlagen und Symptomen.

Herr Dr. Oberfeld stellte drei ausgewählte epidemiologische Untersuchungen zu Beschwerden um Mobilfunk-Basisstationen vor. Dr. Oberfeld wies darauf hin: "wenn über Kausalität bei Kasuistiken gesprochen werde, ist dies im Kontext mit der vorhanden Evidenz aus epidemiologischen Untersuchungen zu diskutieren".

Die erste Arbeit zu Mobilfunkbasisstationen und Symptomen sei von Santini et al. 2002. Er hatte nach der Häufigkeit des Auftretens bestimmter Symptome gefragt und diese zur – von den Probanden selbst geschätzten – Abstand zur Basisstation in Bezug gesetzt. Dr. Oberfeld findet bei einer eigenen Auswertung dieses Datenmaterials eine Abnahme der Beschwerden mit zunehmender Distanz (bis 300 m), die durch einen Wiederanstieg im Abstand von 50-100 von der Basisstation unterbrochen ist. Aufgrund der Ausbreitungscharakteristik stellt er die Hypothese auf, dass dieser Abstand mit dem Expositionspeak durch den Hauptstrahl im städtischen Raum zusammenfalle und daher der Anstieg der Beschwerden in diesem Bereich nicht mit der Angst vor der Basisstation in unmittelbarer Nähe erklärbar sei. Den in dieser Studie unzweifelhaft vorhandenen Selektionsbias sieht Dr. Oberfeld nicht als Nachteil der Studie, sondern eher als positiv, da hierdurch die Chance steige "etwas zu finden", wobei er jedoch klar stellt, dass bei diesem Vorgehen eine quantitative Übertragung der Ergebnisse auf die Allgemeinbevölkerung nicht möglich sei.

Weiterhin geht Herr Dr. Oberfeld auf seine Auswertung der Daten von Navarro et al. ein, wobei eine mit 1-4 µW/m2 gering HF-EMF-exponierte Gruppe (mit Dominanz von GSM Basisstationssignalen) als Referenz gegen zwei höher belastete Gruppen kontrastiert wird. Gemäß dieser Arbeit steigt im multivariaten Modell unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht und selbst geschätzter Distanz das Risiko für Schlafstörungen, Müdigkeit und Depressionen in den höher belasteten Gruppen an. Die Gesamtübersicht zeigte bei 13 der 16 abgefragten Symptome signifikante (p for the trend) Beziehungen mit zum Teil sehr hohen in der Umweltmedizin ungewöhnlich hohen Odds Ratios (Risikoschätzern), die Oberfeld auf den Selektionsbias zurückführt.

Die bereits von Frau Dr. Kreuzer zitierte Arbeit von Hutter et al. (siehe Ausführungen zur Störgröße "Angst vor Basisstationen" unter TOP1) wird ebenfalls angesprochen. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigten signifikante Zusammenhänge zwischen gemessener Exposition von GSM-Basisstationen und Kopfschmerzen, Konzentrationsproblemen sowie kalten Händen und Füßen (als Ausdruck einer möglichen Sympathikusaktivierung) unter Berücksichtigung möglicher Befürchtungen. Dr. Oberfeld weist auf die Unterschiede in der Auswahl der Teilnehmer in den drei vorgestellten Studien hin – Selbstselektion bei Santini und Navarro – bevölkerungsbezogene Auswahl (im Umfeld von Basisstationen) bei Hutter hin. Dies würde die unterschiedlichen Höhe der Odds Ratios plausibel erklären.

 

Dr. Oberfeld sagte abschließend: "Wir sind an einem Punkt, an dem wir uns ernsthaft damit befassen sollten, gute epidemiologische Arbeit auf die Beine zu stellen".

 

Die Präsentation wird den Teilnehmern als pdf-Datei zur Verfügung gestellt.

Das Thema des Vortrags von Dr. Eger lautet:

Medizinisch, wissenschaftliches Vorgehen zur Ableitung der Kausalität zwischen

Hochfrequenzbelastung und Gesundheitsschäden:

Beispiel DECT-Telefon

Dr. Eger zitiert als ein Beispiel aus der Vielzahl der vorgelegten Kasuistiken den

Fall des leitenden Arztes der Notaufnahme des Klinikum Coburg, Dr. Kleilein, mit dessen Einverständnis zur Veröffentlichung.

Schriftliche Dokumentation Dr. Kleilein:

"Mein jetzt zehnjähriger Sohn Jan klagte etwa seit dem Jahr 2000 nahezu täglich über Kopfschmerzen. Ich habe ihn als Arzt wiederholt untersucht und keine körperlichen Auffälligkeiten festgestellt. Die Schule ist meinem Sohn immer sehr leicht gefallen, er hat keine Probleme beim Lernen, allerdings fiel mir auf, dass er täglich Probleme beim Anfertigen der Hausaufgaben hatte. Er saß an seinem Schreibtisch in unserem Wohnzimmer, jammerte, dass er sich nicht wohl fühle und beim Hausaufgaben machen ging kaum etwas voran. Er wollte ständig eine Pause machen, war lustlos, klagte über Kopfschmerzen und benötigte für eine "normale" Hausaufgabe eines Grundschülers etwa drei bis vier Stunden. Sowohl meiner Ehefrau - einer Grundschullehrerin - als auch mir als Arzt war völlig unerklärlich, wieso ein Schüler, der sehr gute Schulnoten bzw. Beurteilungen in den Zeugnisse erhielt, derartige Schwierigkeiten bei der Anfertigung der Hausaufgaben hatte.(...)

Ich war bis zu diesem Zeitpunkt völlig unbedarft gegenüber Mobilfunktechnologie und elektromagnetischer Strahlung. Berichte, dass dadurch irgendwelche gesundheitlichen Probleme verursacht werden könnten, betrachtete ich eher als "Spinnerei". Ich selbst benutzte ein Handy, wir hatten auch in unserem Haus seit etwa 1999 ein schnurloses Telefon "DECT". (...) Was ich bei meinen Recherchen fand, war alarmierend und erschreckend zugleich.

Mir wurde erstmals bewusst, dass die Basisstation unseres DECT-Telefons direkt neben dem Schreibtisch meines Sohnes stand; der Abstand zwischen Basisstation und Schreibtischstuhl betrug weniger als 70 cm. Wir haben als Erstmaßnahme unser altes Schnurtelefon aus dem Keller geholt und das DECT-Telefon abgebaut und entsorgt. Dies geschah Ende August 2004, also noch vor Beginn des aktuellen Schuljahres. Mein Sohn ist seitdem wie ausgewechselt, er hat in den vergangenen sieben Monaten nur noch an zwei oder drei Tagen über Kopfschmerzen geklagt und seine Hausaufgaben fertigt er unverzüglich nach dem Mittagessen innerhalb von etwa einer Stunde an. Das aus den vorherigen Schuljahren bekannte Theater beim Hausaufgabenmachen ist wie weggeblasen.

Im Nachhinein haben sich auch die Durchschlafstörungen meiner Ehefrau gegeben und auch mein 16-jähriger Sohn gab spontan an, deutlich besser zu schlafen. Dieser Sohn schlief genau ein Stockwerk unter unserer DECT-Basisstation (also in etwa drei Meter Abstand), meine Ehefrau und ich haben unser Schlafzimmer genau oberhalb der DECT-Basisstation (etwa vier Meter Abstand bis zum Bett). Sonderbarerweise habe ich selbst außer gelegentlichem morgendlichem Kopfdrücken kaum konkrete Beschwerden verspürt.

Für mich ist dieses persönliche Erlebnis ein klarer Beweis, dass elektromagnetische Strahlung auch im nicht-thermischen Bereich gravierende Auswirkungen auf den/die Menschen haben kann. Sicherlich sind nicht alle Menschen gleich betroffen, was sich auch in meiner Familie zeigte .(...)"

Nach obiger Darstellung des internistischen Kollegen hatte der Sohn des Arztes jahrelang im häuslichen Bereich an unerklärlichen Kopfschmerzen, Konzentrationsproblemen, und Schwierigkeiten bei den Hausaufgaben gelitten. Regelmäßige ärztliche Untersuchungen hatten bei dem sonst guten Schüler keine klinischen Auffälligkeiten ergeben. In weniger als einem Meter neben dem Schreibtischstuhl des Sohnes hatte sich sich die Basisstation des DECT-Telefons befunden.

Dr. Eger fügt ein, dass in einem halben Meter Entfernung von der DECT-Basis Feldstärken von bis zu 10 V/m herrschen können; entsprechend der EU-Norm EN 61000-4-3 ENV 50204 für die Störfestigkeit von Industriemaschinen bei 900 MHz. Ab diesem Wert dürften Maschinen Störungen aufweisen. Die Grenzwerte für Menschen der Bundes-Immissionsschutz-Verordnung lägen mit ca. 50-60 V/m aber deutlich darüber. Gemäß obiger Kasuistik waren nach Entfernung der Sendestation die beklagten Beschwerden nachhaltig vollständig abgeklungen.

Herr Dr. Eger weist auf die vorliegenden Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts "Vorschlag zur Gliederung von umweltmedizinischen Kasuistiken", 2006 hin: "...Ein wichtiger Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Exposition und einer gesundheitlichen Wirkung ist, wenn sich nachweisen lässt, dass eine Verminderung der Exposition oder eine erneute Belastung zu einer Änderung der Symptomatologie führt..."Im vorliegenden Fallbeispiel ist die Kausalität, sowohl für das Kind, als auch für den Vater gegeben.

Herr Dr. Eger geht auf die von Herrn Dr. Weiss geforderte Kausalität ein und zitiert nach Brockhaus 2006: "Eine Kausalität ist eine vom Beobachter gestiftete Gesetzmäßigkeit, also eine Gewohnheit, die sich durch die Wiederholung von Erfahrungen herausbildet."

Zur kausalen Bedeutung eines Wirkmechanismus zitiert Dr. Eger aus den Akten der Staatsanwaltschaft aus dem Conterganprozess: "...es für die Frage der Kausalität nicht erforderlich ist, die zwischen Thalidomideinnahme und Durchdringung der Plazentaschranke liegenden biochemischen Vorgänge ... genau zu analysieren."

Er verweist darauf, dass gemäß medizinischen Diagnoserichtlinien die berichteten Beschwerden bei obigem DECT-Beispiel dem Symptombild ADHS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom - Hyperaktivität) entsprächen.

Hieraus leitet Dr. Eger folgende Hypothese ab: wenn DECT-Telefone und auch Mobilfunk ADHS verursachen, müsste sich ein Anstieg der Kosten für ADHS-Arzneimittel mit der zeitlichen Zunahme von DECT-Telefonen und der Verbreitung des Mobilfunks finden lassen. Dr. Eger nennt die Zahlen des Arzneiverordnungsreport, demzufolge eine belegte Zunahme der verordneten Tagesdosen Methylphenidat (Ritalin) im Zeitraum von 1990 bis 2004 um das 86-fache stattgefunden hat. Im Detail: 1990 0,3 Mio; 1995 1,3Mio; 2000 13,5 Mio; 2004 25,8 Mio Tagesdosen. "Ein hochinteressanter Befund, denn es muss eine Symptomatik vorliegen, die diese Kinder zum Arzt bringt. Das ist mit einer gezielten Werbestrategie alleine nicht erklärbar."

Dr. Eger schlägt die Entwicklung eines tragfähigen Studiendesigns in Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten, universitären Einrichtungen, öffentlichen Gesundheitsbehörden und dem Bundesamt für Strahlenschutz vor. Folgende Punkte sollten seiner Ansicht nach unter anderen berücksichtigt werden:

  1. Die Kontaktaufnahme über die Krankenkassen zu Kinder- und Hausärzten, die ADHS-Kinder behandeln, denn die Datenbasis des Arzneimittelreports wird aus nicht anonymisierten Daten generiert, wie z.B. aus den Rezeptverordnungen von Ritalin, welches dem Betäubungsmittelgesetz unterliegt.
  2. Anamnese und ausführliche Untersuchung der Kinder und Erfassung der DECT Belastung (einschließlich anderer HF-Belastungen). Erhebung des Zeitpunktes der Anschaffung (gegebenenfalls auch in der Nachbarwohnung). Versuch einer Herausarbeitung eines zeitlichen Zusammenhanges.
  3. Auslassversuch und Dokumentation mit den behandelnden Ärzten vor Ort. "Mit minimalem Aufwand lässt sich so, auch vor dem Hintergrund eines Absinkens der "fluid intelligence" in Deutschland (Prof. Lehrl, 2006), schnell und kostengünstig eine langfristig volkswirtschaftlich katastrophale Entwicklung beurteilen" sagt Dr. Eger.

Dr. Eger betont, dass man gerade die betroffenen Kinder untersuchen müsse, genauso wie man in China den SARS-Virus bei den Menschen gesucht habe, die Fieber-Symptome hatten, um schneller die gewünschte Erkenntnis zu gewinnen.

Dr. Eger weist darauf hin, dass Mikrowellen seit etwa 70 Jahren therapeutisch "als Medikament" eingesetzt würden, eine Zusammenfassung von Wirkungen und Nebenwirkungen incl. der Ermittlung tödlicher Dosen an Tieren fände sich in der Literatur mehrfach bereits seit über 70 Jahren. (Quelle: Presman, Electromagnetic fields and life, Plenum Press, New York, 1970). Als ein zeitlich frühes Beispiel zitiert er aus "Kurzwellentherapie - die medizinische Anwendung elektrischer Höchstfrequenzen am Menschen" E. Schliephake:

"Unter den biologischen Wirkungen sind diejenigen auf den Gesamtorganismus und die örtlichen Wirkungen zu unterscheiden. Der Gesamtorganismus wird schon im Strahlungsfeld von starken Kurzwellensendern durch die freie Hertzsche Welle deutlich beeinflußt. Das empfinden alle Personen, die längere Zeit hindurch an solchen Sendern ohne genügend Schutzmittel haben arbeiten müssen. Es treten Erscheinungen auf, wie wir sie bei Neurasthenikern zu sehen gewohnt sind: starke Mattigkeit am Tag, dafür in der Nacht unruhiger Schlaf, zunächst ein eigenartig ziehendes Gefühl in der Stirn und Kopfhaut, dann Kopfschmerzen, die sich immer mehr steigern, bis zur Unerträglichkeit. Dazu Neigung zu depressiver Stimmung und Aufgeregtheit. Auch hierauf hat nach unseren Erfahrungen die Wellenlänge einen deutlichen Einfluß". (Zitat: Deutsche Medizinische Wochenschrift, Nr.32, 1932)

"Ärzte haben immer auf Nebenwirkungen zu achten", erklärt Dr. Eger: "Wenn heute Ärzte im Rahmen Ihrer Sorgfaltspflicht Nebenwirkungen modulierter elektromagnetischer Felder technisch erzeugter Hochfrequenzen bei Niedrig-Dosis-Dauer-Exposition medizinisch-wissenschaftlich nachweisen, so ist das nicht erstaunlich, sondern das ist unser tägliches Brot. Auch im Bereich von Medikamenten finden sich früher unbekannte Nebenwirkungen oft erst in der breiten Anwendung."

Zum Schluss seines Vortrags bittet Dr. Eger die Vertreter der Ärztekammern, eine öffentliche Anfrage zu starten, ob andere Ärzte ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Hierzu könne die vorgelegte Broschüre von Frau Dr. Waldmann-Selsam an alle deutschen Ärzte mit der Bitte um Kommentar versandt werden.

Das Thema des Vortrages von Dr. Schorpp lautet:

Gesundheitsschäden durch chronische Hochfrequenzbelastungen?

Kasuistiken von Vorortuntersuchungen als Methode zur Ableitung kausaler Zusammenhänge

Der Aussage von Prof. Nowak – Kasuistiken seien die niedrigste Stufe der wissenschaftlichen Erkenntnisfindung (low level of evidence) und höhere Evidenzebenen hätten größeres wissenschaftliches Gewicht – entgegnete Herr Dr. Schorpp einleitend:

"Nach den Ergebnissen der Gehirnforschung sind Kasuistiken die unabdingbare Grundlage menschlichen Lernens kausaler Zusammenhänge.

Das Gehirn eines Kindes - ein ungeschultes neuronales Netz - lernt die Kausalität (bzw. Multikausalität) von Zusammenhängen von Ereignissen quasi ausschließlich durch Kasuistiken (maximale Evidenz!). Das Verständnis eines mikroskopischen Wirkmechanismus sei dabei keine Voraussetzung der Kausalitätsfindung. Ein Kind muss spielen, um Kasuistiken zu kreieren. Ohne das Lernen durch Kasuistiken sei dieses Kind mit dreißig Jahren strohdumm."

Im zweiten Teil seines Vortrages zeigt Herr Schorpp eine Reihe von Fotografien, wie er sagt, Kasuistiken von Vorortuntersuchungen von durch Hochfrequenz erkrankten Bäumen. Seiner Erkenntnis nach "lichtet sich das Blattwerk chronisch belasteter Laubbäume zunächst stark aus und der Holzwuchs stagniert" (Birken seien besonders betroffen). Dabei sei nicht selten eine Senderseitigkeit der Schädigung bzw. der Bereich größter Belastung (höchster Absorption) offensichtlich erkennbar. Dr. Schorpp schließt die Trockenheit als Hauptursache aus, indem er "einfache Kasuistiken von geschädigten, hf-belasteten Bäumen, die im Wasser stehen" zeigt. Sender und geschädigte Bäume am Wasser sind auf dem Bild zu sehen. Auch zeigt er Bäume in "hf-armen Tallagen, die nach langer Hitzeperiode in voller Pracht zu sehen sind". "Die Bäume werden allem Anschein nach durch die Hochfrequenz in ihrem Stoffwechsel gestört", sagt Herr Dr. Schorpp.

Die Kasuistik eines Nussbaumes, der, wie Herr Dr. Schorpp schildert, "drei unterschiedlich stark geschädigte Zonen aufweist", erklärt er durch die unterschiedliche Befeldung der Bereiche aufgrund geometrischer Funkabschattungen durch benachbarte Gebäude. "Für einen strahlungserfahrenen Physiker sind die Zusammenhänge hier offensichtlich".

Den Nachweis der Kausalität will Dr. Schorpp durch den Vergleich von 1. Bäumen in Regionen mit starker HF-Belastung und 2. Bäumen in Regionen mit geringster HF-Belastung liefern. Er zeigt Bilder vom Herbst 2005, einerseits mit Obstbäumen ohne Blätter und ohne Obst im Strahlungsbereich vielfältig bestückte Sender, und andererseits Obstbäume mit Blättern und Obst in 4 km entfernter Tallage unter wesentlich geringerer HF-Belastung. Er zeigt nahezu abgestorbene Berghänge, die "dem Strahlungsfeld gleich mehrerer Sender chronisch ausgesetzt sind, gegenüber völlig gesunden Bäumen in so genannten "Funklöchern" (geringste terrestrische HF)". Herr Dr. Schorpp beendet den zweiten Teil unter Berufung auf viele weitere HF-Baum-Kasuistiken mit der Aussage:

"Das massenhafte Baumerkranken und Baumsterben hat mit nichts mehr zu tun, als mit der Hochfreqenzverseuchung der Umwelt." Jeder könnte sich vor Ort davon überzeugen. Er weist auf viele, komplexere Kasuistiken hin, mit skurrilen Erscheinungen, die "durch die enorme Fernwirkung der gerichteten, räumlich sehr inhomogen Strahlung verursacht sein könnten, ebenfalls durch die Überlagerung verschiedener Signale, einschließlich Reflexionen und durch Beugungs- und Interferenzeffekte". Aufgrund der sehr spezifischen Erkrankungssymptome, ließe sich jedoch meistens in frühem Stadium auf die Erkrankungsursache schließen.

Im dritten Teil seines Vortrages zeigt Herr Dr. Schorpp exemplarisch verschiedene Bilder von Fallbeispielen benachbarter Familien in einem Dorf, die "hochfrequenzmäßig ungünstig" auf einer Bergkuppe wohnen.

Herr Dr. Schorpp erläutert: "Zu der bestehenden HF-Bestrahlung u.a. durch einen entfernten Wasserturm (Mobilfunk) und durch einen terrestrischen Fernseh-/Rundfunksender wurden im Sommer 2001 im Kirchturm D1- und D2-Sender in Betrieb genommen. Zeitgleich haben bei mehreren benachbarten Familien starke, hochfrequenztypische Leiden eingesetzt".

Ein Foto durch das Dachfenster eines Kinderzimmers des ersten Hauses zeigt die Nähe des Kirchturms und die Abschirmung, mit der das gesamte Gebäude (unterputz und geerdet) abgeschirmt wurde. Trotzdem könne die Familie ihr Eigentum nicht unbeschwert bewohnen. Kinder und Eltern schliefen seit 5 Jahren in notdürftig eingerichteten Kellerräumen. Wenn die Kinder gefrustet den Versuch unternähmen, doch in ihren Zimmern zu schlafen, kämen sie nach kurzer Zeit freiwillig wieder in den Keller, weil es ihnen oben schlecht erginge.

Ein zweites benachbartes Haus sei ebenfalls ganzflächig abgeschirmt worden. Trotzdem fühlten sich auch hier die Bewohner seit 5 Jahren gezwungen, im Keller zu schlafen. Ein Bild zeigt ein Etagenbett unter einer Kellertreppe für die jugendlichen Kinder, die Eltern schliefen daneben in einem Kelleraum, obwohl ihnen doch ein ganzes Haus gehöre. Eine dritte Familie in einem anderen benachbarten Haus könne auch nicht mehr darin nächtigen. Ein Foto zeigt eine kleine Hütte am Waldrand in Tallage. "Hierin schläft die Familie seit Jahren jede Nacht, weil die Ehefrau nach Einschalten der Kirchturmsender schwer erkrankt ist". Bäume im Umfeld der kleinen Hütte, wo die Menschen Erholung fänden und die Frau wieder gesundet sei, gediehen prächtig und zeigten keine HF-Schäden. Herr Dr. Schorpp bezeichnet in diesem Zusammenhang die Bäume als eine Art Indikator für chronische Hochfrequenzbelastungen.

In allen drei geschilderten Fällen beklagt Herr Dr. Schorpp, dass von offizieller Seite bis heute niemand gekommen sei und geholfen hätte, trotz vieler schriftlicher Hilferufe der Familien.

In unmittelbarer Nachbarschaft seien nachweislich sechs Häuser aufgrund der HF-Belastung verkauft und weitere Häuser stünden derzeit zum Verkauf.

Herr Dr. Schorpp erläutert, dass seiner Erkenntnis nach nicht ausschließlich die Amplitude eines HF-Signales die einzig biologisch wirksame Größe sein müsse, wichtig seien auch die durch Überlagerung mehrerer Signale entstehenden "Frequenzkompositionen" und räumlichen Feldverteilungen. Auf Bergkuppen sei das "Chaos der HF-Signale" oft besonders ausgeprägt, da hier die Signale vieler Sender ankommen könnten. Mit hörbaren Schallwellen verglichen, sei das ungefähr so, als ob man die unterschiedlichsten Geräusche gleichzeitig hören müsse.

Erfahrungsgemäß führten - wie in den geschilderten drei Fällen - allseitig metallische Abschirmungen in der Regel zu keinen dauerhaft befriedigenden Ergebnissen. Die Signalamplituden könnten zwar reduziert werden, erhöhte, sich überlagernde Vielfachreflexionen könnten jedoch im Gegenzug dazu führen, das "elektromagnetische Wirrwarr" im Haus zu erhöhen. Abschirmung durch Absorption der Strahlung (anstatt Reflexion) sei ein besserer, aber sehr aufwendiger Weg, daher das Fliehen der Menschen in den Keller oder in den Wald.

Herr Dr. Schorpp schließt seinen Vortrag mit der Bemerkung, selbst eine Kasuistik eines HF-Geschädigten zu sein. Zum Schutz habe er sich sein Büro in einem tiefen Keller eingerichtet und schlafe seit über drei Jahren in einem hf-armen Tal im Zelt, um die nötige Lebensenergie für den Tag zu haben. Auch ihm sei trotz dringlicher Briefe an die Behörden nicht geholfen worden. Er zeigt Bilder von "seinen Funklöchern", in denen die Bäume in praller Hitze makellos wachsen und gedeihen.

Er stellt eindringlich auch im Namen der vertretenen Ärzteinitiativen die ethische Forderung nach mehreren Gebirgstälern, garantiert ohne terrestrische Hochfrequenz, für hf-erkrankte Menschen, damit die wieder ein menschenwürdiges Leben führen können. "Wenn die Symptome dieser Personen in den hf-freien "Reservaten" abklingen (Deexposition), ist dies ein weiterer, stark kausaler Hinweis".

Die Präsentation wird den Teilnehmern als pdf-Datei zur Verfügung gestellt.

Mit dem Vortrag von Herrn Dr. Schorpp endet der erste Teil des Fachgesprächs, auf dem unterschiedliche Sichtweisen präsentiert wurden. Herr Dr. Weiss führt auf die Fragestellung des Workshops zurück und weist auf die Punkte hin, die nach der Mittagspause diskutiert werden sollen: Was sind gut ausgearbeitete Fallbeispiele, was ist Kausalität, was ist geeignet für die Generierung von Hypothesen, wo besteht ggf. noch Forschungsbedarf?

In der Mittagspause wird ein in der Tagesordnung nicht vorgesehener Zusatzvortrag von Herrn Dr. Scheiner akzeptiert.

Herr Dr. Scheiner berichtet über den damals gerichtsanhängigen Fall des 44-jährigen Elektromeisters A. G., der einige Wochen nach Installation einer Mobilfunkantenne 17 Meter entfernt von seinem Haus an aus der Literatur als "Mikrowellensyndrom" bezeichneten Symptomen erkrankte (A. Johnson-Liakouris).

"Die Beschwerden seiner massiven Schlaflosigkeit, permanenten Müdigkeit, Erschöpfung, Schwindel, sowie sein hartnäckiger Tinnitus verschwanden nur bei längerem Verlassen der Exposition im Urlaub. Die Symptome des Mikrowellensyndroms sind einzeln zwar unspezifisch, in ihrer Gesamtheit jedoch typisch. Epidemiologische Studien, wie z.B. die "Lilienfeldstudie" (redigiert von Prof. Goldsmith, 1998), die Erhebung von Prof. Santini R. (2002, 2003) Prof. Mild (1998), und Arbeiten von Dr. Navarro, Dr. Oberfeld (2003) und anderen zeigen signifikante Dosis-Wirkungsrelation sowohl rund um Mobilfunkmasten (bei Santini z.B. 300 m), als auch bei Handynutzern (z.B. Mild bei 11.000 Skandinaviern). Beschrieben wurde das Mikrowellensyndrom bereits 1932 von den deutschen Forschern Schliephake, Danzer 1934 und später von vielen sowjetischen und amerikanischen Forschen (z.B. Gordon 1966, Frey 1975 u.a.)

Die beklagte Schlaflosigkeit lässt sich kausal auch labormäßig durch eine nächtliche Melatoninreduktion, erfassbar im Nachtsammelurin durch den Metaboliten 6-OH-Melatonin-S untermauern. Diese Melatoninreduktion sowohl durch hoch- als auch niederfrequente Elektromagnetische Felder ist z.B. durch Burch (1997, 1999), Abelin (1995) und Altpeter (Univ. Bern) und andere Forscher nachgewiesen worden. Cherry (2001) zählt nicht weniger als 19 diesbezügliche Studien bei Mensch und Tier z.T. mit signifikanter Dosis-Wirkungsrelation auf. Eine notariell kontrollierte Studie der Univ. Bern um den KW Sender Schwarzenburg hat gezeigt, dass sogar die Dauerbelastung von 0,4 nW/cm² in nicht geringem Umfang Schlaflosigkeit verursacht, dies wurde im Blindversuch durch Ein- und Abschalten des Senders signifikant nachgewiesen. Da Melatonin als Schlafhormon auch unser zentrales Abwehrhormon ist, wird auch verständlich, dass rund um Radio- und TV-Sender wie z.B. den "Sutra-Tower" in San Franzisco die Krebshäufigkeit oft dosiswirkungsabhängig mit der Strahlendosis verknüpft ist (Selvin. Hammet u. Edison 1997). Bei einer Dauerbelastung von 50 nW/cm² war das kindliche Krebsrisiko verdoppelt.

Tinnitus wird ursächlich vielfältig auf Durchblutungsstörungen zurückgeführt. Bei Herrn A.G. zeigt sich im Dunkelfeldmikroskop ein Verkleben der roten Blutkörperchen, das so genannte "Geldrollenphänomen", mit dadurch bedingter Verminderung der Mikrozirkulation. Diese "Geldrollenbildung" ist durch Forschungen von Petersohn 1998, Ritter und Wolski (2005) unter Hochfrequenz heute gesichert und jederzeit leicht überprüfbar. Zudem bezeichnet die SSK im Bundesanzeiger Nr. 43 (1992) vermehrten Kalziumionenfluss aus Nervenzellen im athermischen Bereich heute als "wissenschaftlich gesichert". Nach Bernhard (SSK) kann Tinnitus auch mit minimalen Gehirnerwärmungen und entsprechend akustischen Phänomenen im Innenohr in Verbindung gebracht werden.

Als Gerichtsgutachterfungierte im Fall A.G. Prof. Nowak, der jegliches athermische Gesundheitsrisiko prinzipiell abstritt habe. Das Gericht schloss sich jedoch der wissenschaftlichen Ansicht des Klägers an. Da die Mutter des Klägers bedauerlicherweise während des 8-jährigen Rechtsstreites Nierenkrebs bekam, wurde vom Kläger in einen Vergleich eingewilligt, der zum Abbau der Antenne führte. Tragischer Weise verstarb die Mutter des Klägers trotzdem kurz nach dem für ihn günstigen Ausgang des Rechtsstreites".

Herr Dr. Scheiner plädiert für eine umgehende drastische Absenkung der Grenzwerte.

TOP 5: Diskussion

Diskussionspunkt 1: Kasuistiken

Herr Dr. Weiss leitet die 1. Diskussionsrunde mit der Einschätzung ein, dass die Umweltmedizin bisher nicht im wünschenswerten Maß in die Erkenntnisgewinnung eingebunden ist, dass dies aber nicht beliebig, sondern nach wissenschaftlichen Standards geschehen müsse. In diesem Zusammenhang werden zunächst gezielt die Teilnehmer aufgerufen, die aktiv an der Ausarbeitung der RKI-Empfehlung beteiligt waren, und um ihre Einschätzung des von ärztlicher Seite zur Verfügung gestellten Materials gebeten. Insbesondere soll diskutiert werden, ob es sich bei den vorgelegten Befunden um gut aufgearbeitete Fallbeispiele handelt, ob sie als Erkenntnisquellen zur Hypothesengenerierung oder gar für den Nachweis ursächlicher Zusammenhänge geeignet sind.

Herr Prof. Kappos stimmt dem Vortrag von Prof. Nowak in allem Wesentlichen zu. Er vertritt ebenfalls die Ansicht, dass Fallbeispiele in der Medizin schon immer eine sehr wichtige Funktion hätten. Für ihn sei ein nachvollziehbares Experiment mit einer Person, bei der ein Kausalzusammenhang festgestellt werden könne, mindestens genauso gut, vielleicht sogar besser, als eine epidemiologische Evaluierung mit Störfaktoren. Bezüglich der vorgelegten Fallbeispiele geht Herr Prof. Kappos davon aus, dass die von Frau Dr. Waldmann-Selsam vorgelegten Unterlagen nur einen Ausschnitt aus dem erhobenen Material darstellen. Um eine mögliche Kausalität herzustellen, müsse man jeden dargestellten Einzelfall auf eine solche Kausalität prüfen. Ob das sinnvoll oder wissenschaftlich gerechtfertigt sei, auch vor dem Hintergrund sonstiger vorhandener Erkenntnisse, möchte Herr Prof. Dr. Kappos zunächst offen lassen.

Beides, Epidemiologie und Fallbeispiele seien nebeneinander zu berücksichtigen. Bei relativ seltenen Phänomenen seien Fallbeispiele besonders wichtig, da epidemiologische Methoden hier klare Grenzen hätten. Schon bei der Evaluierung von relativ häufigem Lungenkrebs durch Luftschadstoffe benötige man etwa 2 Millionen Betroffene und etwa 2 Millionen Kontrollen, die ein Jahr lang beobachtet werden müssten, um eine epidemiologisch fundierte Aussage machen zu können. Dieses Beispiel veranschauliche das enorme Ausmaß guter epidemiologischer Studien, das mit der Seltenheit der Befunde ansteige.

Bei der vorgelegten Auswahl von Kasuistiken müsste jeder Einzelfall gesondert mit geeigneten Experimenten auf Kausalität geprüft werden. Die beschriebenen Akutphänomene könnten für den Einzelfall durch wissenschaftliche Expositions-/ Deexpositionsexperimente eine mögliche Kausalität eindeutig und reproduzierbar belegen. Ob eine im Einzelfall gefundene Kausalität ein Problem für die Allgemeinheit darstellt, sei damit nicht geklärt und müsste nicht notwendigerweise Verbote zur Folge haben. Wenn für seltene Einzelfälle die Möglichkeit des Schutzes gegeben sei, indem man z.B. belastungsfreie Territorien schaffe, dann wäre dies für die Gesellschaft ethisch genauso gerechtfertigt.

Herr Prof. Eikmann betont die Notwendigkeit, in den Einzelfällen alle schon vorliegenden Vorbefunde zu prüfen. Er erläutert das weitere Vorgehen am Beispiel MCS (Multiple Chemical Sensitivity = multiple Chemikalienunverträglichkeit). Im Zentrum für klinische Umweltmedizin der Universität Gießen würde bei einem Patienten, der als Ursache seiner Beschwerden MCS angibt, zunächst geprüft, ob es Umwelteinwirkungen gibt, welche seine Beschwerden erklären könnten. Dazu gehören z.B. Vor-Ort-Untersuchungen mit Messungen, humanbiomonitorische Untersuchungen usw., um eine mögliche Exposition zu objektivieren, was alleine mit Fragebögen nicht möglich sei. Die Expositionsabklärung sei ein extrem wichtiger Punkt, egal mit welchen Erklärungsmustern ein Patient zu ihm käme.

Es reiche Herrn Prof. Eikmann nicht aus, dass ein Patient das Mobiltelefon oder Sonstiges als Ursache der Beschwerden angibt. Es müsse vielmehr mit vielen weiteren Erkundungen geprüft werden, ob andere Erklärungsmuster vorliegen können. Offene klinische Befunde müssten auch mit den beteiligten Ärzten objektiviert und weiter abgeklärt werden. Erst in einer gemeinsamen Besprechung der beteiligten Fachärzte unter obligatorischer Einbindung eines Psychosomatikers würde der individuelle Fall dann beurteilt. Herr Prof. Eikmann ergänzt, dass viele seiner MCS-Patienten oder auch Patienten, die ihre Beschwerden auf Zahnersatzmaterial zurückführen, die gleichen Beschwerden äußern, wie sie von Frau Waldmann-Selsam beschrieben werden. Prof. Eikmann macht deutlich, dass es nicht angemessen sei, eine gebotene Erklärung "einfach so" anzunehmen. Explizit spricht Prof. Eikmann kritisch das "Gutachten" eines Arztes im Fall Bücher an, in dem dieser eine kausale Verknüpfung bestätigt. Prof. Eikmann äußert sein diesbezügliches Unverständnis, da der betreffende Kollege seiner Ansicht nach eine solche Feststellung so nicht treffen könne und verweist auf Gerichtsverfahren, in denen seiner Erfahrung nach derartige "Atteste" keinen Bestand hätten.

Für Herrn Prof. Eikmann ist die Aufklärung des tatsächlichen Umweltbezugs das A und O und da liege in Deutschland der allergrößte Mangel. Es reiche nicht aus, sich über Internetrecherche o.ä. sachkundig zu machen, sondern man müsse viel Erfahrung auf dem Gebiet haben und tief in die Materie einsteigen.

Herr Prof. Nowak stimmt Herr Prof. Eikmann zu. Wenn Patienten mit bestimmten Kausalitätsvorstellungen kämen, müsse das objektiviert und - wenn möglich und technisch praktikabel – experimentell überprüft werden. Ziel müsse in jedem Fall sein, die Wahrheit herauszufinden, da nur so wirkliche Hilfe für den Patienten möglich sei. Explizit zum Fall Kleilein, wo der leitende Arzt der Notaufnahme im Klinikum Coburg ADHS-ähnliche Symptome seines Sohnes mit einer DECT Basisstation in Verbindung gebracht hat, bemerkt Prof. Nowak, dass dies für Ihn keine befriedigende Kasuistik sei. Eine geeignete Herangehensweise zur Objektivierung wäre nach Auffassung von Herrn Prof. Nowak, wenn das DECT-Telefon verblindet, randomisiert (d.h. zufallsverteilt, ohne dass das Kind, der Vater oder der untersuchende Arzt weiß, ob das Gerät aktiv ist oder nicht) und wiederholt an- und aus geschaltet wird und der Proband über ein Symptomtagebuch seine Befindlichkeit darstellt. Herr Prof. Nowak äußert durchaus Interesse daran, dieser Kasuistik auf den Grund zu gehen, was aber voraussetzen würde, dass die betroffenen Personen einer erneuten HF-Exposition zustimmen würden. Ohne diese Bereitschaft wäre eine weitere Abklärung nicht möglich und es bliebe eine generierte Hypothese übrig, die aber nicht überprüft wurde. Der Fall Kleilein sei für Prof. Nowak dann eine "May-be" Kasuistik.

Herr Prof. Kappos findet die von Dr. Eger vorgetragene Anregung der Überprüfung eines Zusammenhanges von ADHS und DECT-Basisstationen durchaus sinnvoll. Wenn es einen stark kausalen Zusammenhang zwischen "Zappel-Phillip-Syndrom" und DECT-Telefonie gäbe, sei dies durch geeignete Studien relativ klar, eindeutig und einfach zu klären. Wenn der Zusammenhang jedoch nur sehr gering wäre, käme man wieder in Schwierigkeiten mit der Dimension der Studie, die für die Findung der schwachen Kausalität notwendig wäre.

Herr Dr. Scheiner betont, dass für ihn als Arzt der therapeutische Erfolg an erster Stelle stünde. Er spricht von einer Fülle von ärztlichen Erfahrungen, wo das Ziehen des Netzsteckers einer DECT-Station, zumindest bei funktionellen Störungen, überraschend häufig eine zuverlässige Besserung gebracht hätte, die sich zum Teil auch objektivieren ließen. Diesbezüglich könnten zur Kausalitätsfindung in der Klinik von Prof. Nowak geeignete Studien durchgeführt werden.

Frau Dr. Aschermann weist darauf hin, dass es Unterschiede gäbe zwischen den Elektrosensiblen: Die einen spürten innerhalb von Sekunden, wo ein Sender stehe, andere reagierten zeitverzögert und andere wieder würden - nach längerer Strahlenbelastung - zwei bis drei Tage später krank. Auch könne die Belastungssymptomatik u.U. noch nach Beendigung der Exposition anhalten. Diese Individualität müsse bei Tests berücksichtigt werden, die Menschen könnten meist sehr genau schildern, wann sie wie reagierten. Ein schematisches Testen könne zu falsch-negativen Ergebnissen führen.

Sie erwähnt Frau G., die den meisten Teilnehmern aufgrund ihrer zahlreichen Eingaben seit 1993 an BMU, BfS, Gesundheitsämter u.a., ein Begriff ist, die auch an der Universität Witten-Herdecke getestet worden sei. Frau G. sei sehr elektrosensibel gewesen und habe Plätze mit unverträglich hoher Strahlenbelastung sicher orten können. U.a. habe sie mit extrem hohen Blutdruckwerten reagiert. Dr. Klawe vom Gesundheitsamt Passau habe bei ihr Werte über 250 mm Hg festgestellt und daraufhin die Untersuchung abgebrochen. Frau G. habe (Dez. 2001) einen Schlaganfall erlitten und sei im Dezember 2004 akut verstorben im Alter von 57 Jahren. Frau Dr. Aschermann erkundigt sich, ob Blutdruck- und EKG-Untersuchungen in Witten-Herdecke kontinuierlich während der Tests auf Elektrosensibilität durchgeführt würden. Dies sei nicht der Fall, hieß es, nur am Anfang werde gemessen.

Herr Dr. Reissenweber plädiert aus seiner Erfahrung heraus ebenfalls für die wissenschaftliche Herangehensweise; in gezielten Versuchen könnten mögliche andere Einflüsse ausgeschaltet bzw. standardisiert werden. Die Exposition müsse randomisiert und wiederholt erfolgen.

Herr Dr. Dahmen merkt an, dass bereits in ca. 20, darunter auch gut ausgearbeiteten Studien versucht worden sei, eine Kausalität zwischen gesundheitlichen Beschwerden und HF-Exposition festzustellen, die jedoch alle negativ ausgefallen seien (d.h. ein Zusammenhang konnte nicht gezeigt werden). Da zudem Menschen, die sich am stärksten von EMF betroffen bzw. geschädigt fühlen, auch die meiste Angst vor einer Exposition hätten und am wenigsten bereit seien, an Studien teilzunehmen, sei Herr Dr. Dahmen hinsichtlich einer weiteren Provokations-Studie gleichen Designs skeptisch.

Frau Dr. Schlehofer sieht in der laufenden Diskussion die Gefahr, dass nicht ausreichend zwischen Aussagen für einen Einzelfall und epidemiologischen Aussagen über Wahrscheinlichkeiten in der Gesamtheit der Bevölkerung unterschieden werde. Bei Betrachtungen auf Einzelfallebene müsse man auch beim Einzelfall bleiben und die Ursachen der Beschwerden objektiv abklären, da sonst dem Patienten nicht geholfen würde. Auf der Ebene der Epidemiologie hingegen würde z.B. mit standardisierten psychometrischen Testverfahren gearbeitet, jedoch keine Einzelfalldiagnostik durchgeführt. Ein Vermischen dieser Ebenen würde weder der Wissenschaft noch dem Einzelfall gerecht. Sie merkt zudem an, dass zahlreiche der genannten Symptome bereits in laufenden Studien untersucht würden. Die Frage sei, "wo dies noch nicht der Fall ist, d.h. wo noch weiterer Bedarf besteht".

Der Medizinmeteorologe Walter Sönning berichtete von kausalen Einflüssen kurzfristiger, natürlicher Wettervorgänge auf den Organismus von Mensch und Tier (Wetterbiotropie, Wetterfühligkeit). Der maßgeblich kausale "biotrope Wetterfaktor" beruhe auf natürlichen, elektromagnetischen Entladungen in der Atmosphäre. Keine sichtbaren Blitze, sondern niederfrequente, atmosphärische Impulsstrahlung, die sogenannten Sferics oder Atmospherics seien dafür verantwortlich. Sferics seien ein meteorogenes (wetterverursachtes) EM Impuls-Frequenzspektrum zwischen ca. 3 kHz und 60 kHz. Spezielle resonanzfähige Impulsformen daraus beeinflussten im industriellen Prozess verifizier- und quantifizierbar die Diffusionsfähigkeit dünner Folien aus fotographischer Dichromat-Gelatine, die als biochemisches Membransystem bei der Ätzung der Druckzylinder beim Rakel-Tiefdruckverfahren eingesetzt worden seien. Die Wetterbiotropie bestünde – je nach Impulsform – in einer Labilisierung bzw. Stabilisierung der Membranstruktur durch eine temporäre Beeinflussung der Resonanzstabilisation der Kollagenmoleküle des Membranmaterials (Baumer, Eichmeier). Die "biotropen" Impulsformen stünden in spezifischem Zusammenhang mit Prozessen der atmosphärischen Dynamik (Sönning).

Untersuchungen am Max-Planck-Institut für Biochemie (Mü.-Martinsried) hätten die biochemisch/biologische Wirksamkeit dieser speziellen Impulsformen nachgewiesen (Ruhenstroth-Bauer et al.). Die für den industriellen Prozess hochstandardisierte, fotographische Dichromat-Gelatine konnte damit als verifiziertes, meteorotropes, biochemisches Membransystem ebenso als Modell für biologische Zellmembranen betrachtet werden. Das gesamte korrelationsstatistisch erarbeitete medizinmeteorologische Material war erstmals kausal zu begründen. Künstlich reproduzierte Sferics lösten die gleichen biologischen Wirkungen aus!

Herr Sönning wies schließlich auf die seiner Ansicht nach grundsätzliche Ähnlichkeit der Syndrome der Wetterfühligkeit mit der seit vielen Jahren beschriebenen Elektrosensibilität bei Exposition gegenüber niederfrequent gepulster Hochfrequenzstrahlung hin.

Herr Dr. Bornkessel gibt unter Bezugnahme auf die von Frau Dr. Waldmann-Selsam durchgeführten Vor-Ort-Messungen einige Hinweise zum Thema Expositionsermittlung. Das verwendete Messgerät sowie die Fähigkeiten des Gerätes, korrekt zu messen, sollten angegeben werden. Auch müsste nachvollziehbar sein, ob der räumliche Mittelwert, der Wert an einem fixen Punkt oder der Peakwert (d.h. der höchste während der Messung auftretende Wert) festgehalten wurde, da sich hier große Unterschiede ergeben können. Der räumliche Mittelwert könne z.B. um Faktoren von bis zu 100 unter dem Maximalwert liegen. Auch wäre festzuhalten, ob ein zeitlicher Augenblickswert oder ein Maximalwert ermittelt wurde. Ideal wären frequenzspezifische Messgeräte, um Rundfunk und Fernsehen abgrenzen zu können. Er sei im Übrigen auch angesichts des mittlerweile in Teilen Deutschlands eingeführten digitalen Fernsehens nicht der Meinung, dass der Beitrag von Rundfunk- und Fernsehsendern zur Gesamt-HF-Belastung vernachlässigbar sei.

Herr Dr. Eger und Herr Dr. Schorpp vertreten im Verlaufe des Workshops die Ansicht, dass die biologische Belastung nicht unbedingt gleichzusetzen sei mit der gemessenen Amplitude (oder Leistungsdichte) eines Gesamt-HF-Signals". Z.B. seien die tödlichen Dosen bei Versuchstieren im Frequenzbereich des Mobilfunks wesentlich geringer als bei den niedrigeren Rundfunk- und Fernsehfrequenzen, die biologisch auch in anderer Hinsicht weniger kritisch seien (Modulation). Die schädigende Wirkung auf Bäume steige nach Beobachtungen von Herrn Dr. Schorpp ebenfalls deutlich mit der Frequenz. Zusätzlich müssten mögliche Synergien auf biologische Effekte durch das Zusammenspiel der unterschiedlichen Signale beachtet werden.

Frau Dr. Waldmann-Selsam würde sich über eine Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Bornkessel sehr freuen. Sie betont, dass es sich bei Ihren Messungen um orientierende Messungen handele und im Einzellfall, wie im Fall Icking fachkundige Messungen durchgeführt würden. Sie wisse durch Vergleiche, dass sie in aller Regel zu niedrig messe. Entscheidend sei jedoch die Größenordnung und die regelmäßige Bestätigung, dass sich die Bewohner quasi nur noch in den Zimmern mit den geringeren Messwerten aufhielten.

Sie habe ihre Messungen immer am Schlafplatz und am Hauptaufenthaltsort durchgeführt. Den Anteil von DECT-Telefonen an der Gesamtbelastung habe sie in den besuchten Haushalten aus der Differenz zwischen den Ergebnissen bei ein- bzw. ausgeschaltetem DECT-Gerät ermittelt.

Zum weiteren Vorgehen schlägt Herr Prof. Nowak vor, zu versuchen, eine kleine, aber hochwertige Zahl von Kasuistiken zusammenzutragen, mit denen ggf. gezeigt werden könnte, dass es Menschen gibt, die überempfindlich reagieren. Sollte dies gelingen, wäre mit einer derartigen positiven Kasuistik für die betreffenden Patienten viel gewonnen. Diese Absicht ginge allerdings dann ins Leere, wenn Patienten zu entsprechenden Untersuchungen nicht bereit sind. Herr Prof. Nowak spricht noch einen weiteren Punkt an, der ihm am Herzen liegt: In seinen Augen sei es keinesfalls zielführend und angebracht, psychische bzw. psychosomatische Erklärungsmuster als "bloß psychisch" abzuwerten. Er legt großen Wert auf die Feststellung, dass nichtsomatische Erklärungsmodelle mit gleicher Würde und Ernsthaftigkeit zu behandeln seien wie rein somatische. Sie müssen für Mediziner äquipotent und äquivalide sein.

Frau Dr. Waldmann-Selsam wendet ein, dass es sich z.B. im angesprochenen Fall von Frau S. um eine körperlich und psychisch sehr stabile Frau handele. Als ihr Calcium-Spiegel in einer Reha-Klinik mit Mobilfunksender abgesunken sei und bei ihr tetanische Symptome aufgetreten seien, hätten die Ärzte die Calcium-Gabe verweigert aus Unkenntnis der Möglichkeit hochfrequenzinduzierter Hypocalcämie. Sie hätten fälschlicherweise eine psychische Ursache angenommen.

Frau Dr. Schlehofer stimmt Herrn Prof. Nowak zu und ergänzt, dass die eine Erklärung die andere nicht ausschließe. Bei dieser Gelegenheit weist sie darauf hin, dass ihrer Ansicht nach die Ursachen für die in mehreren Fallbeispielen beschriebenen Besserungen der Beschwerden bei Ortsveränderung aus den vorgelegten Unterlagen nicht hinreichend zu klären seien.

Herr Prof. Eikmann schließt sich den Ausführungen von Herrn Prof. Nowak an und macht auf folgendes aufmerksam: wollte man die vorgelegten Fälle in wissenschaftlich sinnvolle Form bringen, könnte das seiner Ansicht nach durchaus schwierig sowohl für die Patienten als auch für die ärztlichen Kollegen werden. Sollte Prof. Eikmann die Fallbeispiele durchgehen, bräuchte er in jedem Einzelfall die vollständigen Unterlagen der behandelnden Ärzte. Er würde dann eine eigene Diagnose erstellen, die in einer Fallkonferenz zusammengeführt würde. Dabei wäre u.a. auch zu klären, ob tatsächlich eine relevante Exposition vorliegt oder nicht. Er weist darauf hin, dass hier Kompromissfähigkeit gefordert wäre sowie die Bereitschaft, von eigenen Urteilen abzurücken. Auch er vertritt die Ansicht, dass mögliche psychische Aspekte berücksichtigt werden müssten.

Herr Dr. Eger weist darauf hin, dass die Familie Kind ihr verlassenes Haus gerne für Studienzwecke zur Verfügung stelle. Hier könnte eine Studie mit einer größeren Anzahl von Probanden, die sich dort für eine gewisse Zeit exponieren, stattfinden.

Herr Dr. Weiss hält fest, dass Herr Dr. Bornkessel in einem erstem Schritt bereit wäre, (nachdem bereits im Jahr 2004 Messungen durch die TU Dresden und das Staatliche Umweltamt Radebeul vorgenommen wurden), eine erneute HF-Messung im Haus der Familie Kind durchzuführen. Die Einzelheiten werden vom BfS weiter verfolgt.

Herr Dr. Scheiner weist noch darauf hin, dass häufig Elektrosensible nicht besonders HF-belastet seien, weil sie eben die Exposition meiden. Nach seiner Auffassung haben diese Personen eine Art "Lackmus-Funktion", sie zeigen eine Gefährdung an, die andere nicht spüren. Generell sucht er eine geeignete klinische Einrichtung, in der man Elektroallergiker untersuchen kann.

Frau Dr. Aschermann verweist auf ihre Publikation "Beobachtungen zu Mobilfunk aus einer psychotherapeutischen Praxis", veröffentlicht in der Zeitschrift "Umwelt-Medizin-Gesellschaft", 17, 2004, Heft 1. Sie beobachte seit Ende 1996 Patienten mit einer sehr auffälligen, neuartigen Symptomatik: "Die Symptomatik entspricht dem hier bereits genannten Mikrowellensyndrom - in unterschiedlicher Ausprägung. Als Gemeinsamkeit bieten die Patienten hirnorganische Störungen: Störungen von Kurzzeitgedächtnis und Konzentration, Fehlhandlungen und Wortfindungsstörungen. Ich fand eine Häufung in bestimmten Stadtvierteln, die ich nicht erklären konnte" sagt Frau Dr. Aschermann. Erst 1999 habe sie den Zusammenhang mit Mobilfunksendern und DECT-Telefonen hergestellt. Sie legt eine Tabelle über die Untersuchung von 65 Patienten vor, in der übersichtsmässig u.a. somatische und psychotherapeutische Faktoren der Anamnese, Metallbelastung, DECT-Telefon und anderer Elektrosmog, Umgebungserkrankungen sowie der anhand des Stadtplans geschätzte Abstand vom Mobilfunksender aufgeführt werden. Sie betont, dass keiner der Patienten die Ursache seiner Beschwerden in der Mobilfunktechnik gesehen habe, und sie selbst in den Jahren bis 1999 auch nicht. Sie erwähnt, dass Frau Professor Berg auf ihre Anregung die Frage nach hirnorganischen Störungen in ihre Studie aufgenommen habe (Querschnittsstudie des Deutschen Mobilfunkforschungsprogramms).

Herr Dr. Weiss beendet den ersten Teil der Diskussion und zieht das Fazit, dass bezüglich der vorgelegten Fallbeschreibungen deutlich Ergänzungsbedarf z.B. hinsichtlich Expositionserfassung sowie multikausalem statt monokausalem Denken formuliert wurde. Als positiv wird das Bemühen gesehen, einen weiteren gemeinsamen Weg zu finden. Zur Einleitung in den zweiten Diskussionsteil spricht Herr Dr. Weiss die Frage nach akuten Effekten versus Langzeiteffekten an, die jeweils unterschiedliche Untersuchungsstrategien erfordern und fragt nach konkreten Vorstellungen für ein mögliches weiteres Vorgehen. Aus der folgenden Diskussion kristallisiert sich der Ansatz heraus, zu versuchen, mit einer "kleinen aber feinen" Zahl von Fällen weiter voranzukommen.

Diskussionspunkt 2: Strategien

Herr Prof. Kappos stimmt Herrn Prof. Nowak zu. Auch aus seiner Sicht sei seine einfache Studie mit einer begrenzten Zahl von Probanden das einzig mögliche. Er geht davon aus, dass sich aus dem vorgelegten Material Personen finden ließen, die sich für eine solche Studie zur Verfügung stellen würden. Die Fragestellung, ob es Menschen gibt, die auf hochfrequente elektromagnetische Felder akut empfindlich reagieren, könnte damit vielleicht beantwortet werden. Auf Nachfrage von Herrn Dr. Weiss erläutert er seine Vorstellungen dahingehend, dass man sich mit den Personen, denen die Ursprungsdaten zur Verfügung stehen, zusammensetzen, die Fälle durchgehen und eruieren müsse, ob die jeweiligen Patienten bereit seien, an einer Untersuchung, deren Design noch festzulegen wäre, teilzunehmen. Die Fälle müssten so aufgearbeitet werden, dass mögliche ursächliche Zusammenhänge klar herauskommen.

Herr Prof. Eikmann vertritt die Ansicht, dass über das vorliegende Material noch einmal in die Einzelfälle "einzusteigen" sei. Dies sei die Voraussetzung, damit man mit den Unterlagen arbeiten könne. Ein einheitliches Vorgehen hinsichtlich Anamnese, Diagnostik und Expositionserfassung wäre notwendig. Insofern schließt sich Herr Prof. Eikmann den schriftlich vorliegenden Ausführungen von Frau Prof. Blettner an. (In Kürze zusammengefasst charakterisiert Frau Prof. Blettner das vorgelegte Material als eine Sammlung von Fallbeispielen, die sehr unterschiedlich aufbereitet sind, z.T. Arztbriefe, z.T. Selbsteinschätzungen, z.T. Fragebögen, so dass für sie eine systematische Bewertung nicht möglich war. Auch sie stellt fest, dass für jeden Einzelfall eine detaillierte klinische Anamnese notwendig wäre, um alternative Erklärungen beurteilen zu können. Eine einheitliche Erfassung der Beschwerden in validierten Fragebögen wäre ihrer Ansicht nach notwendig, um zu belastbaren Aussagen zu kommen.) Entscheidend wäre für Herrn Prof. Eikmann, nochmals an die Patienten und auch an die tatsächlich behandelnden Ärzte heranzutreten.

Darauf stellt Herr Dr. Weiss an Frau Dr. Waldmann-Selsam die Frage, ob ein solches Vorgehen für sie denkbar wäre. "Ja, unbedingt", sie könne sich dies als einen Teil der Untersuchungen vorstellen. Aber wichtiger für sie sei es und darum bitte sie alle Anwesenden, an den Standorten mit besonders schwerwiegenden Fällen und mit großen Häufungen von Erkrankungen, wo ganze Straßenzüge betroffen seien, sofort Untersuchungen einzuleiten. Sie fragt, ob es möglich sei, z.B. in Icking, in Haibach und in Völklingen fachgerechte EMF-Expositionsmessungen durchzuführen und zusammen mit den Ärzten vor Ort eine gründliche Erhebung des Gesundheitszustandes zu machen. Um die Frage nach der Kausalität zügig klären zu können, müsste dann eine Senderabschaltung veranlasst werden (Deexposition) und die Untersuchungen nach etwa drei Monaten wiederholt und verglichen werden. Diese Forderung wird von den anderen Vertretern der Ärzteinitiativen unterstützt.

Herr Dr. Weiss vertritt die Ansicht, dass diese Forderung weder realistisch noch rechtlich möglich sei. Die Möglichkeit, zu Studienzwecken einen Sender vorübergehend abzuschalten, sei im übrigen vom BfS im Rahmen der so genannten "Schlafstudie" des DMF mit den Betreibern umfassend diskutiert worden – die Betreiber hätten jedoch abgelehnt.

Frau Dr. Waldmann erwidert, "bei einem so fundierten Verdacht sind die Betreiber nicht mehr zu fragen, eine zügige Klärung ist notwendig". Sie fragt, was sie den vielen Betroffenen sagen solle, die alle auf dieses Fachgespräch hoffen. Viele Schicksale warteten darauf gesagt zu bekommen, wo sie hinziehen können, um der Strahlung zu entkommen.

Herr Prof. Kappos hält dem entgegen, dass hier seiner Ansicht nach die pragmatische und rechtliche Situation verkannt werde. Wer eine Schädigung durch Mobilfunk behaupte, müsse hierfür – auch als Arzt – den Beweis führen.

Herr Dr. Eger schlägt vor zu versuchen, eine richterliche Verfügung zur Mastabschaltung zu erwirken, wie das z.B. in Spanien schon mehrfach der Fall gewesen sei. Zudem solle von Seiten des Bundesamtes für Strahlenschutz das Problem der Bundeskanzlerin und dem Bundespräsidenten persönlich vorgelegt werden.

Herr Dr. Dahmen weist darauf hin, dass – abgesehen von der Frage der Machbarkeit – eine den Probanden bekannte Senderabschaltung das wesentliche Element der Verblindung herausnehmen und eine derartige Studie in Aussagekraft und wissenschaftlicher Akzeptanz massiv schwächen würde.

Herr Dr. Scheiner unterstreicht: "Exposition und Karenz sind die absoluten Basisgrößen bei allen möglichen Verträglichkeitsprüfungen, ob bei Medikamenten, Nahrungszusatzstoffe usw." Er erinnert an die gemeinsame Verantwortung gegenüber den Menschen, die unter der Strahlung litten. Es sei für ihn schwer darstellbar, trotz des heutigen, wissenschaftlichen Kenntnisstandes weiter zu forschen und die Patienten dadurch "zu einem weiteren Leiden zu zwingen."

Herr Dr. Eger wirft ein, dass ihm die Abklärung der Gesundheitsprobleme zu zögerlich verlaufe und dass Ärzte oft wichtige Entscheidungen in kürzester Zeit auch nachts treffen müssten.

Herr Dr. Weiss wiederholt seine Ansicht, dass die Forderung von Senderabschaltungen zu Studienzwecken weder realistisch noch rechtlich möglich sei. In Deutschland existiere ein nach seinem Verständnis wissenschaftsbasiertes Rechtssystem und bei der Mobilfunktechnik handele es sich um eine akzeptierte Technik. "Mobilfunkbasisstationen werden nach geltendem Recht betrieben" sagt Herr Dr. Weiss und äußert sich dahingehend, dass es zwar jedem frei stünde, den deutschen Bundestag als den Gesetzgeber zu überzeugen, die Mobilfunktechnik abzuschaffen, dass dies aber weder im Ermessen des BfS noch des BMU läge und derartige Forderungen insofern in Leere gingen.

Herr Dr. Schorpp entgegnet, dass bei einer zunehmenden Zahl von Sendern die Verträge bald auslaufen würden, weil die Vermieter nicht verlängerten. Senderabschaltstudien seien dort seiner Ansicht nach in ausgesuchten Fällen grundsätzlich möglich.

Herr Dr. Weiss beendet die Diskussion zum Thema "Senderabschaltungen", da diese mit dem BfS nicht zu machen seien und weist darauf hin, dass bereits gangbare Vorschläge zum weiteren Vorgehen gemacht worden seien. Herr Dr. Böttger stellt ebenfalls fest, dass nach derzeitiger Rechtslage keine Möglichkeit zu Senderabschaltungen gegeben sei und versucht, zum Machbaren und zum Ziel des Fachgesprächs zurückzukommen.

Einen gangbaren Weg sieht Herr Dr. Böttger im Versuch, mit 10 bis 20 guten, vollständigen Patientenakten ggf. belastbare Argumente zu finden. Dies sei im Übrigen bereits seit 2003 sein Wunsch.

Herr Prof. Kappos ergänzt, dass hierbei die Ärzte eingebunden sein müssten, wobei er davon ausgeht, dass die Autoren der Appelle, die die Fallbeispiele bereitstellen, auch tatsächlich die behandelnden Ärzte sind.

Die Vertreter der Ärzteinitiativen stellen klar, dass die meisten von ihnen niedergelassene Ärzte seien und von Ihrer Praxis leben würden und kaum Spielraum bestünde, über das bisherige, ehrenamtliche, zeitliche Engagement hinaus, wissenschaftliche Arbeit zu leisten.

Frau Dr. Waldmann-Selsam spricht noch zwei weitere Ansätze an, zum einen die Möglichkeit der Untersuchung und statistische Auswertung stark HF-exponierter Gruppen, z.B. am Arbeitsplatz, zum anderen die Weiterverfolgung von Menschen, die seit 1995 Schreiben an Behörden verfasst haben.

Letzteres wird zum Protokoll genommen. Hinsichtlich der Untersuchung stark exponierter Gruppen wird auf die Ausführungen von Frau Dr. Kreuzer zum Beginn des Fachgesprächs verwiesen. Eine derartige Studie war geplant, hatte sich jedoch als nicht machbar erwiesen.

Herr Dr. Weiss schlägt vor, bei dem Bereich zu bleiben, den BfS und BMU verantworten können. Als ein konkreter Ansatzpunkt kristallisiert sich die Frage nach einem möglichen Zusammenhang von ADHS-Medizinverbrauch und DECT-Telefonen heraus, die bereits von Herrn Dr. Eger angesprochen worden war. Frau Dr. Kreuzer wird zunächst klären, inwiefern diese Fragestellung bereits in den laufenden Studien des DMF verankert ist bzw. was ggf. in laufenden Studien ergänzt werden könnte. Dieser Punkt soll in einem Dreiergespräch (Dr. Eger, Dr. Kreuzer, Prof. Nowak) nach erfolgter Abklärung weiter diskutiert werden.

Als nächstes wird von den Ärzten die Frage aufgeworfen, ob das Haus der Familie Kind genutzt werden könnte, um ca. 10 Personen dort unterzubringen, um z.B. Melatonin zu untersuchen. Herr Dr. Weiss stellt fest, dass neue Studien nicht einfach "aus dem Hut" gezogen werden können. Es könnte höchstens geprüft werden, ob der Punkt sinnvoll in bereits laufende Studien, z.B. die Studie von Frau Prof. Danker-Hopfe integriert werden könnte. BfS wird dies zusammen mit den Forschungsnehmern klären.

Frau Dr. Aschermann fragt nach, wer für Vorsorge zuständig sei. Herr Dr. Weiss erläutert die Vorsorgeempfehlungen des BfS und stellt klar, dass es sich um Empfehlungen handelt, keinesfalls jedoch um Ge- oder Verbote.

Im weiteren Verlauf der Diskussion stellt Frau Dohmen die konkrete Frage, welche Anzahl von Kasuistiken erforderlich sei, damit das BfS "z.B. die DECT Telefone zurücknimmt". Sie erinnert an Contergan und Lipobay, wo eine bestimmte Zahl von Fällen ausreichte, um die Medikamente vom Markt zu nehmen, auch bei BSE und der Hühnergrippe reichte eine bestimmte Fallzahl aus, um die Abschlachtung von Tausenden von Tieren einzuleiten. "Wie viele Kasuistiken brauchen Sie, damit Sie aktiv werden können?" Dass nach dem Freiburger Appell weitere Appelle folgten, zeige, dass viele Ärzte die gleichen Beobachtungen machten. Es gäbe ausreichend viele Schadensfälle, die Ärzte dokumentieren könnten. Die Not dieser durch Mobilfunk geschädigten Menschen werde immer größer. Sie alleine wisse von 5 Patienten, die mittlerweile selbst im Winter im schützenden Wald übernachten und lieber die damit verbundenen Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen, als sich weiter der Funkbelastung an ihrem Wohnort auszusetzen. Was müsse noch passieren, dass diesen Menschen in ihrer Not und Verzweiflung geholfen werde und dieser Druck laste auch auf den betreuenden Ärzten.

Frau Dohmen unterstreicht die enorme Bedeutung der zunehmenden Anzahl von ihrer Erfahrung nach durch Hochfrequenz beeinträchtigten und geschädigten Bürgern, die heute schon schätzungsweise 10% der Bevölkerung ausmachten. Sie schildert einen Beispielfall einer Behördenangestellten, die etwa 20 Jahre problemlos arbeitete. "Aufgrund der Schädigung durch einen Mobilfunksender nahe ihrem Arbeitsplatz musste diese in mittlerem Lebensalter einen Rentenantrag stellen, weil die Behörde ihr keinen funkfreien Arbeitsplatz zu Verfügung stellen kann". Dies sei kein Einzelfall und sie frage sich, was für hohe Kosten da auf die Bundesrepublik noch zukommen. Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen läge auch an dem starken Anstieg chronischer HF-Belastungen und alles müsse von der Gemeinschaft aufgefangen werden. Sie sehe dringenden Handlungsbedarf.

Herr Dr. Weiss bittet die Teilnehmer um konkrete Antwort auf die gestellte Frage bezüglich der "notwendigen Anzahl".

Herr Dr. Dahmen glaubt nicht, dass man eine konkrete Anzahl von Kasuistiken angeben könne. Bei Lipobay seien es 60 bis 70 Todesfälle gewesen, die zur Rücknahme des Medikaments führten, dagegen hätte man in den siebziger Jahren etwa 15.000 Verkehrstote akzeptiert, ohne das Auto gleich abzuschaffen. Herr Dr. Dahmen sieht ein Wahrnehmungsproblem, eine deutliche Wahrnehmungsdiskrepanz der HF-Problematik zwischen einerseits vielen Politikern und Wissenschaftlern und andererseits den hier vertretenen Ärzteinitiativen. Es gehe nicht um die Anzahl, sondern um die Frage, wie man erreichen könne, dass die Basis der Entscheidungsgrundlage breiter und sicherer wird. Er merkt an, dass bisher wenig über den zeitlichen Verlauf der Beschwerden bekannt sei und regt an, die Fallsammlung zu verwenden, um zu versuchen, Beschwerdeverläufe langfristig zu verfolgen.

Herr Prof. Nowak vertritt die Ansicht, dass es bei den Kasuistiken nicht um Quantität gehe: "Wir haben hier ja schon einen ganzen Leitzordner voll", sondern um die Qualität. Zehn richtig gute Kasuistiken würden ihm persönlich ausreichen, um daraus eine Hypothese zu generieren und diese dann experimentell zu testen. Aber selbst die hier angesprochenen "guten Kasuistiken" hätten für ihn noch zu viele "weiche Stellen" und sie würden ihm "vorne und hinten nicht reichen". Wobei er "gesteht" nur etwa ein Drittel der Akten habe durcharbeiten können. Er betont die Möglichkeit und seine Bereitschaft, zum Versuch beizutragen, die 10-20 aussichtsreichsten Kasuistiken durch weitere Untersuchungen "in einen höheren Grad der Validität" zu bringen.

Die Vertreter der Ärzteinitiativen finden die Frage von Frau Dohmen nicht befriedigend beantwortet und wünschen die Aufnahme des folgenden Satzes ins Protokoll:

"Auf die wiederholte Frage nach der notwendigen Anzahl von HF-Kasuisitiken erhält Frau Dohmen keine Zahl genannt, die zur Rücknahme z.B. der DECT-Telefone führen würde".

Zu der in diesem Zusammenhang kurz angesprochenen Kostenfrage für die Durchführung entsprechender Maßnahmen, legt Herr Dr. Weiss dar, dass "wenn entsprechende Untersuchungen nötig und sinnvoll seien, auch für Finanzierung gesorgt werden müsse".

Nachdem Kasuistiken mit DECT-Telefonen angesprochen wurden, möchte Herr Dr. Weiss klarstellen, ob Einigkeit darüber bestehe, in die Richtung Kasuistiken mit der Problematik DECT-Telefone zu gehen.

Herr Dr. Scheiner bezeichnet die DECT-Telefone als "kleinen Bruder" der Mobilfunksender mit sehr großer Relevanz. Sie seien eine HF-Quelle direkt in den Wohnungen und "fast genauso gefährlich" wie die Funkbelastung von draußen. Im Gegensatz zu Mobilfunksendern bestünde laut Herrn Dr. Scheiner bei DECT-Telefonen die Problematik des "Nicht-Abschalten-Könnens" nicht. DECT-Abschaltstudien seien seiner Ansicht nach ein erster wichtiger Ansatz, der vergleichsweise schnell und einfach durchführbar wäre. Unter Bezugnahme auf die Salford-Studie (Salford 2003) nach der HF-Strahlung zu irreversiblen Zellschäden im Gehirn führen könne, sei er sehr besorgt über eine mögliche "Veralzheimerung" der Gesellschaft, nicht nur der alten, sondern immer jüngerer Menschen.

Frau Dohmen sieht ebenfalls eine große Relevanz der DECT-Telefone und kann sich vorstellen, dass positive DECT-Studien auch Auswirkungen auf andere Hochfrequenzanwendungen und deren unbekümmerten Einsatz haben sollten.

Herr Dr. Weiss warnt vor der Illusion, dass eine positive DECT-Studie die Abschaffung dieser Technik bedeuten würde oder gar den Mobilfunk aufhalten könnte. Eine positive DECT-Studie könnte jedoch eine neue Argumentationsbasis für weitere Empfehlungen des BfS sein.

Herr Dr. Schorpp stellt die Frage "wenn eine Studie zeigen würde, dass DECT-Telefone, die mit ähnlichen Frequenzen wie Mobilfunk funktionieren, bei manchen Menschen Gesundheitsprobleme verursachen, ob es dann nicht zu einer Empfehlung des BfS kommen kann – das BfS empfiehlt ja nur – und ob das BfS nicht heute schon aus ethischen Gründen die Schaffung hochfrequenzfreier Gebirgstäler empfehlen müsste. Man stelle sich nur vor, irgendwann wäre bewiesen, dass bestimmte Menschen mit bestimmten Vorbelastungen oder Vorerkrankungen wirklich folterähnliche Qualen durch die heutige Hochfrequenzbelastung erleiden bzw. erlitten haben - was viele Betroffene behaupten - dann wäre der ethische Schaden irreparabel. Solche Rückzugsorte für Betroffene seien doch schon aufgrund der wissenschaftlichen Unsicherheiten sofort geboten."

Herr Dr. Weiss erwidert, dass das BfS viele Dinge empfehlen könne, die aber niemand vor Gericht einklagen könne. Wenn die Forderung nach der Abschaffung z.B. von DECT-Telefonen erhoben würde, müsse geklärt werden, ob es sachliche Gründe gäbe, dies zu tun. Nur dann gäbe es eine Basis für weiteres Handeln. Aber auch dies würde nicht dazu führen, dass alle elektromagnetischen Wellen verschwänden.

Herr Dr. Scheiner fordert darauf eine deutlichen Senkung der Grenzwerte für Hochfrequenzbelastungen. Ohne auf die Mobilkommunikation verzichten zu müssen, ließe sich mit moderner Technik die HF-Exposition (Expositions-Dosis) der Bevölkerung um viele Zehnerpotenzen reduzieren.

TOP 6: Fazit

Herr Dr. Weiss fasst das weitere Vorgehen zusammen:

Folgende Vorschläge werden zu Protokoll genommen, die in kleinen Gruppen näher präzisiert werden sollen:

  1. Fragestellung HF-EMF und ADHS: es wird zunächst im BfS geklärt, ob die Frage nach einem möglichen Zusammenhang von HF-EMF und ADHS in die laufende DMF Studie ausreichend eingebunden ist oder ggf. ergänzend untersucht werden soll und kann.
  2. Versuch, die häusliche Situation der Familie Kind nochmals zu beleuchten.
  3. Verfolgen langfristiger Beschwerdeverläufe.
  4. Versuch, 10 bis 20 DECT-spezifischen Kasuistiken so aufzuarbeiten, dass sie den im Rahmen der Veranstaltung charakterisierten Kriterien genügen.

Herr Dr. Weiss stellt in Aussicht, ein abgestimmtes Protokoll in das Internet einzustellen. Bis dahin wird das Fachgespräch als interner Informationsaustausch behandelt.

Frau Dr. Waldmann-Selsam wird für die ärztliche Seite Ansprechstellen für die 4 angesprochenen Themen benennen, auf Seiten des BfS ist Herr Matthes Ansprechstelle, der ebenfalls Mitglied der ICNIRP ist. Seitens des BfS wird zunächst mit den Teilnehmern gesprochen, mit denen im Rahmen des DMF über laufende Projekte vertragliche Bindungen bestehen. Mit dem jeweils für die 4 Themen benannten Ansprechpartner auf Seiten der Ärzte wird zu Gesprächen in kleinen Gruppen einladen werden, um in den skizzierten Themen weiter voranzukommen. Diese Gespräche sollen aus organisatorischen und finanziellen Gründen wiederum in den Räumen des BfS in Neuherberg stattfinden. Auf Nachfrage zu möglichen finanziellen Aufwandsentschädigungen stellt Herr Dr. Weiss klar, dass – sollte es zu einer vertieften Diskussion von Kasuistiken kommen und dafür Leistungen erbracht werden – hierüber ggf. erneut geredet werden müsste, dass aber für Aktivitäten im bisherigen Rahmen nur Reisekosten erstattet werden können.

TOP 7: Schlusswort

Zum Abschluss begrüßt Herr Dr. Weiss die Tatsache des Zustandekommens dieses Gesprächs und auch dessen Ablauf. Er sieht es als Ermutigung für die Weiterführung des begonnenen Dialogs.

Herr Dr. Böttger begrüßt ebenfalls das Zustandekommen des Gesprächs, sieht allerdings die diversen erhobenen Forderungen kritisch. Er gibt der Hoffnung Ausdruck, dass mit den relativ konkreten Ansatzpunkten ein guter Weg für weiteres Vorgehen eingeschlagen wurde.

Herr Dr. Weiss bedankt sich für die Teilnahme und schließt die Sitzung.