Protokoll zum 2. Kolloquium "Epidemiologische Forschungsvorhaben des BfS zu hochfrequenten elektromagnetischen Feldern"

am 04.05.2004 von 09:00 bis 16:00

am Bundesamt für Strahlenschutz, Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg
(Organisation: PD Dr. Kreuzer, BfS)

Teilnehmer (Extern):

Dr. A. Böttger (BMU, Bundesumweltministerium)
Dr. C. Bornkessel (IMST, Institut für Mobil- und Satellitenfunktechnik, Kamp-Lintfort)
PD Dr. U. Frick (Universität Regensburg, Psychiatrische Klinik)
Prof. Dr. N. Leitgeb (SSK, Strahlenschutzkommission, Vorsitz Ausschuss NIR)
Prof. Dr. H. Danker-Hopfe (Freie Universität Berlin, Psychiatrische Klinik)
Prof. Dr. R. Frentzel-Beyme (Bremer Inst. für Präventionsf., Sozialmedizin, Epidemiologie)
Prof. Dr. D. Nowak (LMU München, Institut für Arbeits- und Umweltmedizin)
PD Dr. K. Radon (LMU München, Institut für Arbeits- und Umweltmedizin)
Prof. Dr. A. Stang (Universität Halle, Inst. für Med. Epidemiologie, Biometrie und Informatik)
Dr. D. Stinner (Universitätsklinikum Giessen, Institut für Hygiene und Umweltmedizin)
Dr. E. Vogel (Bayer. Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz)

Teilnehmer (Forschungsnehmer)

Prof. Dr. M. Blettner (Uni Mainz, Inst. f. Med. Biometrie, Epidemiologie und Informatik)
PD Dr. J. Schüz (Universität Mainz, Inst. f. Med. Biometrie, Epidemiologie und Informatik)
Hr. S. Schmiedel (Universität Mainz, Inst. f. Med. Biometrie, Epidemiologie und Informatik)
Dr. G. Berg (Universität Bielefeld, AG3 Epidemiologie und Medizinische Statistik)
Dr. J. Breckenkamp (Universität Bielefeld, AG3 Epidemiologie und Medizinische Statistik)
Dr. B. Schlehofer (DKFZ Heidelberg, AG Umweltepidemiologie)
Dr. P. Potthoff (TNS Health Care GmbH, München)
Dr. E. Schröder (TNS Health Care GmbH, München)
Fr. U. Reis (TNS Health Care GmbH, München)
Dr. P. Neitzke (ECOLOG-Institut, Hannover)

Teilnehmer (BfS Neuherberg)

PD Dr. M. Kreuzer (BfS, SG 1.2, Strahlenepidemiologie) (Protokollführerin)
Hr. R. Matthes (Leiter: BfS, AG NIR, Nichtionisierende Strahlung)
Dr. M. Asmuss (BfS, AG NIR, Nichtionisierende Strahlung)
Dr. C. Baldermann (BfS, AG NIR, Nichtionisierende Strahlung)
Dr. A. Dehos (BfS, AG NIR, Nichtionisierende Strahlung)
Hr. D. Geschwentner (BfS, AG NIR, Nichtionisierende Strahlung)
Fr. C. Pölzl (BfS, AG NIR, Nichtionisierende Strahlung)
PD Dr. B. Pophof (BfS, AG NIR, Nichtionisierende Strahlung)
Dr. G. Ziegelberger (BfS, AG NIR, Nichtionisierende Strahlung)

Top 1: Begrüßung

Frau KREUZER begrüßt die Teilnehmer und erläutert kurz den Hintergrund für das 2. EMF Epidemiologie Kolloquium. Neben den regelmäßig stattfindenden Fachgesprächen, die den Stand des gesamten Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms zum Gegenstand haben, finden zusätzlich in den einzelnen Forschungsbereichen regelmäßig Kolloquien statt, die zumeist ein spezielles Forschungsvorhaben als Schwerpunktthema behandeln und auf Vernetzungen mit anderen (geplanten) Forschungsvorhaben eingehen.

Eine Pilotstudie für eine "Querschnittstudie zur Erfassung und Bewertung möglicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch die Felder von Mobilfunkbasisstationen" wurde vor kurzem abgeschlossen. Das 2. EMF-Epidemiologie Kolloquium dient der Vorbereitung der Entscheidung, ob und wie eine solche Querschnittsstudie zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Mobilfunkbasisstationen anschließend durchgeführt werden soll. Ein Vorschlag für ein Studiendesign wird von den Forschungsnehmern vorgestellt und soll gemeinsam im Kreise eingeladener Experten verschiedener Fachrichtungen diskutiert werden.

Zur Vorbereitung auf das heutige Kolloquium fand am 15.03.2004 ein Seminar zur Dosimetrie bei epidemiologischen Studien um Basisstationen im BfS statt (siehe Protokoll). Die Ergebnisse dieses Seminars und der derzeitige Stand des zugehörigen Forschungsvorhabens "Bestimmung der Exposition von Personengruppen, die im Rahmen des Projekts 'Querschnittsstudie zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen in der Umgebung von Mobilfunk-Basisstationen' untersucht werden" stellen einen weiteren Tagesordnungspunkt des heutigen Kolloquiums dar. Weiterhin wird das sich in der Vergabe befindliche Vorhaben "Untersuchung des Phänomens Elektrosensibilität mittels einer epidemiologischen Studie an 'elektrosensiblen Personen' einschließlich klinischer Parameter" kurz vorgestellt. Hier gilt es zu prüfen, ob elektrosensible Personen im Rahmen der Querschnittsstudie rekrutiert werden können.

Als Tischvorlage liegt eine Übersicht über den derzeitigen Stand der Vergabe der Forschungsvorhaben des DMF vor. Frau KREUZER weist daraufhin, dass die Projekte in unterschiedliche Prioritäten gegliedert sind und derzeit alle Projekte mit hoher Priorität vergeben werden. Sollte sich nach Vergabe dieser Vorhaben zeigen, dass Forschungsmittel übrig bleiben, kommen die Projekte mit geringerer Priorität in die Vergabe. Letztere betrifft im Bereich Epidemiologie eine Ergänzungsstudie zur Querschnittsstudie, akute gesundheitliche Effekte bei Kindern und funktionelle Störungen durch Handynutzung.

Top 2: QUEBEB - Querschnittsstudie zur Erfassung und Bewertung möglicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch die Felder von Mobilfunkbasisstationen - Einführung und Ziele

Frau BLETTNER stellt die am Forschungsprojekt beteiligten Institute und Mitarbeiter vor und erläutert kurz die drei geplanten Phasen der Querschnittsstudie. In Phase I (07/03 - 05/04) fand die Pilotstudie statt. Der Vorschlag für die Hauptstudie lautet: in Phase II (05/04 - 06/05) eine Basiserhebung bei 30.000 Personen durchzuführen und in Phase III (07/05 - 07/06) eine Vertiefungserhebung bei 1000 ausgewählten Probanden.

Frau BERG stellt bisherige Ergebnisse aus Studien zu Mobilfunkbasisstationen vor. Sie erläutert, dass meist der Einfachheit halber die Distanz des Wohnorts zur Expositionsquelle zur Expositionsabschätzung diente; der Stichprobenumfang gering war; Störgrößen kaum berücksichtigt wurden und keine Prävalenzschätzungen zu Beeinträchtigungen und Exposition mit einem repräsentativen Bevölkerungsbezug vorlägen.

Frau BERG erläutert die Ziele der drei geplanten Phasen. Ziel der Pilotstudie war es, die notwendigen Kontakte zu RegTP und Mobilfunkbetreibern aufzubauen, eine Literaturrecherche durchzuführen, eine Piloterhebung durchzuführen, die Datenverfügbarkeit zu klären und einen Studienplan zu entwickeln. In Phase II wird auf einen bundesweit existierenden Haushaltspanel von 30.000 Haushalten zurückgegriffen und eine Basisbefragung zur Wohnsituation, zur subjektiven Exposition und zu Beeinträchtigungen durchgeführt. Die Wohnadressen werden geokodiert und mit den Daten der Standorte der Basisstationen aus der Standortdatenbank der RegTP verknüpft und ein "Expositionssurrogat" ermittelt. Phase II hat ausschließlich deskriptiven Charakter. Ziel ist eine Beschreibung der Prävalenzen von möglicherweise EMF-bezogenen Beschwerden (bundesweit und regional bezogen auf Basisstationen im Wohnumfeld und auf die Besorgnis); der Anzahl der Basisstationen im Umkreis von 500 m vom jeweiligen Wohnort; der Anzahl von Personen ohne Exposition (wohnen mehr als 500 m entfernt), und der subjektiven Exposition (Sorge und Beeinträchtigung wegen der Basisstation und subjektiv wahrgenommene Nähe zur Basisstation). Zusätzlich wird ein Expositionssurrogat ermittelt, das zur Identifikation und Stratifizierung der Personen für Phase III benötigt wird. In Phase III findet der analytische Teil der Studie statt. Es wird an 1.000 Personen der Zusammenhang zwischen möglicherweise EMF-bezogenen Beschwerden und der Strahlenexposition durch Mobilfunkbasisstationen und der Besorgnis untersucht.

DISKUSSIONSPUNKTE:

  • LEITGEB/NOWAK/FRICK: Wie wird die zeitliche Beziehung zwischen Exposition und Krankheitsentwicklung berücksichtigt? Müssen unterschiedliche Zeitfenster der Symptomatik einbezogen werden (Historie der Krankheitsentwicklung)? Muss die Historie der Basisstationen berücksichtigt werden (kumulative Dosis)?
  • BLETTNER: Diese Querschnittsstudie untersucht akute Gesundheitseffekte durch Basisstationen und geht von Zeitgleichheit - sprich akuten Effekten - aus. Es ist nicht geplant eine Historie von Exposition und Krankheit zu ermitteln.
  • LEITGEB: Akuteffekte stehen im Gegensatz zu den Angaben von Elektrosensiblen. Diese berichten von einer Zeitverzögerung des Eintretens von Krankheitsbeschwerden nach Exposition. Außerdem sind die Expositionssituationen nicht stationär, sondern über die Zeit variabel.
  • BLETTNER: Elektrosensible sind nicht das primäre Studienziel.

Top 3: Expositionsabschätzung Basisstationen

Herr NEITZKE stellt den Stand des Forschungsvorhabens zur "Bestimmung der Exposition von Personengruppen, die im Rahmen des Projekts 'Querschnittsstudie zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen in der Umgebung von Mobilfunkbasisstationen' untersucht werden" vor. Aufgabe ist die Entwicklung einer Methode zur näherungsweisen Bestimmung der Exposition durch Mobilfunkbasisstationen in epidemiologischen Studien. Hierzu wurden Messungen in 180 Wohnungen bzw. 610 Räumen durchgeführt und Daten von ca. 120 Basisstationen ausgewertet. Details zur Vorgehensweise können dem Protokoll des Dosimetrie-Seminars entnommen werden. Herr NEITZKE geht auf die im Seminar aufgeworfenen Fragen zu Unterschieden in den Messungen von IMST und ECOLOG ein. Ursache sind seiner Ansicht nach unterschiedliche Aufgabenstellungen. So hat IMST als Zielsetzung die Überprüfung der Einhaltung von Grenzwerten und ECOLOG die Ermittlung der tatsächlichen Exposition. Bei IMST werden Messungen in der unmittelbaren Umgebung emittierender Anlagen gemessen, bei ECOLOG auch fernab emittierende Anlagen. IMST verwendet die Schwenkmethode zur Suche nach dem Maximalwert, ECOLOG die Rastermethode und Mittelung zur Bestimmung der räumlich gemittelten Exposition.

Ziel der Basiserhebung von 30.000 Personen in der Querschnittsstudie ist eine grobe Abschätzung der Exposition, da eine exakte Berechnung aus Praktikabilitätsgründen nicht möglich ist. Zur Expositionsabschätzung soll eine Näherungsrechnung unter Berücksichtigung von Freiraumausbreitung und empirisch ermittelten Dämpfungsfaktoren verwendet werden. Herr NEITZKE zeigt, dass in Wohnungen, die mehr als 500 m von einer Basisstation entfernt sind, praktisch keine Exposition zu erwarten ist. Diese können auf "keine Exposition" gesetzt werden. In die geplante Näherungsrechnung für Wohnungen mit weniger als 500 m Entfernung gehen die Daten der Standortbescheinigung der RegTP (Zahl der Antennen, Netzbetreiber / Frequenz, horizontaler Abstand, vertikaler Abstand und Hauptstrahlrichtung), Anlagedaten (standardisierte Antennencharakteristik, standardisierte Sendeleistung, Downtilt) und Dämpfungsfaktoren ein. Die Dämpfungsfaktoren sind wiederum abhängig von der Sichtbarkeit (Fenster, Bebauung, Vegetation), dem Ausbreitungsweg (direkt, indirekt), der Siedlungsform (Einzelhausbebauung, Blockbebauung aufgelockert, Blockbebauung verdichtet, geschlossene Bebauung) und der Frequenz. Herr NEITZKE zeigt den Vergleich der Messwerte zu den so abgeschätzten Näherungsrechnungen für unterschiedliche Bebauungsformen und Sichtbarkeit. Für unterschiedliche Cutpoints der Einteilung in "Stärker" und "Weniger Stark Exponierte" wird das Kappa-Maß für Übereinstimmung berechnet. Dies liegt ca. bei 40 bis 53%. Daraus resultieren vorläufige Parameter für die Modellrechnungen für Downtilt und Dämpfung in Abhängigkeit von Bebauung, Sicht, GSM 900 / GSM 1800 / UMTS.

Die nächsten Arbeitsschritte umfassen ergänzende Messungen an GSM 1800 Anlagen in Wohngebieten mit aufgelockerter Bebauung, von GSM 900 / 1800 und UMTS Anlagen in Wohngebieten mit geschlossener / verdichteter Bebauung, die Optimierung des Rechenmodells, die Bestimmung der Modellparameter für alle Anlagentypen und Immissionssituationen und eine Validierung des Verfahrens. Die näherungsweise Modellrechnung wird im Weiteren als "Expositionssurrogat" bezeichnet.

Herr BORNKESSEL von IMST geht ebenfalls auf die im Seminar zur Dosimetrie aufgetretenen Unterschiede in den Messungen von IMST und ECOLOG ein. Örtliche Schwankungen waren bei IMST typischerweise bei einem Faktor 100 bezüglich der Leistungsflussdichte, bei ECOLOG nur bei einem Faktor von ca. 5. Diese Unterschiede waren mit einer prinzipiellen Messunsicherheit von 3 - 4 dB nicht zu erklären. Zur Klärung dieser Frage und zur Qualitätskontrolle wurden inzwischen gemeinsame Messungen von ECOLOG und IMST im Umweltamt Bielefeld durchgeführt. Bei gleichem Messverfahren lagen die IMST Werte meist über den ECOLOG Werten, aber immer innerhalb der Messgenauigkeit. Die kleinsträumigen Schwankungen, die IMST mit bis zu 20 dB findet, können mit der Punktrastermethode von ECOLOG nicht gefunden werden. Bei gleichem Messverfahren jedoch auch durch ECOLOG reproduzierbar. Dieser Unterschied liegt also am Messverfahren. Als Resultat wird festgehalten: Messgeräte / Bedienung etc. von ECOLOG sind o.k. Unterschiede werden wie folgt erklärt: Messmethode Schwenk / Punktraster => Faktor 4, Hochrechnung auf Volllast => Faktor 2 - 4, Wahl der Messorte: IMST Nähe Basisstation, ECOLOG zufällig => Faktor 10 - 100. Die unterschiedliche Aufgabenstellung bei ECOLOG und IMST ist also verantwortlich für die Unterschiede in den typischen Messergebnissen.

DISKUSSIONSPUNKTE:

  • BORNKESSEL: Es stellt sich die Frage, ob ein 5 Punkt-Raster zur Ermittlung des "wahren" Raummittelwertes ausreicht. Die Schwankungen im Raum sind dafür zu groß. Auch eigene Berechnungen zeigten Unterschiede. Deswegen sollte ECOLOG exemplarisch einige Räume "fein" (im Verhältnis zur Wellenlänge) abtasten. Die restlichen Messungen sollten von ECOLOG zumindest für GSM zusätzlich mit der Schwenkmethode und ohne Mittelung durchgeführt werden. Damit könnte ein Faktor "ECOLOG-Mittelwert" - "Grenzwertrelevanter Maximalwert" ermittelt werden. NEITZKE: Vorschlag feineres Raster zu verwenden ist o.k.
  • BORNKESSEL: Erfahrungen aus der Funknetzplanung zeigen, dass die Betreiber in ihren Modellen unterschiedliche Ausbreitungsbedingungen in einzelnen Städten berücksichtigen. Stichwort "Sozialistischer Wohnungsbau". Die Gültigkeit der ECOLOG-Parametersätze für eine Stadt sollte deswegen an anderen Städten überprüft werden. NEITZKE: Wie sollen in der Basiserhebung so detailliert diese Daten gewonnen werden? Erst in der dritten Phase der Studie ist dies wieder möglich, wenn Interviewer direkt vor Ort in den Wohnungen sind.
  • BORNKESSEL: Die Begriffe "Stärker- / Weniger stark exponiert" sollten im Zusammenhang mit den gemittelten Messwerten sehr vorsichtig kommuniziert werden, da der Hinweis auf das andere Messverfahren in der Öffentlichkeit wahrscheinlich keine hinreichende Berücksichtigung finden wird. Alle extrapolierten IMST Messwerte würden nämlich ansonsten mehrheitlich in den Bereich "stärker exponiert" fallen.
  • BORNKESSEL: Aus den Daten sollte ein Faktor ermittelt werden, der die Unterschiede in den Messverfahren beschreibt. NEITZKE: Die Idee, einen Faktor zu bestimmen, der die Unterschiede zwischen den Messverfahren beschreibt, wird als gut befunden.
  • LEITGEB: Wie wurde die Stichprobe ausgewählt? Ist eine Stichprobe von 180 Wohnungen ausreichend, um auf die Gesamtpopulation zu extrapolieren? BLETTNER/POTTHOFF: In Phase II werden aufgrund der Abschätzung durch das Expositionssurrogat Personen mit potentiell höherer oder niedriger Exposition ermittelt. In Phase III wird die Exposition im Detail vor Ort ermittelt und erst dann erfolgt die Risikoabschätzung. SCHÜZ: Simplifizierung ohne Verfälschung möglich. Validierung steht an. NEITZKE: Es wird nicht aus einer Stichprobe auf die Exposition der Studienteilnehmer geschlossen, sondern die Messungen dienen dazu, ein Rechenmodell zu entwickeln, mit dem die Expositionen näherungsweise berechnet werden können.
  • ZIEGELBERGER: Sind bei der Kappa-Berechnung auch Wohnungen mit mehr als 500 m Abstand drin? Evtl. deshalb so guter Wert. NEITZKE: Ja, diese sind enthalten. Es sind jedoch nur wenige.
  • LEITGEB/FRENTZEL-BEYME: Andere EMF-Quellen erfassen? RADON: Um ein tatsächlicher Confounder zu sein, müsste eine Korrelation zwischen Basisstationen und diesen EMF-Quellen bestehen. Ist eher unwahrscheinlich.
  • FRENTZEL-BEYME: Sollte man nicht immer zu einer bestimmten Zeit / Wochentag messen? BORNKESSEL: Bei IMST spielt der Zeitpunkt der Messung keine Rolle, da auf Volllast hochgerechnet wird, bei ECOLOG sollte man über 24h mitteln. NEITZKE: Erfahrung zeigt, dass zeitlich sehr geringe Schwankungen vorliegen und der Effekt vernachlässigbar ist. LEITGEB: Zeitliche Schwankungen sind nicht vernachlässigbar. NEITZKE: Die vorgestellten Messungen zeigen, dass die zeitlichen Schwankungen selbst an einem innerstädtischen Messort unter 20% liegen. Stärkere Schwankungen und ausgeprägte Tagesgänge treten nur auf, wenn im Max Hold Modus gemessen wird und so auch kurzzeitige Spitzen berücksichtigt werden, die für die mittlere Exposition keine Bedeutung haben.
  • LEITGEB: Warum nur downlink, nicht auch uplink? NEITZKE: Es wurden auch Messungen mit den Mobilfunk-uplink-Paketen durchgeführt. Die Beiträge zur HF-Exposition lagen jedoch weit unter denen anderer Quellen (Mobilfunk-Basisstationen, DECT-Basisstationen). Beiträge der Uplinks werden in Wohnungen nur gemessen, wenn während der Messung zufällig gerade in der Nähe mobil telefoniert wird. An Hot Spots, wie Bahnhöfen, Flughäfen und Innenstadtplätzen ist das anders, aber hier wohnen sehr wenige Menschen, so dass diese Orte im Rahmen der Querschnittsstudie keine Rolle spielen.

Top 4: QUEBEB - Phase II (Basiserhebungen) - Ergebnisse der Pilotstudie und Planung der Hauptphase

Herr POTTHOFF stellt das geplante Design für die Basiserhebung vor. Grundlage ist ein repräsentatives Haushaltspanel mit ca. 30.000 Haushalten (sog. HEALTH ACCESS PANEL). Befragungsthemen sind EMF-bezogene Beschwerden, subjektive Besorgtheit und Beeinträchtigung durch EMF, subjektiv wahrgenommene Nähe zur Basisstation, Wohnsituation (Expositionssurrogat), Soziodemographie und Haushaltsinformationen. Die Befragung erfolgt postalisch-schriftlich in der 2. Hälfte 2004.

In der Pilotstudie wurden in Form einer Kurzerfassung 28.345 Personen des Panels im Alter über 14 Jahre zur subjektiv wahrgenommenen EMF-Exposition (2 Fragen zu Sendemast-Nähe und Sorge wegen / Beeinträchtigung durch EMF) befragt. Ein Vergleich mit den Daten des Statistischen Jahrbuchs zeigt, dass diese Personengruppe hinsichtlich der Altersstruktur und Bundeslandverteilung nahezu repräsentativ für Gesamtdeutschland ist. 61 Kreise und kreisfreie Städte mit mehr als 100 Haushalten sind in der Stichprobe. Die durchschnittliche Zahl der Personen pro Haushalt beträgt 2,3. Auf die Frage: "Wohnen Sie in unmittelbarer Umgebung einer Mobilfunksendeanlage?" antworteten 14% mit "Ja", 57% mit "Nein" und 28% mit "Weiß Nicht". Vergleicht man diese Ergebnisse mit den Ergebnissen einer Befragung 3 Monate später (gleiche Personen, gleiche Frage), so liegt die Übereinstimmungsrate pro Antwortkategorie in etwa bei 60 - 70%. Auf die Frage "Machen Sie sich Sorgen wegen der elektromagnetischen Felder, die von Mobilfunksendeanlagen ausgehen oder fühlen Sie sich durch diese Felder sogar in Ihrer Gesundheit beeinträchtigt?" antworteten 67% mit "keine Sorge / Beeinträchtigung", 26% mit "besorgt" und 6% mit "beeinträchtigt". Die Übereinstimmungsrate nach wiederholter Befragung war mit ca. 45% deutlich schlechter.

In der Pilotstudie wurden Vertiefungserhebungen an drei ausgewählten Subgruppen ("Subjektiv Beeinträchtigte", "Besorgte" und "Unbesorgte") der oben genannten 28.345 Personen mit insgesamt 346 Personen durchgeführt. Ziel war es 1) die Teilnahmebereitschaft an der Befragung, 2) die Frageformulierungen zu Wohnsituation und Beschwerden (Beschwerdenliste von Zerssen von 1976), 3) die Teilnahmebereitschaft an klinischen oder messtechnischen Folgeerhebungen und 4) die Machbarkeit der Geokodierung und des Linkage mit der Standortdatenbank zu testen. Die Beteiligungsrate betrug 77%. Ca. 44% davon wären bereit EMF Messungen in der Wohnung durchführen zu lassen und ca. 38% sich durch den Hausarzt untersuchen zu lassen.

Herr POTTHOFF erläutert, welche Fragen in Phase II für die postalisch-schriftliche Basiserhebung bei 30.000 Personen geplant sind:

  • subjektive Exposition: (Mobilfunksendeanlage in der Nähe; Besorgnis wegen / Beeinträchtigung durch EMF)
  • Beschwerdenliste von Zerssen ergänzt durch 24 Items zu Beschwerden, die möglicherweise mit EMF zusammenhängen nach Frick et al., 2002 (36 Items)
  • Informationen zur Abschätzung des Expositionssurrogats durch die RegTP (Koordinaten des Anlagestandorts, Betreiber, Zahl der Masten, Höhe der Anlage, Hauptstrahlrichtung) und vom Proband (Koordinaten der Wohnung, Bebauungsart im Umfeld, Höhe (Etage) des Wohn- und Schlafzimmers, Ausrichtung der Fenster relativ zum Anlagenstandort (ggf. Sichtbarkeit der Anlage))
  • Alter, Geschlecht, Familienstand, Haushaltseinkommen, Haushaltsgröße, Berufstätigkeit und Bildung

Herr SCHMIEDEL berichtet über Erfahrungen aus der Pilotstudie zur Geokodierung. Die Netzbetreiber O2, E-plus, T-Mobile und Vodafone sowie die RegTP haben zugestimmt, dass die Daten der Standortdatenbank der RegTP der Studiengruppe zur Verfügung gestellt wird. In der Standortdatenbank sind Angaben zu weiteren elektromagnetische Felder emittierenden Quellen (Radio und TV), zu technischen Charakteristika der Basisstationen und geokodierte Daten der Standorte enthalten. Um das von ECOLOG entwickelte Modell für ein Expositionssurrogat zu nutzen, werden folgende Informationen aus folgenden Quellen benötigt: Geokodierung (horizontaler Abstand zwischen Anlage und Wohnung), Standortdatenbank (Höhe über Grund, Anzahl der Anlagen, Art der Anlage, Sendeleistung) und Befragung der Studienteilnehmer (vertikaler Abstand zwischen Hauptstrahlrichtungen der Antennen und der Wohnung, Art der Bebauung). Das Expositionssurrogat wird zur Stratifizierung für die Phase III benötigt und soll drei Kategorien liefern: "wahrscheinlich Exponierte", "wahrscheinlich wenig-Exponierte", "Nicht-Exponierte" (> 500m von Basisstation).

In einer Pilotstudie zur Geokodierung wurden Haushalte des Panels in Bielefeld ausgewählt (n=29), deren Wohnadressen geokodiert. Gleichzeitig hat die Stadt Bielefeld Informationen zu allen Basisstationen (n=183) inklusive Geokodierung der Standorte übergeben. Von den 29 Haushalten hatten 7 keine Basisstation in 500 m Entfernung (24%), durchschnittlich waren 3,3 Basisstationen pro Haushalt vorhanden, maximal 7 Basisstationen. Auf die Frage "Wie viele Meter ist die Sendeanlage von Ihrer Wohnung entfernt?" wurden von den Probanden Schätzungen in Kategorien (70m, 100m, 150m, 300m, 500, 600m) abgegeben, die zum Teil beträchtlich von den tatsächlich gemessenen Abständen abwichen. Auf die Frage "Wohnen Sie in unmittelbarer Umgebung einer Mobilfunksendeanlage?" antworteten von den 29 Probanden 14 mit "weiß nicht", 11 mit "nein" (davon wohnten aber 8 in weniger als 500m Entfernung), 4 mit "ja" (davon wohnten aber 2 mehr als 500 m entfernt). Resümee dieser Pilotstudie ist: Auch in Städten sind "Nicht-Exponierte" vorhanden, Entfernungsabschätzungen durch Probanden sind mangelhaft. Sichtbarkeit ist schwer zu erfassen. Eine Geokodierung und somit Verknüpfung der Standortdatenbank mit der Basisbefragung ist machbar.

DISKUSSIONSPUNKTE

  • KREUZER: Warum nahezu Vollerhebung mit 28.000 Personen in einer Pilotstudie? POTTHOFF: Im Rahmen der routinemäßigen Panelbefragung wurden 2 Fragen zugeschaltet, Vertiefungserhebung fand nur bei 346 Personen statt.
  • KREUZER: Werden alle Personen eines Haushalts befragt oder werden bestimmte Personen ausgewählt? POTTHOFF: Es wird eine Person pro Haushalt nach einem noch zu definierendem Algorithmus gezogen.
  • VOGEL/STANG: Wie ist der Gesamtresponse einzuschätzen? 60% Response in Stufe 1 und 77% in Vertiefungserhebung.
  • FRICK: Personen mit Beschwerden sind meist eher bereit für ein Interview als Personen ohne Beschwerden. Bei postalischer Befragung Response in dieser Gruppe höher.
  • STANG: Die Größe des Bias hängt nicht von der Responsehöhe ab, sondern von den Charakteristika der Non-Responder. Deshalb unbedingt Non-Responder näher betrachten. Ältere sind multimorbide. Werden zusätzlich Fragen zum Allgemeinen Gesundheitszustand gestellt und zu Vorerkrankungen? Wie wird mit dem potentiellen Confounder "Komorbidität" umgegangen? POTTHOFF: In Phase II werden keine potentiellen Confounder abgefragt. Dies ist nur in Phase III machbar.
  • Beide Varianten der Beschwerdenlisten (Frick oder Zerssen) werden als geeignet betrachtet.
  • LEITGEB/FRICK/STANG: Was sind die Altersgrenzen? Je älter, umso mehr altersbedingte Krankheiten und Beschwerden. Vorschlag von Herrn FRICK: nicht älter als 64 Jahre. POTTHOFF: Momentane Planung 14 Jahre bis 69 Jahre.
  • FRENTZEL-BEYME: Kinder könnten besonders empfindlich sein und sollten unbedingt in der Querschnittsstudie oder anderen Studien untersucht werden. Das Deutsche Mobilfunkforschungsprogramm sieht keine solche Studie vor. POTTHOFF: Der Haushaltspanel umfasst keine Kinder, deshalb können Kinder nicht in die Querschnittsstudie aufgenommen werden. KREUZER: Im DMF sind durchaus Studien zu Kindern vorgesehen. Es wurde eine Machbarkeitsstudie zur Untersuchung altersabhängiger Wirkungen HF-EMF-Felder auf der Basis relevanter biophysikalischer und biologischer Parameter bereits vergeben. Im Bereich Epidemiologie ist eine Studie zu akuten Gesundheitseffekten durch Mobilfunk bei Kindern in Planung. Wie eingangs erwähnt, kommen nach Vergabe aller Projekte mit hoher Priorität - geplante Projekte mit mittlerer Priorität in die Ausschreibung, falls ausreichend Mittel vorhanden sind.
  • LEITGEB/FRICK: Wird die Aufenthaltsdauer abgefragt? Manche Personen könnten aus beruflichen Gründen sich wenig in der Wohnung aufhalten.
  • BERG: Man sollte sich auf das Schlafzimmer beziehen, da sich hier Personen in der Regel 8 Stunden aufhalten.
  • LEITGEB: Bei akuten Effekten kann Verweildauer keine Rolle spielen; Wenn aber Verweildauer eine Rolle spielt, wäre die Art der Effekte zu überdenken

Top 5: Vorstellung des geplanten Vorhabens "Untersuchung des Phänomens Elektrosensibilität"

Frau DEHOS berichtet über das Vorhaben: "Untersuchung des Phänomens 'Elektrosensibilität' mittels einer epidemiologischen Studie an 'elektrosensiblen' Patienten einschließlich der Erfassung klinischer Parameter". Das Vorhaben befindet sich in der Vergabe. Ziel der Studie ist es zu klären, ob der selbstdiagnostizierten Elektrosensibilität eine besondere Empfindlichkeit gegenüber oder eine veränderte Wahrnehmung elektromagnetischer Felder zugrunde liegt und wie die Gruppe der "Elektrosensiblen" hinsichtlich biologisch / medizinischer und psychischer Parameter im Vergleich zu Kontrollpersonen charakterisiert ist. Es sollen daher gesundheitliche Beschwerden / Symptome, Lebensqualität und Lebenszufriedenheit und begleitende Faktoren ermittelt werden. Außerdem werden klinische Tests zur objektiven Erfassung des Gesundheitszustands der Probanden und physikalisch-medizinische Tests unter verschiedenen Expositionssituationen durchgeführt. Besonders berücksichtigt werden dabei Ergebnisse einer abgeschlossenen Machbarkeitsstudie des BfS zum Thema "Elektrosensibilität". Diese Studie war zunächst auf die Untersuchung der Elektrosensibilität gegenüber niederfrequenten Feldern ausgerichtet und hatte daher auch die Planung und Überprüfung von Möglichkeiten zur Sanierung der elektromagnetischen Umgebung der Betroffenen zum Ziel. Die hier beschriebene Studie bezieht sich dagegen auf die Elektrosensibilität gegenüber hochfrequenten Feldern, wobei eine Zuordnung der Elektrosensiblen zu einer der beiden Gruppen aber in der Regel nicht vorgenommen werden kann und von den Betroffenen auch nicht vorgenommen wird.

Folgende Ergebnisse der Machbarkeitsstudie spielen für die neu zu vergebende Studie eine Rolle:

  • Es gibt kein "EMF-Syndrom", d.h. kein überzufällig häufiges gemeinsames Auftreten bestimmter Symptome bei einer bestimmten Gruppe von Personen. Die als "EMF-relevanten" beschriebenen Beschwerden treten dagegen verteilt in der gesamten Bevölkerung in unterschiedlichem Ausmaß auf.
  • Ergebnisse, die mit Hilfe der transkranialen Magnetstimulation (TMS) erzielt wurde: Elektrosensible zeigen keine gegenüber Kontrollpersonen erniedrigte Schwelle der subjektiven und objektiven Wahrnehmung von Magnetfeldimpulsen und Elektrosensible unterscheiden schlechter als Kontrollpersonen zwischen "Sham" (Schein) und "Verum" (tatsächlicher) Exposition.

Ein Zusammenhang dieser Studie mit der Querschnittsstudie ergibt sich insofern, als evtl. elektrosensible Personen aus der Querschnittstudie rekrutiert werden können.

DISKUSSIONSPUNKTE:

  • STANG: Elektrosensible Personen, die aus der Vertiefungserhebung der Querschnittsstudie gewonnen werden können, werden nicht ausreichen. DEHOS: Andere Möglichkeiten sind ebenfalls vorgesehen.
  • STINNER: Es gibt eine starke Überschneidung von MCS und elektrosensiblen Patienten. Möglicherweise können "Elektrosensible" für Studien auch aus dem Patientenkollektiv Umweltmedizinischer Ambulanzen rekrutiert werden.
  • LEITGEB: Wenn eine Unkostenvergütung bezahlt wird, könnte dies einen Bias ergeben, da die Bezahlung evtl. einen Anreiz bietet, an der Studie teilzunehmen.
  • DANKER-HOPFE: Eine dezentrale Durchführung der Untersuchungen wäre sinnvoller. DEHOS: Es bieten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten an: die Personen zu einem oder mehreren Zentren ein zu bestellen oder sie am Wohnort aufzusuchen.
  • FRICK: Aus Selbsthilfegruppen Elektrosensible für Studien zu rekrutieren, ist praktisch unmöglich. FRENTZEL-BEYME: Wenn Elektrosensible, die in Vereinen organisiert sind, von der Untersuchung ausgeschlossen werden, fehlt eine wichtige Zielgruppe.
  • VOGEL: Erfahrungsgemäß sind organisierte Elektrosensible von sich aus nicht bereit, bei diesen Untersuchungen mitzuwirken, daher sollte evtl. ein Presseaufruf vorgesehen werden.

Top 6: QUEBEB - Phase III (Vertiefungserhebungen) - Studiendesign, Powerberechnungen, Auswirkungen von Misklassifikation

Herr BRECKENKAMP gibt einen Überblick über das geplante Studiendesign, die Instrumente und Auswertungsstrategien der Vertiefungserhebungen in Phase III. Die Auswahl der Probanden für die Vertiefungserhebung soll aus Praktikabilitätsgründen auf wenige Regionen begrenzt werden und 1.000 Personen umfassen. Dabei soll eine Stichprobenerhebung stratifiziert nach Exposition stattfinden. Hierzu wird das 90% Perzentil der empirischen Verteilung des Expositionssurrogats genommen ("stärker exponierte" vs. "weniger stark Exponierte"). Geht man von einem Umfang von 2.000 Haushalten in den gewählten Regionen aus, könnte ein Vorschlag für die stratifizierte Stichprobenerhebung sein, alle "stärker-exponierten" zu ziehen (n=200) und 45% der "weniger stark Exponierten" (n=800). Durch dieses Verfahren wäre sichergestellt, dass nicht zu wenig "stärker Exponierte" in die Stichprobe gelangen.

Anschließend werden 4 Gruppen gebildet:

  • Objektiv exp. ja, subjektiv besorgt wegen EMF nein (Annahme: 7%, n=140)
  • Objektiv exp. ja, subjektiv besorgt wegen EMF ja (Annahme: 3%, n=60)
  • Objektiv exp. nein, subjektiv besorgt wegen EMF nein (Annahme: 63%, n=560)
  • Objektiv exp. nein, subjektiv besorgt wegen EMF ja (Annahme: 27%, n=240)

Der Annahme liegt zugrunde, dass in der Pilotstudie 30% sich als "besorgt oder beeinträchtigt" vs. 70% ‚"nicht besorgt" bezeichnet haben und sich die Besorgnis im ungünstigsten Fall für Exponierte und Nicht-Exponierte gleich verteilt.

Herr BRECKENKAMP gibt ein Beispiel für eine solche Erhebung mit 3 Städten und 2 ländlichen Kreisen im Umfang von 2.031 Haushalten. Daraus würden ca. 1.219 teilnehmende Haushalte rekrutiert werden können (40% geschätzter Ausfall durch Non-Responder). Von diesen würden alle Probanden, die nach der Expositionsschätzung über dem 90% Perzentil liegen (n=122) gezogen und nur 45% der Probanden, die unter dem 90% Perzentil liegen (n=548). Insgesamt stünden dann 670 Haushalte und schätzungsweise 1005 Personen für die Vertiefungserhebung zur Verfügung.

Für die Risikoanalyse werden Vergleiche hinsichtlich der Prävalenz von EMF-bezogenen Beschwerden zwischen den 4 oben genannten Gruppen stattfinden. Herr BRECKENKAMP stellt eine Powerberechnung für verschiedene Annahmen der Prävalenz von Beschwerden bei Exponierten und Nicht-Exponierten (alpha-Fehler=0.05, n=1.000) vor und bewertet die Power als hoch. Nachträgliche Anmerkung KREUZER: Die Powerberechnung bezieht sich momentan nur auf einen Vergleich der Beschwerden zwischen objektiv Exponierten und objektiv nicht Exponierten und nicht auf die vier Gruppen.

Als Selbstausfüllinstrumente stehen zur Verfügung: Beschwerdenliste von Zerssen, SF 36 (SF 12) Fragebogen zum Gesundheitszustand, Fragebogen zu EMF-bezogenen Beschwerden, Pittsburgh Schlafqualität Index. Interviews können am Tag der Messung durchgeführt werden und folgendes beinhalten: Raumbegehung (Lage der Wohnung zur Basisstation), Sichtbarkeit der Basisstation (Experteneinschätzung), DECT-Basisstation, Umweltbelastungen (Geräuschbelästigung, Geruchsbelästigung, etc.). Die Expositionsabschätzung erfolgt über Modellrechnungen und evtl. Messungen. Eine wichtige Aufgabe ist es, die Validität des Schätzverfahrens zu testen. Eine externe Validierung wäre wünschenswert.

Herr SCHMIEDEL berichtet über Auswirkungen von Missklassifikation am Beispiel der Daten von ECOLOG. Das reine Abstandsmaß als Expositionsindikator ist nicht brauchbar. So zeigt die Messung in mW/m2 (auch bei Logarithmierung) keinen (linearen) Zusammenhang mit der Entfernung in Metern. Es erfolgt ein Vergleich der Messwerte mit den Werten des Expositionssurrogats. Es werden nur Haushalte, die weniger als 500 m von der Basisstation entfernt sind (n=369) in die Analyse genommen. Als Cutpoint wird das 90% Perzentil festgelegt. Nimmt man die Messwerte als Golden Standard, ergibt sich als Spezifität (= Wahrscheinlichkeit, dass niedrig Exponierte durch das Expositionssurrogat als niedrig Exponiert erkannt werden) ein Wert von 96,1%. Für die Sensitivität des Expositionssurrogats (= Wahrscheinlichkeit, dass "stärker Exponierte" als "stärker-exponiert" erkannt werden) ergibt sich ein Wert von 48,6%. Nimmt man zusätzlich die ca. 25% Nicht-Exponierten (> 500m Entfernung) in die Analyse bliebe die Sensitivität gleich, die Spezifität steigt von 96,1% auf 97,1%.

Herr SCHMIEDEL demonstriert an einem Beispiel für eine Vierfelder-Tafel (10% stärker exponiert, 20% mit Beschwerden) die Auswirkungen der Misklassifikation auf das geschätzte Risiko, definiert als Odds Ratio (Ein Odds Ratio gibt den Faktor an, um den sich die Chance zu erkranken unter den Exponierten im Vergleich zu Nicht-Exponierten erhöht bzw. erniedrigt). Ein tatsächliches Odds Ratio von 2 würde bei obiger Sensitivität von 49% und Spezifität von 96% (bzw. 97%) auf 1.5 (bzw. 1.6) sinken. Verschiedene Szenarien werden illustriert. Ziel sollte sein, eine bestmögliche Spezifität zu erreichen, um bei der geringen Sensitivität die Verzerrung im Risikoschätzer zu minimieren. Als Fazit kann festgehalten werden, dass das Modell (Expositionssurrogat) brauchbar ist für die Zuordnung wahrscheinlich Exponierter gegen wahrscheinlich nicht Exponierter. Um aber Auswirkungen von Misklassifikation zu minimieren, sind in Phase III der Vertiefungserhebung Messungen wünschenswert.

Frau BLETTNER fasst die Ergebnisse zusammen. Für Phase II gilt: Die Geokodierung ist möglich. Die RegTP Daten sind vorhanden und nutzbar. Die Beteiligungsraten akzeptabel. Phase II liefert - für Deutschland erstmals auf bevölkerungsbezogener Basis - als Ergebnis eine Beschreibung der Mobilfunkbasisstationen im Wohnumfeld, der subjektiven Exposition, der Prävalenzen der EMF-bezogenen Beschwerden und ein Expositionssurrogat zur Stratifizierung für Phase III. Für die Vertiefungserhebung der Phase III wird eine stratifizierte Stichprobenerhebung mit überproportionaler Ziehung von "stärker Exponierten" in regional begrenzten Gebieten vorgeschlagen. Die Datenerhebung wird auf Interviews mit Modellrechnungen oder - wenn möglich - zusätzlichen Messungen beruhen.

Frau BLETTNER fasst die Gründe, die für eine solche Untersuchung mit diesem Studienansatzes sprechen, zusammen. In Deutschland gibt es eine große Anzahl von Basisstationen. In der Bevölkerung besteht Sorge um mögliche gesundheitliche Effekte. Für die Expositionsabschätzung besteht ein "erster Ansatz", der vielversprechend aussieht. Weitere Modelle können sogar nachträglich berechnet werden. Die Studie sieht große Fallzahlen vor, Störgrößen werden berücksichtigt, es liegt ein Bevölkerungsbezug vor, Prävalenzschätzungen sind möglich, eine Verblindung gegenüber Basisstationen ist gegeben und erste grundlegende wissenschaftliche Publikationen sind möglich.

DISKUSSIONSPUNKTE

  • LEITGEB: Ist dieses Studiendesign wirklich zielführend?
  • BLETTNER: In Querschnittsstudien werden in einem ersten Schritt mögliche Zusammenhänge von Erkrankungen und Expositionen untersucht. Dabei werden akute Effekte unterstellt. Das Studiendesign einer Querschnittsstudie erlaubt grundsätzlich keinen Kausalitätsnachweis oder eine exakte Abschätzung einer Dosis-Wirkungs-Beziehung, da Exposition und Erkrankung zeitgleich erfasst werden.
  • Herr BÖTTGER unterstützt das geplante Vorhaben
  • FRENTZEL-BEYME: Verweigerungsgruppen näher analysieren, Vorher- / Nachher-Effekte wären besser, in den Fragebogen sollte "Erregbarkeit, Reizbarkeit" mit aufgenommen werden in Anlehnung an TNO-Studie, Nachtwerte sind wichtig.

Top 7: Abschlussdiskussion

Frau KREUZER dankt noch einmal allen Beteiligten für die offene Diskussion und rege Mitwirkung. Einer prinzipiellen Durchführbarkeit der Querschnittsstudie wurde von den Teilnehmern nicht widersprochen. Sie kündigt an, dass die Vorträge und alle Beiträge in einem Protokoll zusammengefasst werden. Dieses Protokoll wird allen Beteiligten vorab zur Kommentierung geschickt und anschließend auf die Webseite des Deutschen Mobilfunkforschungsprogramms (http://www.emf-forschungprogramm.de) gestellt. Die Forschungsnehmer werden - unter Berücksichtigung der im Kolloquium genannten Anregungen - in den nächsten Wochen einen Bericht zur Pilotstudie und zum geplanten Studiendesign erstellen. Dieser bildet die Basis für die endgültige Entscheidung des BfS, ob und in welcher Form die Querschnittsstudie weiter durchgeführt wird.