Protokoll zum 1. Kolloquium "Epidemiologische Forschungsvorhaben des BfS zu hochfrequenten elektromagnetischen Feldern"

am 25.07.2003 von 09:00 bis 15:00

Bundesamt für Strahlenschutz, Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg
(Organisation: Dr. Kreuzer, BfS)

Teilnehmer (Extern):

Dr. A. Bahr (IMST, Inst. für Mobilfunk und Satellitentechnik, Kamp-Lintfort)
Dr. A. Böttger (Bundesumweltministerium)
Prof. Dr. J. Breckow (SSK, Strahlenschutzkommission)
Dr. J. Brix (Bayr. Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Umwelt)
Prof. Dr. H. Danker-Hopfe (Freie Universität Berlin, Psychiatrische Klinik)
Prof. Dr. T. Eikmann (Universitätsklinikum Giessen, Inst. f. Hygiene und Umweltmedizin)
Prof. Dr. R. Frentzel-Beyme (Bremer Inst. für Präventionsf., Sozialmedizin, Epidemiologie)
Prof. Dr. M. Kundi (Universität Wien, Medizinische Fakultät)
Prof. Dr. D. Nowak (LMU München, Inst. für Arbeits- und Umweltmedizin)
Prof. Dr. L. Schmidt (Uni Mainz, Psychiatrische Klinik und Poliklinik)
PD Dr. A. Stang (Universität Essen, Inst. für med. Informatik, Biometrie und Epidemiologie)

Teilnehmer (Forschungsnehmer)

Prof. Dr. M. Blettner (Universität Bielefeld, AG3 Epidemiologie und Medizinische Statistik)
Dr. J. Breckenkamp (Universität Bielefeld, AG3 Epidemiologie und Medizinische Statistik)
Dr. G. Berg (Universität Bielefeld, AG3 Epidemiologie und Medizinische Statistik)
PD Dr. J. Schüz (Universität Mainz, Inst. f. Med. Biometrie, Epidemiologie und Informatik)
E. Böhler, MPH (Universität Mainz, Inst. f. Med. Biometrie, Epidemiologie und Informatik)
Prof. Dr. J. Wahrendorf (DKFZ Heidelberg, AG Umweltepidemiologie)
Dr. B. Schlehhofer (DKFZ Heidelberg, AG Umweltepidemiologie)
Dr. P. Potthoff (NFO Infratest, München)
Dr. E. Schröder (NFO Infratest, München)
U. Reis (NFO Infratest, München)
Dr. P. Neitzke (ECOLOG-Institut, Hannover)

Teilnehmer (BfS Neuherberg)

Dr. W. Weiss (SG, Fachbereich Strahlenschutz und Gesundheit)
Dr. M. Kreuzer (SG 1.2, Strahlenepidemiologie)
R. Matthes (AG NIR, Nichtionisierende Strahlung)
Dr. S. Diemer (AG NIR, Nichtionisierende Strahlung)
Dr. A. Dehos (AG NIR, Nichtionisierende Strahlung)
Dr. G. Ziegelberger (AG NIR, Nichtionisierende Strahlung)
Dr. T. Jung (SG 1, Strahlenrisiko und -wirkungen)
Dr. B. Grosche (SG 1.2, Strahlenepidemiologie)

Top 1: Begrüßung

Herr WEISS, Leiter des Fachbereichs Strahlenschutz und Gesundheit des BfS, begrüßt die Teilnehmer. Er erläutert kurz die Historie, den derzeitigen Stand und die zukünftige Entwicklung des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms. Das Programm umfasst die Forschungsbereiche Dosimetrie, Biologie, Epidemiologie und Risikokommunikation. Ein Überblick über bereits vergebene, sich in Vergabe befindliche und noch zur Diskussion stehende Forschungsvorhaben wurde als Tischvorlage verteilt. Im September diesen Jahres wird ein Fachgespräch stattfinden, bei dem über das endgültige Forschungsprogramm diskutiert wird. Zusätzlich sind im Weiteren in bestimmten Abständen größere Reviews für alle Forschungsbereiche geplant. Heute findet das erste Review zu dem Bereich Epidemiologie statt. Wie der Tagesordnung zu entnehmen ist, werden drei Vorhaben besprochen.

Top 2: Übersicht über epidemiologische Forschungsvorhaben des BfS zu HF-EMF

Frau KREUZER gibt einen Überblick über derzeit am BfS laufende epidemiologische Forschungsvorhaben zu Mobilfunk und ihre Vernetzung mit anderen Projekten. Ende 2001 wurden zwei große Vorhaben aus dem Bereich Epidemiologie ausgeschrieben: 1) Kohortenstudie zu hoch HF-EMF exponierten Personen und 2) Querschnittsstudie zu gesundheitlichen Beschwerden bei Exposition durch Felder von Mobilfunkbasisstationen.

Eine Machbarkeitsstudie zur Kohortenstudie wurde mit einer Laufzeit vom 01.08.2002 bis 31.08.2003 an die Uni Bielefeld in Kooperation mit der Uni Mainz und dem DKFZ vergeben. Ziel der Machbarkeitsstudie ist es, zu prüfen, ob eine Kohorte zusammengestellt werden kann, die aussagekräftige Ergebnisse erwarten lässt und gegebenenfalls Vorschläge für mögliche Studiendesigns zu erarbeiten. Die Ergebnisse der Pilotstudie liegen nun vor und sollen in einem größeren Kreis fachlich diskutiert werden. Sollte sich nach Abschluss des Vorhabens die Machbarkeit einer Kohortenstudie herausstellen, würde die Hauptstudie in einem öffentlichen Teilnehmerwettbewerb in die Vergabe kommen.

Die Querschnittsstudie zu gesundheitlichen Beschwerden durch Mobilfunkbasisstationen wurde mit einer Laufzeit vom 01.07.2003 bis 30.06.2006 an die Uni Bielefeld in Kooperation mit der Uni Mainz, DKFZ und NFO-Infratest vergeben . Der Studie ist eine 9-monatige Pilotstudie vorgeschaltet. Im Anschluss daran wird je nach Machbarkeit das endgültige Studiendesign festgelegt. Die Expositionsabschätzung für die Personen der Querschnittsstudie wird in einem separaten Vorhaben durchgeführt. Es hat eine Laufzeit vom 01.02.2003 bis 31.01.2005 und wurde an die Firma ECOLOG vergeben. Da aus der Querschnittsstudie evtl. "elektrosensible" Personen rekrutiert werden können, besteht weiterhin eine enge Vernetzung mit einem Vorhaben zur Charakterisierung von Elektrosensibilität , welches sich noch in der Vergabe befindet. In Diskussion sind weitere Forschungsvorhaben, die auf die Querschnittsstudie aufsetzen. So könnten für interessante Untergruppen weitere Fragestellungen wie z.B. Expositionsabschätzung mittels Personendosimeter, genetische Untersuchungen, Objektivierung von gesundheitlichen Beschwerden, etc. bearbeitet werden. Interessierte können hier Vorschläge einbringen.

Top 3: Präsentation der Ergebnisse der Machbarkeitsstudie für eine Kohortenstudie

Frau BLETTNER stellt die am Forschungsprojekt beteiligten Wissenschaftler vor und erläutert die Vorgehensweise bei der Machbarkeitsstudie. Es wurde ein Katalog von Kriterien, die zur Machbarkeit einer Studie notwendig sind, erarbeitet. Dies betraf Expositionsbedingungen, Kohortenzusammenstellung, Follow-Up und statistische Aspekte. Es wurde ein Literaturreview zu Kohortenstudien und zu möglichen Gesundheitsrisiken durchgeführt. Mögliche Studienpopulationen wurden recherchiert, auf die festgelegten Kriterien geprüft und die verbleibenden "machbaren Kohorten" ermittelt und beschrieben.

Herr BRECKENKAMP berichtet über die Ergebnisse des Literaturreviews. Insgesamt sind in der Literatur neun Kohortenstudien veröffentlicht. Herr BRECKENKAMP beschreibt die zugrundeliegenden Berufsgruppen und geht auf die Probleme der Studien im Hinblick auf Rekrutierung, Expositionsbestimmung, Healthy Worker Effekt und Confounding ein. Zum Teil werden erhöhte Risiken für einzelne Krebserkrankungen berichtet. Die Ergebnisse sind aber inkonsistent und die Studien weisen methodische Mängel auf. In der Literatur werden mögliche Endpunkte wie Mortalität, Morbidität, Befindlichkeitsstörungen und physiologische Funktionsstörungen untersucht. Zwei Review-Arbeiten wurden von den Forschungsnehmern hierzu zur Veröffentlichung eingereicht.

Frau BÖHLER berichtet über die Auswahl der zu untersuchenden Berufsgruppen. Folgende Berufsfelder wurden als HF-exponiert ermittelt: Funk, Radar, industrielle Maschinen und sonstiges. Diese Berufsgruppen wurden auf die festgelegten Kriterien zur Machbarkeit geprüft. Es wurden Berufsgruppen ausgeschlossen, die entweder die Expositionsbedingungen (Regelmäßigkeit, Dauer und Erfassung) oder Kriterien zur Zusammenstellung der Kohorte (Demographische Daten, Gruppengröße, Selektion) nicht erfüllten. Es verblieben drei Berufsgruppen für eine mögliche Kohortenstudie.

Frau BLETTNER stellt diese Berufsgruppen vor: 1) Arbeiter an Hochfrequenz-Plastikschweißmaschinen, 2) Ingenieure/Techniker von Mittel/Kurzwellen- Sendeanlagen und 3) Funkamateure. Grundsätzlich bietet sich in einer Kohortenstudie ein retrospektiver oder prospektiver Ansatz an. Vor- und Nachteile der drei Kohorten werden im Detail vorgestellt und mögliche Ansätze bewertet.

Top 4 Diskussion von Eckpunkten für ein mögliches Studiendesign für eine Kohortenstudie

Herr WEISS weist vor der sich anschließenden Diskussion darauf hin, dass eine Hauptstudie nur durchgeführt wird, falls die Machbarkeit aufgezeigt werden kann. Falls dies nicht gelingt, gehen die im UFO-Plan dafür vorgesehenen Gelder nicht verloren, sondern können für andere Forschungsvorhaben eingesetzt werden. Die Vorträge werden in drei Themenblöcken zur Diskussion gestellt: 1) Generelle Vorgehensweise, 2) Diskussion der einzelnen Kohortenstudien und 3) Einschätzung der Machbarkeit. Die Diskussionsbeiträge werden im Folgenden stichpunktartig zusammengefasst wiedergegeben.

Generelle Vorgehensweise

  • Kann ein positives oder negatives Ergebnis die Unsicherheiten in der Bevölkerung reduzieren? Þ Dies ist keine Frage, die im Zusammenhang mit der geplanten Hauptstudie beantwortet werden muss, sondern ein Problem der Risikokommunikation. Hierzu gibt es eigene Forschungsvorhaben.
  • Die Berufskohorten sind in Frequenzbereichen exponiert, die nicht für den Mobilfunk typisch sind und in der Bevölkerung nicht häufig vorkommen - Unterschiedliche Frequenzbereiche könnten unterschiedlich wirken, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse in Frage stellt.
  • Personen, die Wartungsarbeiten an Mobilfunkanlagen durchführen, könnten eine interessante Berufskohorte darstellen => Sie wurden nicht eingehender berücksichtigt, da nach Auskunft der Betreiber bei Wartungsarbeiten die Anlagen abgeschaltet werden.
    Protokollnotiz von Herrn FRENTZEL-BEYME: Laut Literatur ist diese Gruppe exponiert. Der Eindruck entsteht, dass die Betreiber keine solche Studie wünschen. Ins Protokoll gehört daher, dass diese Gruppe zu Unrecht nicht berücksichtigt wurde, da solche Kohortenstudien in der Literatur etwas anderes aussagen.
  • Berufskohorten sind hoch selektiert (z.B. Healthy Worker Effekt), deshalb können aus der Studie nur für diese Gruppen Aussagen abgeleitet werden. Die Übertragbarkeit entsprechender Befunde auf die allgemeine Bevölkerung ist schwierig.
  • Confounder (Chemie, andere HF-Strahlung, Handynutzung) müssen geeignet berücksichtigt werden können.
  • Die Technikentwicklung über die Zeit (vorher/nachher) muss geeignet berücksichtigt werden können.
  • Schornsteinfeger wären eine interessante Berufsgruppe, da sie in einer Innung organisiert sind, viele Jahre im Beruf arbeiten und ihre Exposition typisch für den Mobilfunk ist. Viele haben von Symptomen berichtet, die sie erst seit Einführung des Mobilfunk haben => Schornsteinfeger wurden dennoch ausgeschlossen, da die Gruppenstärke zu klein ist und die Mitglieder der Gruppe nicht regelmäßig exponiert werden.
  • Eine interessante Kohorte wären evtl. Personen, die beruflich häufig ein Handy nutzen. Aus den Kontrollgruppen der bisher in Deutschland durchgeführten Fall-Kontroll-Studien zu Hirntumoren und zum Uvealmelanom könnten solche Berufsgruppen ermittelt werden, z.B. Außendienstmitarbeiter. Hier stellt sich aber die Frage nach der Vergleichsgruppe.

Diskussion der drei möglichen Kohortenstudien

HF-Plastikschweißer

  • Positive Aspekte sind die lange Beschäftigungszeit und die unterschiedlichen Expositionsdauern. Ein Nachteil ist der niedrige Frequenzbereich mit 27,5 MHz. Hier ist die Relevanz für den Mobilfunk fraglich.
  • Ist eine internationale Einbindung möglich?
  • Können Confounder ausreichend berücksichtigt werden (Niederfrequente Strahlung, Mischexpositionen, Monochlorid, Monomere, Weichmacher, etc.)?
  • Kann eine vergleichbare Kontrollgruppe gefunden werden?
  • Mögliche Ansätze für Endpunkte wären: Fertilität (retrospektiv), Herzkreislauferkrankungen (Querschnitt), Katarakt (zu selten, um in der möglichen Kohorte festgestellt zu werden).
  • Krankheiten, die bei Schweißern erhöht sind, müssten auch erfasst werden (z.B. Bronchialkarzinom, Leberzellkarzinom).

HF Techniker/Ingenieure von Mittel/Kurzwellensender

  • Die Fallzahl ist zu gering, könnte aber durch internationale Kooperation erhöht werden.
  • Ist die MW/UW -Nahfeldexpositionen hinreichend sicher abschätzbar?
  • Die Höhe der Exposition hängt vom Arbeitsfeld und dem jeweiligen Arbeitsort ab und kann evtl. nicht gemessen werden.
  • Mischexpositionen (Fernsehsender) könnten die Dosimetrie erschweren.
  • Die Kohorte beinhaltet ausschließlich Männer.
  • Die Untersuchung harter Endpunkte (Mortalität) wäre möglich, die Untersuchung weicher Endpunkte (Befindlichkeitsstörungen) ist aber eher nicht möglich.

Funkamateuere

  • Die Exposition ist retrospektiv schwer erfassbar, prospektiv aber möglich.
  • "Bastler" wären wegen hoher Expositionen von Interesse .
  • Als Exposition nur die Ausgangsleistung der Geräte zu verwenden, ist nicht ausreichend. Individuelle Messungen wären nötig, da Expositionen individuell sehr unterschiedlich sein können.
  • Als Endpunkte sind eher Befindlichkeiten interessant, aber Hobby-Funker werden Befindlichkeitsstörungen kaum berichten.
  • Confounder spielen ggf. eine wichtigere Rolle als die Exposition.
  • Da Funkamateure eine hochselektive Gruppe sind, sollte eine interne Kontrollgruppe gewählt werden.
  • Als Endpunkte wären evtl. Parkinson und Alzheimer interessant.
  • Untersucht man Endpunkte wie Krebs, wären bei 10 Jahre Follow-Up über 40.000 Personen ca. 170 Krebstote und 400 inzidente Fälle erwartbar (Herr WEISS: Zeitlimit berücksichtigen!; es reicht nicht, in 10 Jahren ein Ergebnis zu bekommen, da das Gesamtprogramm auf 3-4 Jahre ausgelegt ist).
  • Vorschlag: Durchführung einer eingebetteten Fall-Kontroll-Studie.

Diskussion der Frage "Ist eine Kohortenstudie überhaupt machbar?"

  • STANG: Mehr Informationen sind nötig, um diese Frage zu beantworten. Welche Endpunkte sind machbar? Harte Endpunkte sind zu favorisieren, weiche Endpunkte gehören in eine Querschnittsstudie.
  • EIKMANN: Die Repräsentativität für die Bevölkerung ist bei den möglichen Kohorten nicht gegeben (Übertragbarkeit bei Schweißern und Ingenieuren?). Nur harte Endpunkte können untersucht werden, der Befindlichkeitsbereich ist zu schwierig zu ermitteln. Gute Expositionsdaten sind vorhanden, aber von der Expositionshöhe her wenig attraktiv für die Bürger. Insgesamt kein Erkenntnisgewinn.
  • NOWAK: Ein Erkenntnisgewinn ist zu erwarten, aber die Kommunikation der Ergebnisse ist problematisch.
  • FRENTZEL-BEYME: Studien zu Plastikschweißern und Kapitänen und Schifffahrt sind Aufgabe der Berufsgenossenschaft (BG). Funkamateure wären eine interessante Kohorte (Vorschlag: Frauen der Funker in die Studie mit aufnehmen).
  • KUNDI: Wenn eine Kohortenstudie zum Karzinomrisiko durchgeführt werden soll, dann Funkamateure wählen (eingebettete Fall-Kontroll Studie). Dies kann aber evtl. die Kosten sprengen. Andere Gruppen scheiden aus.

Frau BLETTNER bedankt sich für die Vorschläge und die kritische Diskussion. Sie würde eine Studie zu Krebserkrankungen und weniger zu Befindlichkeitsstörungen favorisieren. Diese können in der Querschnittsstudie besser untersucht werden. Die Studie zu Schweißern kann evtl. mit der BG durchgeführt werden. Die Idee einer eingebetteten Fall-Kontroll-Studie ist gut und zu prüfen, ebenso die Idee, Fernmeldetechniker international zu koordinieren. Ende August 2003 endet das Vorhaben. Die Eckpunkte für mögliche Studiendesigns werden überarbeitet, die konstruktiven Hinweise, die Kritikpunkte und die Vorschläge des Kolloquiums werden berücksichtigt und im Abschlußbericht werden alle machbaren Ansätze für eine Studie detailliert beschrieben.

Nach Übergabe des Abschlußberichts wird das BfS entscheiden, ob eine Studie durchgeführt wird und wie gegebenenfalls das Studiendesign aussehen soll. Herr WEISS bedankt sich für die hilfreichen Kommentare und die Offenheit in der Diskussion.

Top 5: Querschnittsstudie - Geplante Vorgehensweise

Frau BLETTNER erläutert, welche Institute an der Durchführung der Querschnittsstudie zur Erfassung und Bewertung möglicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch die Felder von Mobilfunkbasisstationen beteiligt sind (Universität Bielefeld, Universität Mainz, Deutsches Krebsforschungszentrum, NFO Infratest) und welche Ziele die Studie verfolgt.

Bis vor kurzer Zeit wurde in der wissenschaftlichen Welt von der Durchführung einer epidemiologischen Studie zu Mobilfunkbasisstationen dringend abgeraten. Herr SCHÜZ erläutert in seinem Beitrag, warum inzwischen die Durchführung einer solchen Studie durchaus positiv eingeschätzt wird. Verschiedene Punkte zum Pro und Contra einer Durchführung einer Querschnittsstudie zu Mobilfunkbasisstationen werden präsentiert. Auch auf die Empfehlungen von internationalen Arbeitsgruppen zur Durchführung von epidemiologischen Studien (COST 281, BEMS, WHO) wird eingegangen. Die Herausforderung ist die Expositionsabschätzung.

Herr POTTHOFF präsentiert die im Angebot geplanten Elemente des Studiendesigns. Es handelt sich um ein zweistufiges Vorgehen. Zuerst wird ein vorhandener Haushaltspanel von 30.000 Haushalten mit ca. 60.000 Individuen - neben anderen Parametern - zur subjektiven Expositionswahrnehmung befragt. Die Adressen der Personen werden geokodiert und mit den Standortdaten der Sendemasten verknüpft. Dann wird versucht, ein geeignetes Distanzmaß von Wohnort zu Basisstationen festzulegen. Dieses dient in erster Näherung zur Objektivierung der Exposition. Ziel ist der Vergleich des Auftretens von Befindlichkeitsstörungen bei "scheinbarer" Exposition gegenüber "tatsächlicher" Exposition. Für diesen Vergleich werden in einem zweiten Schritt an einer Untergruppe von 3.200 Personen vertiefte Erhebungen zu Gesundheit, Ängsten, etc. (Feldmessungen in ausgewählten Regionen) durchgeführt.

Frau BERG gibt einen Überblick über interne und externe Kooperationspartner. Für die Expositionsabschätzung ist in einem ersten Schritt eine Geokodierung der Mobilfunkbasisstationen notwendig. Dazu muss der Zugang zu den Daten der Regulierungsbehörde geschaffen werden. Hierzu ist evtl. Unterstützung durch das BfS und BMU notwendig. In Zusammenarbeit mit dem Forschungsvorhaben zur Expositionsabschätzung muss geklärt werden, welche Parameter erfasst werden müssen, um eine hinreichend valide Expositionsabschätzung zu erreichen. In einem zweiten Schritt ist geplant, bei der Untergruppe von 3.200 Personen Nachuntersuchungen durchzuführen und in ausgewählten Regionen individuell die Exposition zu erfassen.

Top 6 Expositionsabschätzung

Herr NEITZKE berichtet über den Stand des Forschungsvorhabens zur Abschätzung der Exposition in der Umgebung von Mobilfunk-Basisstationen. Diese hängt 1) auf der Emissionsseite von der technischen Ausführung und der Betriebsweise der Anlagen, 2) von den Bedingungen für die Ausbreitung der elektromagnetischen Wellen und 3) auf der Immissionsseite von der relativen Lage zur Quelle und der Höhe der Beiträge von anderen Funksendeanlagen ab. Beispiele zu Ergebnissen verschiedener Messkampagnen werden demonstriert und eine zusammenfassende Bewertung von relevanten Aspekten zu Mobilfunk-Immissionen aus Messprogrammen in Deutschland gegeben. Anforderungen an die HF-Expositionserfassung in epidemiologischen Studien werden erläutert und Elemente eines Konzepts für die HF-Dosimetrie vorgestellt. Es ist geplant, systematische Untersuchungen zu einer Vielzahl von relevanten Variablen durchzuführen. Auf dieser Basis kann später entschieden werden, welche Variablen unabdingbar für die Expositionsabschätzung sind und individuell in der Studie abgefragt werden müssen und welche verzichtbar sind. Herr NEITZKE weist darauf hin, dass bis jetzt keine Personendosimeter existieren, die die HF-Exposition ausreichend messen. Ein Grundproblem bei der Anwendung von Personendosimetern ist die Feldverzerrung und -abschirmung durch die Person.

Top 7: Diskussion

Herr WEISS bittet Frau BRIX über den Stand eines vom Bayer. Staatsministerium geförderten Forschungsvorhabens zur Entwicklung von Personendosimetern zu berichten. Frau BRIX erläutert, dass das Personendosimeter einen Frequenzbereich von 400 bis 3000 MHz und elektrische Feldstärken von 0.05 V/m bis 60 V/m für alle gängigen Informationstechnologien (GSM, UMTS, DECT, etc.) messen kann. Es gab erste Überlegungen, das Personenmessgerät als eine Art Haarreif zu tragen. Letztendlich wird das Dosimeter wahrscheinlich die Größe eines kleinen Handys haben. Das Dosimeter wird evtl. für die Messphase des Projekts verfügbar sein.

Herr WEISS stellt die Vorträge zur Querschnittsstudie zur Diskussion. Die Diskussionsbeiträge werden stichpunktartig zusammengefasst wiedergegeben.

  • Vorteil des Haushaltspanels ist die Repräsentativität.
  • Expositionen durch die Basisstationen variieren im Umfeld um den Faktor 1:1000, der zusätzliche Hintergrundpegel durch andere Quellen zeigt praktisch keine Variation. Über stichprobenartige Messungen kann man dieses Problem lösen, aber nur bei Betrachtung von einzelnen Basisstationen. Werden alle Basisstationen in die Studie einbezogen, ist dies evtl. nicht darstellbar.
  • Evtl. genügt es, durch Verknüpfung der Standortdaten des Registers mit Angaben über bestimmte Parameter (Hochhaus, etc.), die per Fragebogen erfasst werden können, eine ähnlich gute Abschätzung zu erreichen. Aus der Vielzahl von Parametern, die die Exposition beeinflussen, müssen nicht alle erfasst werden. Im Expositionsprojekt wird geklärt, welche Parameter man weglassen kann, um dennoch aussagekräftig zu sein.
  • Daten des Standortregisters sind auf maximale Anlagenauslastung ausgerichtet. Sicherheitsabstände werden für worst-case Szenarien bestimmt. Es ist zu prüfen, ob diese Daten nutzbar gemacht werden können.
  • Die Daten müssen beschafft werden und die Abschätzungen müssen für einzelne Basisstationen durchgetestet werden.
  • Es werden Bedenken geäußert, dass bei einem bundesweiten Ansatz im Vergleich zu einem regional begrenzten Ansatz, Untersuchungen, die Kontakt zu den Probanden erfordern (z.B. Objektivierung von Befindlichkeitsstörungen), aus logistischen Gründen erschwert sind. Dem wird entgegnet, dass die Hauptuntersuchungen nicht an allen 60.000 Probanden stattfinden, sondern an einem Unterkollektiv, das auch regional ausgewählt werden kann.
  • Wie können Änderungen der gesundheitlichen Beschwerden vor und nach Inbetriebnahme eines Senders berücksichtigt werden (Zeitliche Dynamik)?
  • Individualisierte Daten sind wichtig: Ganztagsdaten und Wohnungsdaten, Chronologie eines Tages, vor/nach Errichtung von Basisstationen, Messung im Schlafzimmer durchführen, hier hält man sich am längsten auf; auch niederfrequente Strahlung messen.
  • Wie können Beschwerden erfasst werden (Qualität der Beschwerden, Objektivierung der Beschwerden)? Wie kann das subjektive Erleben der Exposition erfragt werden? Dies muss in der Pilotstudie gestestet werden. (Daten zur Prävalenz von Beschwerden liegen nach Verfügbarkeit des Abschlussberichts eines entsprechenden Forschungsvorhabens des BfS vor).

Top 8: Abschlussdiskussion

Herr WEISS dankt noch einmal allen für die offene Diskussion und die rege Beteiligung. Er weist auf das als Tischvorlage verteilte Gesamtforschungsprogramm zu Mobilfunk hin. Hier finden sich sowohl vergebene Projekte, solche die in Vergabe sind und solche, die entweder vom BfS oder der SSK vorgeschlagen wurden und zur Diskussion stehen. Diese werden im Internet veröffentlicht und jeder kann seine Kommentare dazu abgeben. Je nach Machbarkeit der Kohortenstudie wird diese einem öffentlichen Teilnehmerwettbewerb zugeführt.

Es ist geplant, eine begleitende Gruppe für die epidemiologischen Vorhaben des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms einzurichten. Da viele der beteiligten Experten auch gleichzeitig Forschungsnehmer sein werden, ist es aber eher fraglich, ob ein Beirat institutionalisiert wird. Auf alle Fälle wird das BfS zu gegebener Zeit zur Beratung bestimmter Themenbereiche wieder einladen. Im Bereich Epidemiologie würde sich hierfür das Ende der Pilotstudie zur Querschnittsstudie (Frühjahr 2004) anbieten. Bis dahin sollten viele der heute aufgeworfenen Fragen beantwortet sein.


Hinweis:

Eine CD mit den Folien zu den einzelnen Vorträgen kann auf Wunsch beim BfS unter dem Stichwort "EMF-Kolloquium" unter der e-mail- Adresse: info@bfs.de angefordert werden.