Rede von Simone Probst (BMU) zum 3. BfS-Fachgespräch Mobilfunk

Simone Probst

Parlamentarische Staatsekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

3. BfS-Fachgespräch am 28. April 2005, Berlin

Es gilt das gesprochene Wort.


Begrüßung

Das Handy ist für Viele ein unverzichtbares Kommunikationsmittel geworden. Überall sieht man die Menschen telefonieren - es ist einfach, bequem und unkompliziert.

Auch wenn viele dieser Gespräche hoffentlich keinen Notfallcharakter haben - unbestreitbar ist die Tatsache, dass heute kaum jemand auf die Handynutzung verzichten will und auch teilweise gar nicht mehr kann:

  • wenn Handwerker oder Unternehmer heutzutage für potentielle Kunden nicht erreichbar sind, müssen sie im Zweifelsfalle um ihre Existenz fürchten - den Zuschlag könnte der Konkurrent erhalten, der erreichbar war.
  • Als Politikerin bin ich auf ein Handy angewiesen: Aktion und Reaktion sind heute ohne ständige Erreichbarkeit in der Politik ausgesprochen schwierig.
  • Auch im privaten Bereich nimmt die Handynutzung immer mehr zu: Freunde, die um die Straßenecke wohnen, verabreden sich lieber über Handy, statt sich einfach zu besuchen. Parties werden mit dem Handy koordiniert; Beziehungen werden per SMS angebahnt oder beendet.

Wie erst kürzlich auf der CEBIT eindrucksvoll dokumentiert wurde, schreitet die Entwicklung modernster Kommunikationsmittel rasend schnell voran. Es ist erstaunlich, welche Anwendungsmöglichkeiten sich auftun - die Vielfalt kennt offenbar keine Grenzen mehr, allerdings erschließt sich der Nutzen dabei nicht immer unmittelbar. Handys werden zu Hifi-Anlagen oder tragbaren Fernsehern, man kann damit im Internet surfen, Verbrechern auf die Spur kommen, unter ständiger Kontrolle seines Arztes sein, fotografieren und dann auch noch ganz einfach telefonieren.

Ermöglicht wird diese drahtlose Kommunikation durch hochfrequente elektromagnetische Felder, von denen wir wissen, dass sie nicht nur positive Wirkungen entfalten können, die vielleicht mit gesundheitlichen Risiken verbunden sind. Die Kurzlebigkeit moderner Entwicklungen lässt kaum genügend Zeit für eine nachhaltige Gesundheitsforschung. Deshalb müssen wir schon bei der Entwicklung von neuen Technologien mögliche Risiken mitbedenken und entsprechend Vorsorge betreiben. Wer dies tut, hat verstanden, was wir mit Nachhaltigkeit meinen.

Die öffentliche Diskussion über mögliche gesundheitliche Wirkungen der elektromagnetischen Felder ist nach wie vor in vollem Gang:
die Medien haben sie aufgegriffen, sie beschäftigt Parlamente und Gerichte. Dennoch will der überwiegende Teil der Bevölkerung überall und jederzeit mobil kommunizieren. In diesem Dissens ist verantwortungsbewusste Politik gefordert - wir lassen uns dabei von drei Prinzipien leiten:

  • gesundheitliche Risiken sind auf ein Minimum zu reduzieren,
  • die Gesundheitsforschung zur nachhaltigen,
  • Risikobewertung ist voranzutreiben,
  • und ein aktiver Beitrag zur Konfliktschlichtung ist gefragt.

Ende 2001 hat die Bundesregierung mit den Mobilfunkbetreibern eine freiwillige Selbstverpflichtung und ein Vorsorgepaket vereinbart.

Ein zentrales Ziel der Selbstverpflichtung ist eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Betreibern bei der Entscheidung über den geeigneten Standort für Sendeanlagen. Die angemessene Einbindung der betroffenen Bevölkerung ist eine wesentliche Voraussetzung für die Verbesserung der Akzeptanz. Jährlich wird über die Erfahrung mit der Selbstverpflichtung berichtet. Demnach kann die Kommunikation zwischen den Kommunen und den Mobilfunkbetreibern verbessert werden.

In der Praxis ist jedoch die Zahl der Standortkonflikte gegenüber dem Jahr 2002 nicht wesentlich zurückgegangen. Auch die Auslöser der Konflikte haben sich vor dem Hintergrund des verstärkten Netzausbaus in den letzten zwei Jahren kaum verändert: damals wie heute wird die Nähe der Mobilmasten zu Schulen, Kindergärten und reinen Wohngebieten kritisiert. Durch Vorab-Informationen zu Standortplanungen und durch Auswahl und Prüfung von Alternativstandorten könnte die Diskussion zwischen Kommunen und Mobilfunkbetreibern entschärft werden. Deshalb muss aus meiner Sicht die Bürgerbeteiligung im Ablauf der Standortplanung einen festen Platz haben:
Die Abstimmung über Standorte soll nicht auf die offiziellen Vertreter der Kommune beschränkt sein - vielmehr müssen die Bürger selbst in diesen Prozess miteinbezogen werden. Das ist zwar eine wichtige Aufgabe der Betreiber, die Kommunen müssen aber mithelfen.

Laut einer aktuellen Umfrage des Bundesamtes für Strahlenschutz machen sich 30 % der Deutschen Sorgen wegen möglicher gesundheitlicher Risiken der Mobilfunkstrahlung. Unzureichende Information trägt zu dieser Verunsicherung bei. Von verschiedenster Seite werden Informationen zur Verfügung gestellt.

Aber gerade diese Informationsflut schafft Verwirrung denn die Informationen sind zum Teil widersprüchlich, und die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Informationsquellen wird ganz unterschiedlich eingeschätzt.

Die neueste BfS-Studie zur Analyse möglicher Informations-Zielgruppen und deren Bedürfnisse zeigt, wie unterschiedlich Mobilfunknutzung, Wissensstand, Informationsbedarf und die Anforderung an Informationen innerhalb der Bevölkerung sind. Diese Erkenntnisse sollen in Zukunft konsequent umgesetzt werden! Nur dann können Informationen zu einem derart sensiblen Thema wie Mobilfunk bedarfsgerecht gestaltet und verteilt werden.

Die Einschätzung von Risiken ist individuell äußerst unterschiedlich. Bei wissenschaftlich nicht nachgewiesenen Risiken unterhalb der geltenden Grenzwerte, wie dies für hochfrequente elektromagnetische Felder der Fall ist, gestaltet sich die Risikokommunikation besonders schwierig.

Das BMU und das BfS leisten gemeinsam einen aktiven Beitrag zur Versachlichung der Risikokommunikation: Sie setzen sich dafür ein, dass auf Basis wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse mögliche gesundheitliche Risiken auf ein Minimum reduziert werden.

Die biologischen Wirkungen der hochfrequenten elektro-magnetischen Felder auf die menschliche Gesundheit werden seit etwa 30 Jahren intensiv untersucht. Die Erkenntnisse aus dieser Forschung, belegt in weit über 10.000 wissenschaftlichen Veröffentlichungen, bilden die Grundlagen der bestehenden Grenzwerte. Die Grenzwerte reichen nach dem derzeitigen Erkenntnisstand aus, um vor nachgewiesenen gesundheitsbeeinträchtigenden Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder zu schützen. Bei dieser Aussage belassen wir es aber nicht. BfS und BMU prüfen kontinuierlich, ob diesem Anspruch in Anbetracht eines sich ständig entwickelnden Kenntnisstandes weiterhin entsprochen wird.

Dabei werden alle wissenschaftlich veröffentlichen Forschungsergebnisse über thermische und nicht-thermische Wirkungen berücksichtigt.

Jedoch gibt es immer noch Unsicherheiten, inwieweit Auswirkungen der hochfrequenten elektromagnetischen Felder unterhalb der Grenzwerte zu befürchten sind. Deshalb werden u.a. folgende Vorsorgemaßnahmen getroffen:

  • die bereits angesprochene verständliche Information der Bevölkerung über elektromagnetische Felder und deren möglichen gesundheitlicher Risiken. Messkampagnen und gelungene Beispiele für die Bewältigung von Interessens-konflikten gehören ebenso dazu.
  • die Minimierung der Exposition im Rahmen des technisch Möglichen, dazu gehört auch die Ausschöpfung technischer Innovationen nicht nur bei den Klingeltönen sondern auch bei der effizienten Ausnutzung der Felder, wenn wir vermeiden wollen, dass diese neuen innovativen Entwicklungen im wahrsten Sinn an ihre Grenzen oder besser Grenzwerte stoßen. Forschungsprojekte am Bundesforschungsministerium zu alternativen Funksystemen mit minimaler Strahlungsleistungsdichte im digitalen Rundfunk, Mobilfunk, drahtlosen LANs - kurz: Miniwatt-Forschung - zeigen hier den Weg.
  • präventive Gesundheitsforschung: d.h. nicht nur im Hinblick auf bereits eingesetzte, sondern auch auf zukünftige, derzeit in Entwicklung befindliche Technologien.

Gezielte Vorsorgemaßnahmen werden am besten verstanden und akzeptiert, wenn sie aus wissenschaftlichen Erkenntnissen abgeleitet werden. Daher hat das BMU das Deutsche Mobilfunk-Forschungsprogramm initiiert.

Besonders hervorheben möchte ich an dieser Stelle die anteilige Finanzierung sowohl durch die Mobilfunkbetreiber als auch durch das BMU.

Das Deutsche Mobilfunk-Forschungsprogramm wird vom BfS fachlich abgewickelt und koordiniert. Die Strahlenschutzkommission begleitet das Programm. Seit 2002 laufen 2002 Forschungsvorhaben in Bezug auf Auswirkungen auf Mensch und Tier, dosimetrische Verfahren zur exakten Bestimmung der realen Exposition der Bevölkerung durch hochfrequente elektromagnetische Felder, epidemiologische Untersuchungen zu möglichen Zusammenhängen zwischen elektromagnetischen Feldern und gesundheitlichen Auswirkungen sowie zur Verbesserung der Risikokommunikation.

Besonderen Wert legen wir auf Transparenz; d.h. wie schon in der Vergangenheit gehen wir zusammen mit dem BfS weiterhin in die Informationsoffensive: bis zum Abschluss des Programms - voraussichtlich 2007 - werden wir diese Form der Information weiter fortsetzen.

Aber nicht nur national sondern international wird zur Zeit intensiv geforscht. Wie wir in diesem Fachgespräch hören werden, beschäftigen sich Wissenschaftler weltweit mit Kernfragen zu gesundheitlichen Risiken elektromagnetischer Felder: Hierzu gehört die Abschätzung bzw. Erforschung von möglichen Langzeitwirkungen, aber auch die Betrachtung gesellschaftlicher Aspekte.

Das BMU und das BfS leisten mit dem Deutschen Mobilfunk- Forschungsprogramm und den darin angestoßenen Forschungsvorhaben einen bedeutenden Beitrag zur Abklärung der bereits angesprochenen Hinweise auf mögliche biologische Wirkungen. Dieses Programm hat international Anerkennung gefunden. Einen wesentlichen Beitrag dazu haben die Akteure des Runden Tischs Mobilfunk aber auch die Strahlenschutzkommission geleistet. Dafür danke ich allen und danken möchte ich besonders den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BfS für die Organisation und Ausführung des Programms und natürlich auch dieser Veranstaltung.

Die Ergebnisse aus dem Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramm werden in der internationalen, interdisziplinären Diskussion Resonanz finden und somit einen wichtigen Beitrag zur fundierten Risikobewertung leisten.