Protokoll des Kolloquiums zu biologischen Projekten im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms

BfS Neuherberg, 11. und 12. Oktober 2005


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TeilnehmerInnen (alphabetisch)

AhlersUniversität Oldenburg
AmmermüllerUniversität Oldenburg
AsmußBundesamt für Strahlenschutz
BahrIMST GmbH
BaldermannBundesamt für Strahlenschutz
BitzBergische Universität Wuppertal
BornhausenLMU München
ChristIT´IS Foundation, Zürich
Danker-HopfeCharité Berlin
DehosBundesamt für Strahlenschutz
DetlefsenTU München
DornCharité Berlin
El OuardiBergische Universität Wuppertal
EngelUniversitätsklinikum Tübingen
EngmannLMU München
FrankeUniversitätsklinik Münster
GeschwentnerBundesamt für Strahlenschutz
HalterFraunhofer ITEM, Hannover
HansenBergische Universität Wuppertal
JunkertBundesamt für Strahlenschutz
KnipperTHRC Hörforschungszentrum Tübingen
KreuzerBundesamt für Strahlenschutz
LeitgebTU Graz
LerchlInternational University Bremen
MatthesBundesamt für Strahlenschutz
MundhenkeBundesumweltministerium
MünknerUniversitätsklinikum Tübingen
PetrowiczTU München
PolletFH Darmstadt
PölzlBundesamt für Strahlenschutz
PophofBundesamt für Strahlenschutz
ReinhardtBergische Universität Wuppertal
RüttigerTHRC Hörforschungszentrum Tübingen
SakowskiUniversität Rostock
SchelkshornTU München
SimkóInstitut für Zelltechnologie Rostock
StohrerLMU München
TejeroTU München
WaldmannAMMUG INCOS Boté
WeissBundesamt für Strahlenschutz
ZiegelbergerBundesamt für Strahlenschutz

Tagesordnung (1. Tag)

  1. Begrüßung
  2. Expositionsanlagen für neurobiologische Projekte
  3. Einflüsse auf Gehirn, Kognition und Schlaf
  4. Einflüsse auf neuronale Netzwerke und Sinnesorgane
  5. Allgemeine Diskussion I

Tagesordnung (2. Tag)

  1. Expositionsanlagen für tierexperimentelle Studien
  2. Tierexperimentelle Studien zu chronischen Effekten
  3. Expositionsanlagen für Zellkulturstudien (in vitro)
  4. In vitro Studien zu Wirkmechanismen
  5. Allgemeine Diskussion II

1 Begrüßung

Herr Weiss begrüßt die Anwesenden und bedankt sich für die Teilnahme. Das Kolloquium soll den Stand der Projekte im Bereich Biologie des DMF darstellen und dem gegenseitigen fachlichen Informationsaustausch dienen. Herr Weiss betont die Ziele des DMF hinsichtlich der Beurteilung möglicher Auswirkungen von Mobilfunkfeldern auf die menschliche Gesundheit.

Es wird Einverständnis erzielt, das Protokoll und die von den Teilnehmern freigegebenen Präsentationen im Internetportal des DMF zu veröffentlichen.

2 Expositionsanlagen für neurobiologische Projekte

2.1 Exposition von Probanden und frei beweglichen Tieren mit tragbaren Antennen

Herr Bahr berichtet über die Exposition von Probanden und frei beweglichen Tieren mit tragbaren Antennen. Zur Exposition von Probanden bei den Frequenzen 900 MHz und 1966 MHz wird eine Dualband-Antenne verwendet. Die Antenne ist flach und leicht und kann von Probanden bis zu 8 Stunden im Wachzustand oder im Schlaf am Kopf getragen werden. Es werden typische Felder eines Mobiltelefons simuliert. Die erreichten SAR-Werte wurden berechnet und messtechnisch am SAM-Phantom verifiziert. Die maximale Differenz zwischen Messung und Berechnung betrug 22%. Die Grenzwerte werden ausgeschöpft, aber nicht überschritten. Damit werden während der gesamten Untersuchungsdauer die worst-case Bedingungen für die Verwendung eines Mobiltelefons erreicht. Die Exposition erfolgt doppelblind, d. h. weder der Proband noch das Betreuungspersonal kennen die aktuelle Exposition.

Folien des Vortrags liegen zum Download als PDF (780 kB) vor.

Zur lokalen Exposition frei beweglicher Ratten mit einem GSM-Signal bei 900 MHz wird am Körper der Ratte eine Loop-Antenne befestigt. Eine Drehkupplung ermöglicht die Beweglichkeit des Tieres. Eine Gruppe von vier Tieren wird jeweils mit einer Feldintensität exponiert. Die Exposition variiert im Bereich von 0 – 20 W/kg lokal am Ohr. Die SAR-Werte wurden mittels eines Rattenmodels (Airforce) berechnet und am Zylinderphantom gemessen. Die Abweichung zwischen Berechnung und Messung beträgt 14%, wobei die lokale Variabilität im Rattenkörper relativ hoch ist. Die Exposition erfolgt verblindet. Die Entwicklung der Einrichtung ist noch nicht vollständig abgeschlossen, mögliche thermischen Einflüsse müssen noch überprüft werden.

Folien des Vortrags liegen zum Download als PDF (426 kB) vor.

2.2 Expositionsanlage für elektrophysiologische Ableitungen von Hörzellen

Herr El Ouardi präsentiert eine Expositionsanlage für elektrophysiologische Ableitungen auf Basis einer sog. Finnleitung. Im Rahmen der elektrophysiologischen Untersuchungen werden bei 1,97 GHz (UMTS) "patch-clamp"-Ableitungen mit Glaselektroden von einzelnen Hörzellen des Cortischen Organs von jungen Mäusen durchgeführt. Es soll eine maximale Exposition von 20 W/kg erreicht werden. Hierzu wird das aus der Finnleitung austretende Feld genutzt. Die Speisung erfolgt aus Symmetriegründen an beiden Enden der Finnleitung. Ein Problem stellt der physiologische Messaufbau dar, in dem sehr wenig Platz für die Expositionsanlage zur Verfügung steht, da u. a. eine optische Kontrolle der Elektrodenposition durch ein Mikroskop während der Messung notwendig ist. Die Feldverteilung wurde entlang der Finnleitung gemessen und berechnet, die Übereinstimmung war gut. An der Position des Präparates konnte infolge der kleinen Abmessung nur eine Simulation erfolgen. Dafür wurde der ganze physiologische Messaufbau simuliert. Die Feldverteilung im Bereich des Präparates war sehr homogen, die Variation betrug nur 5% im Aufenthaltsbereich der zu untersuchenden Zellen (Æ 4 mm). Zur Erzeugung von 20 W/kg in dem das Präparat umgebenden Medium (0,75 ml) beträgt die einzuspeisende, zeitlich gemittelte Leistung 120 mW. Die Temperatur wird während der Exposition mit einer Glasfasermesssonde registriert, eine Temperaturregelung erfolgt nicht. Aufgrund der in Wuppertal durchgeführten Voruntersuchungen sind bei der höchsten Dosis (20 W/kg) maximale Temperaturerhöhungen von weniger als 0,4 °C zu erwarten.

Folien des Vortrags liegen zum Download als PDF (1.604 kB) vor.

2.3 Expositionsanlage für extrazelluläre elektrophysiologische Ableitungen an der Netzhaut (Retina)

Herr Bahr stellt eine Expositionsanlage für extrazelluläre elektrophysiologische Ableitungen mit Glasselektroden an der Netzhaut (Retina) von Mäusen auf Basis eines Hohlleiters vor. Zur Exposition mit Feldern verschiedener Mobilfunkstandards (GSM-900, GSM-1800 und UMTS) sind zwei Hohlleiter-Resonatoren erforderlich. Die Befeldung der biologischen Probe erfolgt am Rand des Resonators im Maximum des magnetischen Feldes. Die Exposition bewegt sich im Bereich 0 – 20 W/kg. Das Feld ist im Bereich der Retina sehr homogen, was z. T. auf die kleinen Abmessungen der biologischen Probe zurückzuführen ist. Die räumliche Variabilität beträgt max. 6%. Die erwartete zeitliche Variabilität ist größer als die räumliche, das Feld wird während der gesamten Experimente gemessen und automatisch korrigiert. Kann der vorgesehene Wert nicht erreicht werden, wird das Experiment automatisch abgebrochen. Die Exposition der Proben erfolgt verblindet.

Folien des Vortrags liegen zum Download als PDF (918 kB) vor.

3 Einflüsse auf Gehirn, Kognition und Schlaf

3.1 Schlafstudien mit a) Probanden und b) Anwohnern einer Basisstation

Frau Danker-Hopfe und Herr Dorn stellen die beiden von der Charité Berlin durchgeführten Forschungsvorhaben a) "Untersuchungen an Probanden unter Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern von Mobiltelefonen" und b) "Untersuchung der Schlafqualität bei Anwohnern einer Basisstation - Experimentelle Studie zur Objektivierung möglicher psychologischer und physiologischer Effekte unter häuslichen Bedingungen" vor.

Einleitend gibt Frau Danker-Hopfe einen Überblick über Schlafstörungen und erläutert den Forschungsstand insbesondere hinsichtlich der Studien zu einem möglichen Einfluss von Mobilfunk-Basisstationen auf die Schlafqualität. In einigen Ländern wurden epidemiologische Studien und experimentelle Feldstudien zum Einfluss von Basisstationen auf den Schlaf durchgeführt. Dabei zeigte sich in einigen Fällen, dass subjektiv empfundene Schlafstörungen in der Nähe von Basisstationen häufiger vorkommen. Ein Zusammenhang mit elektromagnetischen Feldern konnte nicht gezeigt werden, da die Expositionsbestimmung unzureichend war.

a) Die im Rahmen des DMF durchgeführte Laborschlafstudie an 30 gesunden Probanden dient der Klärung der Frage dieses Zusammenhangs. Es wird das GSM-900 und das UMTS-Signal im Vergleich mit einer Scheinexposition im randomisierten doppelblinden cross-over Design untersucht. Jeder Proband wird jeweils 10 Tage und 10 Nächte untersucht. Zu den Endpunkten gehören der Schlafverlauf mittels EEG, die subjektive Schlafqualität und die kognitive Leistung. Die Datenerhebung erfolgte bereits für 21 Probanden.

b) In einer geplanten Feldstudie soll die Frage beantwortet werden, ob die Präsenz von Mobilfunkbasisstationen einen Einfluss auf den Schlaf von Anwohnern hat und ob die von Mobilfunkbasisstationen ausgehenden elektromagnetischen Felder einen Einfluss auf den Schlaf von Anwohnern haben. Hierzu wurde kürzlich eine Pilotstudie abgeschlossen, in der die notwendige Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern festgelegt, das Votum der Ethikkommission eingeholt und eine Literaturstudie erstellt wurde. In der Hauptphase werden allgemeine anamnestiche Daten, subjektive Daten zur Schlafqualität (Fragebogen) und objektive Daten zur Schlafqualität (EEG) erhoben und mit der individuellen Exposition verglichen. Es wird für jeden Probanden am Kopfende des Bettes eine Messung der Mobilfunk-Signale und zusätzlich eine frequenzselektive Übersichtsmessung im Frequenzbereich 30 MHz - 3 GHz je Probandenhaushalt durchgeführt.

Die Präsentation steht zum Download als PDF (1.792 kB) zur Verfügung.

3.2 Untersuchung der Schlafqualität bei elektrosensiblen Anwohnern von Basisstationen unter häuslichen Bedingungen

Herr Leitgeb präsentiert die Studie "Untersuchung der Schlafqualität bei elektrosensiblen Anwohnern von Basisstationen unter häuslichen Bedingungen", die an der TU Graz durchgeführt wird. In der Studie soll der Frage nachgegangen werden, ob eine kausale Beziehung zwischen Schlafstörungen und EMF besteht, welcher EMF-Frequenzbereich wichtig ist, und welche Rolle eine subjektiv empfundene Elektrosensibilität spielt. Die Feldstudie wird unter häuslichen Bedingungen durchgeführt, es wird keine zusätzliche Exposition angewendet, sondern die vorhandenen Felder werden mit einem speziellen Stoff geschirmt (Schirmfaktor ca. 20 dB). In 10 Nächten werden physiologische Daten zur Erfassung der Schlafqualität erhoben. Die Schirmung erfolgt randomisiert und verblindet. Weder der Proband noch das Team, das die EEG-Daten auswertet, kennen die Expositionsbedingungen. Das Team vor Ort, das jeden Abend den Schirmstoff montiert und für die kontinuierliche nächtliche RF-Messung (80 MHz – 3 GHz, frequenzselektiv) sorgt, kennt die Exposition, dies lässt sich aus technischen Gründen nicht vermeiden. Bei den bereits durchgeführten Immissionsüberwachungen zeigte sich, dass der UKW-Bereich dominierte. Bis jetzt zeigten 350 Personen Interesse, an der Studie teilzunehmen. Drei Personen wurden im Rahmen einer durch die Forschungsgemeinschaft Funk (FGF) finanzierten Pilotstudie untersucht. Weitere 21 Personen nahmen an der österreichischen Studie teil, ein Bericht wird zum Jahresende erwartet. Im Rahmen des vom BfS finanzierten Teils der Studie wurden bisher 12 in Deutschland lebende Probanden vollständig untersucht, weitere 8 sind geplant. Insgesamt wurden 13 Männer und 23 Frauen untersucht, weitere 7 Testpersonen haben die Untersuchung vorzeitig abgebrochen. Der Gesundheitszustand und die subjektive Schlafqualität wurden mittels Fragebogen erfasst, zusätzlich wurden Reaktionszeiten und Elektrosensitivität gegenüber niederfrequenten Strömen gemessen. Nachts wurde mit dem Schlafstruktur-Registriergerät (Somnoscreen) das EEG (Elektroenzephalogramm), EOG (Elektrookulogramm) und ECG (Elektrokardiogramm) erfasst. Bei einigen Probanden konnte ein klarer Placebo-Effekt beobachtet werden, bei anderen nicht. Aus den präsentierten Daten wird abgeleitet, dass einige der Probanden verstärkt elektrosensitiv waren, obwohl dies kein Einschlusskriterium war. In diesem Zusammenhang wurden im Anschluss an den Vortrag auch ein möglicher Einfluss der Motivation und das Messverfahren zur Bestimmung der Elektrosensitivität diskutiert.

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4 Einflüsse auf neuronale Netzwerke und Sinnesorgane

4.1 Wirkungsmechanismen an Zellen unter Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern der Mobilfunktechnologie, Demodulation / Kommunikation

Herr Sakowski stellt den Stand der Experimente und erste Zwischenergebnisse des Forschungsvorhabens "Untersuchungen zu Wirkungsmechanismen an Zellen unter Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern der Mobilfunktechnologie, Demodulation / Kommunikation" vor, das an der Universität Rostock durchgeführt wird. Im Rahmen dieses Vorhabens werden drei experimentelle Schwerpunkte bearbeitet:

I. Einfluss von EMF auf neuronaler Netzwerke

Nervenzellen aus dem frontalen Kortex von Mäuseembryonen werden auf Mikrochips kultiviert und in einem Rechteckhohlleiter mit CW EMF und UMTS bei 2 GHz exponiert, wobei für ersteres sowohl ein Laufwellenmodus (mit Feldgradienten) als auch ein Stehwellenmodus (mit homogenem Feld) gewählt werden kann. Zunächst wurde die direkte Feldwirkung auf das Medium und die Sensoren untersucht, hierbei zeigte sich, dass das Feld in die Sensoren einkoppelt und z. B. im p-n-Übergang der Temperaturdiode zu einem zusätzlichen feldstärkeabhängigen Stromdichteanteil führt. Dieser Effekt manifestiert sich als Sprungverhalten im registrierten Temperaturverlauf. Als indirekter Effekt zeigte sich der Temperaturanstieg infolge der Feldabsorption durch den Silizium-Mikrochip. Weiter wurde die neuronale Aktivität unter Feldeinfluss bei stufenweise anwachsender Leistung sowie bei unterschiedlichen ein/aus-Regimes untersucht. In einigen Fällen schien die Zellaktivität mit der Expositionsleistung zu korrelieren, in anderen nicht. Die Frage, ob es eine direkte Einwirkung gibt, konnte aufgrund dieser erst vorläufigen Ergebnisse nicht beantwortet werden. Bei neuronalen Netzwerken handelt es sich um schwingende Systeme, deren Aktivität auch ohne äußere Einflüsse zyklisch variieren kann. Im weiteren Verlauf sollen längere Messreihen zur Prüfung der Reproduzierbarkeit der vorliegenden Daten, auch im Vergleich mit der Langzeitaktivität nicht exponierter Zellen durchgeführt werden. Weiterhin ist eine Auswertung der Aktivitätsspektren durch Fourieranalyse und die Erweiterung der Expositionsversuche mit UMTS geplant. Diskutiert wurde unter anderem der Einfluss der Mikrochips auf die Feldverteilung und die Schwierigkeiten, die daraus für die Dosimetrie resultieren.

II. Exposition von Zellsuspensionen in koaxialen Fluidkammern

Eine kombinierte Expositions- und Messkammer für Zellsuspensionen im GHz-Bereich ist in der Testphase. Über Hochfrequenzrelais kann zwischen einem Expositionszweig (bis maximal 10 W bei 1 bis 3 GHz) und einem Impedanzmesszweig (bis 1.8 GHz) zur Bestimmung dielektrischer Eigenschaften der Zellsuspension und im niederfrequenten Bereich für das Suspensionsfluid wahlweise selektiert werden. Es soll die Frage beantwortet werden, ob zusätzliche feldinduzierte kinetische Prozesse in diesem Frequenzbereich existieren. Das idealisierte Leitungsmodell soll durch eine frequenzabhängige Abschlussimpedanz und einen frequenzabhängigen Wellenwiderstand des notwendigen koaxialen Zwischenstücks mittels zusätzlicher Kalibrierschritte für GHz-Frequenzen verbessert werden. Der Test des kombinierten Expositions- und Messaufbaus an Standardsuspensionen und die Registrierung der Kinetik möglicher Transportprozesse durch die Zellmembran in Abhängigkeit von Feldstärke und Expositionszeit im Vergleich zu den Zeitabläufen ohne EMF sind als nächste Schritte geplant. Aus dem Teilnehmerkreis wurde zu diesem Thema eine engere Zusammenarbeit mit Hochfrequenztechnikern des Mobilfunkprogramms vorgeschlagen.

III. Dielektrische Spektroskopie an Einzelzellen (Elektrorotation) in Mikrostrukturkammern

Chipträger für mikrostrukturierte Elektrorotationskammern wurden in Streifen- und Koaxialleitertechnik entwickelt. Das elektrische Drehfeld wird mittels Leitungen unterschiedlicher Länge, die zur Elektrorotationskammer führen, erzeugt. Die Frequenzbereiche für die bestmögliche Rotationssymmetrie des Drehfeldes wurden durch Messung der komplexen Wechselspannung an den Leitungsabschlüssen der Chipträger ermittelt. Als nächster Schritt folgen Testmessungen zur Elektrorotation von roten Blutzellen bei 0.4 GHz, 1.2 GHz, 2.0 GHz und 2.8 GHz in der 4-Elektroden-Mikrostrukturkammer der Fa. GeSim.

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4.2 Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder der Mobilfunkkommunikation auf Sinnesorgane - Das visuelle System

Herr Ammermüller präsentiert das Forschungsvorhaben "Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder der Mobilfunkkommunikation auf Sinnesorgane - Das visuelle System", das an der Universität Oldenburg durchgeführt wird. Es wird die Frage untersucht, ob hochfrequente elektromagnetische Felder (HF-EMF) Einfluss auf die neuronale Tätigkeit der Netzhaut haben. Als Modell dient die explantierte Retina von Mäusen. Dieses Modell ist sehr gut geeignet, um Einflüsse von EMF auf neuronale Netzwerke zu untersuchen, da die Retina in ihrer Grundstruktur dem Gehirn ähnelt und viele Synapsen und Gap-Junctions enthält, die beeinflusst werden könnten. Die Struktur der Retina mit den entsprechenden Zelltypen und Schichten wird vorgestellt. Die Retina wird im Hohlleiter in einer Durchflusskammer positioniert und kontinuierlich bei 35 °C gehalten. Extrazelluläre Ableitungen von einzelnen Zellen erfolgen mit Glaselektroden in der Ganglienzellschicht. Ganglienzellen sind die den Sinneszellen und Interneuronen nachgeschalteten Ausgangsneurone der Retina, die mit einer Aktivitätssteigerung auf Licht (On-Zellen) oder Dunkelheit (Off-Zellen) reagieren. Die Retina wird kontinuierlich mit schwachen Lichtblitzen gereizt, um den Adaptationsstatus konstant zu halten. In regelmäßigen Abständen vor, während und nach einer Exposition mit EMF (GSM-900, GSM-1800 und UMTS, 0 – 20 W/kg) wird eine Testserie von Lichtblitzen mit steigender Intensität gegeben und die Antworten registriert. Um diese Messreihen durchzuführen, wird das Feld für 2 min abgeschaltet, da sonst bei 20 W/kg und 2 W/kg durch Einkopplung des Feldes in die Elektroden Artefakte entstehen, die die Messung beeinträchtigen und auch die Blindung unmöglich machen. Bei niedrigeren Feldstärken sind die Artefakte nicht sichtbar. Es werden die Nervenimpulsraten und die Antwortlatenzen ausgewertet. Diese Parameter sind stark temperaturabhängig, d. h. die Latenz verkürzt sich und die Nervenimpulsrate steigt mit zunehmender Temperatur. Diese Abhängigkeit ist gut untersucht. Die aktuelle Temperatur des Präparates wird während der Experimente gemessen und auf 35 °C geregelt. Bei 20 W/kg dauert es nach Ein- und Ausschalten des Feldes einige Minuten, bis sich diese Temperatur eingestellt hat.

Folien des Vortrags liegen zum Download als PDF (4.902 kB) vor.

4.3 Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder der Mobilfunkkommunikation auf Sinnesorgane. Das Hörsystem

Frau Engel und Herr Münkner von der Universität Tübingen stellen das Forschungsvorhaben "Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder der Mobilfunkkommunikation auf Sinnesorgane, Das Hörsystem" vor. Als erstes wird eine Übersicht über das Hörsystem und bisher vorliegende Veröffentlichungen zum Zusammenhang zwischen Mobilfunk und Gehör präsentiert. Dabei zeigt sich, dass bisher ausschließlich otoakustische Emissionen und Hirnstammpotentiale untersucht wurden, wobei einige Arbeiten keinen Effekt finden, andere zwar Effekte beschreiben, aber in sich nicht konsistent sind oder mangelhafte Methoden und Dosimetrie aufweisen. Es gibt bisher keine elektrophysiologischen oder psychoakustischen Untersuchungen zu diesem Thema. Im vorliegenden Vorhaben soll die Frage beantwortet werden, ob EMF einen Einfluss auf Kalziumkanäle der inneren Haarzellen (Hörsinneszellen) haben. Dafür werden vor, während und nach einer 20-minütigen Exposition "patch-clamp"-Ableitungen an inneren Haarzellen von explantierten Cortischen Organen von Mäusen durchgeführt. Ableitdauern von bis zu 40 min sind möglich. Es werden GSM-900 und GSM-1800 sowie UMTS-Signale im Bereich von 0 – 20 W/kg verwendet. Die Ableitungen erfolgen randomisiert und verblindet, die Temperatur wird laufend gemessen. Bei Vorversuchen an dem physiologischen Aufbau wurde festgestellt, dass bei der höchsten Exposition Artefakte im Messsignal durch Demodulation des HF-Feldes im nicht gegen HF-Felder abgeschirmten Vorverstärker auftreten. Diese sollen durch eine Vergrößerung der Entfernung zum exponierten Bereich bzw. durch HF-Abschirmung des Vorverstärkers behoben werden.

Folien des Vortrags liegen zum Download als PDF (2.700 kB) vor.

4.4 Möglicher Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung des Mobilfunks auf das Auslösen und den Verlauf von Phantomgeräuschen (Tinnitus)

Frau Knipper und Herr Rüttiger stellen das gerade erst begonnene Forschungsvorhaben "Möglicher Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung des Mobilfunks auf das Auslösen und den Verlauf von Phantomgeräuschen (Tinnitus)" vor, das am Hörforschungszentrum Tübingen durchgeführt wird. Am Rattenmodell wird untersucht, ob hochfrequente elektromagnetische Felder (EMF) Tinnitus auslösen können. Hierzu wurde ein Verhaltenstest entwickelt, bei dem die Ratten in speziellen Versuchskammern, sog. Skinner-Boxen, konditioniert werden, bei Stille auf einer Plattform zu sitzen. Hören sie Geräusche, dürfen sie herumlaufen und sich mit Zuckerwasser selbst belohnen. Derart dressierte Ratten zeigen aktives Laufverhalten bei tatsächlich vorhandenen Geräuschen, aber auch wenn durch eine hohe Dosis von Salicylat Phantomgeräusche induziert werden, d. h. die Induktion von Phantomgeräuschen steigert die Aktivität der Tiere auch bei tatsächlicher Stille. Das Verhalten gegenüber optischen Reizen und die gesamte Motorik bleiben unbeeinflusst. Der durch Salicylat verursachte Tinnitus ist vorübergehend und klingt wieder ab. Parallel zu Phantomgeräuschen induziert Salicylat Veränderungen in der Expression aktivitätsabhängiger Gene im Gehirn. Auch diese Veränderungen werden nach Exposition mit EMF untersucht. Geplant ist eine lokale Exposition frei beweglicher Ratten mit einem GSM-900-Signal bei SAR-Werten von 0 – 20 W/kg. Die Tiere werden 2 Stunden täglich, 5 Tage die Woche, vier Wochen lang befeldet. Pro Gruppe werden 16 Tiere getestet. Dies ist ausreichend, um signifikante Resultate zu bekommen. Die Verhaltenstests werden vor, während und nach dieser Zeit durchgeführt, um zu überprüfen, ob Tinnitus induziert wurde und wieder abgeklungen ist.

Folien des Vortrags liegen zum Download als PDF (2.286 kB) vor.

5 Allgemeine Diskussion

In der Diskussion wurde betont, dass sich die Qualität der Dosimetrie bei den Untersuchungen von Einflüssen von EMF auf biologische Systeme im Laufe der letzten Jahre deutlich verbessert hat. Inzwischen kommt die Dosimetrie mit ihren technischen Möglichkeiten bei einigen Fragestellungen an die Grenze des Machbaren. Eine wesentlich bessere Auflösung von Messungen ist nicht mehr möglich, da die Sonden für Feldstärke und Temperatur nicht weiter verkleinert werden können. Auch die Genauigkeit der Berechnungen kann nicht mehr wesentlich verbessert werden. Die Inhomogenität der biologischen Präparate, die physiologischen Messgeräte oder die Bewegungen frei laufender Tiere beeinflussen das Feld, das nicht homogen bleibt. Diese Inhomogenität sowie zeitliche und räumliche Schwankungen und damit verbundene Ungenauigkeit und oft auch sehr kleine und somit kaum messbare Temperaturschwankungen bleiben und müssen akzeptiert werden.

Weiterhin wurden die durch Felder verursachten Störungen der elektrophysiologischen Messgeräte diskutiert. Da diese Störungen von Fall zu Fall unterschiedliche Ursachen haben, müssen jeweils einzelne technische Lösungen gesucht werden. Eine generelle Empfehlung hierzu gibt es nicht.

Abschließend wurden sehr kleine thermische Effekte und deren physiologische Konsequenzen diskutiert. Es wurde festgestellt, dass eine geringe Erwärmung an sich auch physiologisch entstehen kann, und dies keine negativen Konsequenzen nach sich zieht. Eine Erwärmung, die durch EMF verursacht wird, könnte physiologische Regulationsmechanismen anstoßen und das Verhalten beeinflussen. Dies wäre – unabhängig von der Frage gesundheitlicher Relevanz - als biologischer Effekt messbar.

6 Expositionsanlagen für tierexperimentelle Studien

6.1 Expositionsanlage für Langzeitstudien mit frei beweglichen Mäusen

Frau Reinhardt (Universität Wuppertal) stellt die in den Langzeitstudien mit Mäusen verwendeten Expositionsanlagen vor. In dieser Art von Studien müssen sich die Tiere frei im Käfig bewegen können. Wesentlich ist eine homogene Feldverteilung im Expositionsbereich. Zudem muss die für die Studie berechnete notwendige Tierzahl untergebracht werden. In den realisierten und in mehreren Projekten verwendeten Expositionsanlagen sind die Tierkäfige auf einer Zylinderfläche um eine zentrale Antenne angeordnet. Grundwellentyp ist eine TEM-Welle, die sich in der radialen Wellenleitung ausbreitet. Durch ideal leitfähige Stege zwischen den Käfigbereichen wird verhindert, dass sich höhere Moden ausbreiten können, und die Käfigbereiche werden entkoppelt. Da die Expositionskammern elektromagnetisch ausgezeichnet abgeschirmt sind, können Expositionsgruppen und Kontrollen im gleichen Raum untergebracht werden, was sicherstellt, dass die Umgebungsbedingungen gleich sind. Schwankungen der Ganzkörper-SAR in den Tieren liegen letztlich im Bereich von +/- 40% (GSM-900) bzw. +/- 50% (UMTS). Diese Schwankungen sind in erster Linie durch die frei beweglichen Tiere im Käfig bedingt, und lassen sich zwar bestimmen, aber nicht weiter minimieren. Diskutiert wurde die Frage, inwieweit die für GSM-Signale bei 900 MHz konzipierten Expositionsanlagen bei höheren Frequenzen (beispielsweise 2 – 10 GHz) verwendet werden können. Im Gegensatz zu den älteren Expositionsanlagen mit 4 m Spannweite, bei denen die Leitungshöhe für eine Expositionsfrequenz von 2000 MHz reduziert werden musste, ist das bei den neuen Expositionsanlagen, die für das aktuelle UMTS-Langzeitprojekt eingesetzt werden, aufgrund des geänderten Designs nicht notwendig. Die Aufweitung der Leitung vom einwelligen Bereich mit einem Plattenabstand von 6 cm auf den notwendigen Plattenabstand von 17 cm im Käfigbereich wird durch einen konischen Übergang realisiert, so dass die Anregung unerwünschter, höherer Wellentypen mit einer Variation des Feldes in vertikaler Richtung von vornherein vermieden wird.

In den hier durchgeführten Studien wurde das Wohlbefinden der Tiere durch die reduzierte Käfighöhe nicht beeinflusst.

Folien des Vortrags liegen zum Download als PDF (1.318 kB) vor.

6.2 Expositionsanlage für Langzeitstudien mit frei beweglichen Ratten

Herr Tejero (TU München) stellt ein Konzept zur Langzeitexposition vor, das in der in München durchgeführten Mehr-Generationen-Studie an Ratten verwendet wird. Auch hier erfordert das Studiendesign die durchgehende Befeldung einer großen Zahl frei beweglicher Tiere über einen langen Zeitraum bei möglichst hoher Feldhomogenität. In diesem System werden Parabolspiegel verwendet, die eine von einem Primärstrahler ausgesendete sphärische Wellenfront in eine planare Welle umwandeln und auf die gegenüber dem Parabolspiegel stehenden Käfige reflektieren. Die in den Käfigen gemessenen Leistungsflussdichten sind vom Standort des Käfigs abhängig, genutzt werden die 40 besten Käfigpositionen mit den größten SAR-Werten, die auch zu einer deutlich geringeren Standabweichung führen. Schwankungen der Ganzkörper-SAR gehen hauptsächlich auf Größe und Verhalten der Tiere zurück und sind mit dem unter 6.1 vorgestellten System vergleichbar. Die Expositionsanlagen sind in geschirmten, mit Absorbermaterial ausgekleideten Kammern untergebracht. GSM- und UMTS-exponierte Tiere sowie die Kammer mit den Kontrollen befinden sich im gleichen Raum. Eine Beeinflussung durch externe Felder des nahe gelegenen Fernseh- und Radiosenders ist durch die Schirmung der Kammern ausgeschlossen.

Folien des Vortrags liegen zum Download als PDF (889 kB) vor.

Hierzu bereits vorliegende Publikation:
Tejero, S., Schelkshorn, S, Detlefsen,J. (2005) Concept for the controlled plane wave exposure for animal experiments using a parabolic reflector, Advances in Radio Science 3, 233-238.

7 Tierexperimentelle Studien zu chronischen Effekten

7.1 Langzeitstudie an Labornagern mit UMTS-Signalen (Fortpflanzung und Entwicklung

Nach dem technischen Teil stellt Herr Lerchl zunächst das Design der Langzeitstudie mit UMTS-Signalen zu den Endpunkten Vermehrungsfähigkeit und Entwicklung an C57/BL6-Mäusen vor. Die für diese Studie verwendete Expositionsanlage wurde unter Punkt 1 beschrieben. Zu den erfassten Parametern gehören Wurfgröße, Resorptionen, Frühgeburten, Fehlbildungen, Entwicklungsparameter wie Augenöffnung und Reflexe, Gewicht sowie Spermienzahl und Spermienmorphologie. Die Studie ist in der Aufbau- bzw. Durchführungsphase, Ergebnisse liegen noch nicht vor.

In der Diskussion wird die Frage angesprochen, inwieweit regelmäßiges Wiegen und Untersuchen der Tiere als Stressor wirken und u. U. die untersuchten Parameter negativ beeinflussen könnte. Herr Lerchl erläutert, dass die Tiere an das Wiegen gewöhnt sind und immer von den gleichen Personen betreut werden, so dass Stress minimiert wird.

Folien des Vortrags liegen zum Download als PDF (104 kB) vor.

7.2 Beeinflussung der spontanen Leukämierate bei AKR/J-Mäusen durch hochfrequente elektromagnetische Felder

Anschließend werden von Herrn Lerchl die Ergebnisse der abgeschlossenen Studien zum Einfluss chronischer Befeldung mit GSM oder UMTS-Signalen (SAR 0.4 W/kg) auf ein Leukämiemodell (AKR-J-Mäuse) präsentiert. Weder durch die lebenslange Befeldung mit GSM-Signalen noch durch die lebenslange Befeldung mit UMTS-Signalen wurden die Überlebensrate oder die Entwicklung von Lymphomen in den exponierten Tieren gegenüber den scheinexponierten Kontrollen negativ beeinflusst. Bei den UMTS-befeldeten Tieren zeichnete sich am Ende des Studienzeitraums eine leicht erhöhte Überlebensrate ab. Auch im Blutbild zeigten sich gegenüber den Kontrollen keine Unterschiede. Der einzige statistisch signifikante Effekt bei den GSM-befeldeten Tieren betrifft eine gegenüber den Kontrollen erhöhte relative Gewichtszunahme, ein Effekt, der bei den UMTS-exponierten Tieren nicht auftrat. Da die hier durchgeführten Studien nicht darauf angelegt waren, Unterschiede z. B. in der Futteraufnahme oder im Metabolismus systematisch zu erfassen, wäre die Ursache dieser Gewichtszunahme ggf. in einem gesonderten Projekt näher abzuklären. Zu letzterem Punkt wird aus dem Teilnehmerkreis vorgeschlagen, Untersuchungen bei erniedrigten Temperaturen durchzuführen.

Folien des Vortrags liegen zum Download als PDF (745 kB) vor.

Hierzu bereits vorliegende Publikation:
Sommer, AM, Streckert, J., Bitz, A., Hansen, V., Lerchl, A. (2004) No effects of GSM-modulated 900 MHz electromagnetic fields on survival rate and spontaneous development of lymphoma in female AKR/J mice, BMC Cancer 4: 77
Article URL : http://www.biomedcentral.com/1471-2407/4/77

7.3 Langzeituntersuchungen unter Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern der Mobilfunkkommunikation

Frau Engmann und Herr Stohrer (LMU München) stellen die Studie "In vivo Experimente unter Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern der Mobilfunkkommunikation A. Langzeituntersuchungen" vor. Untersucht werden mögliche Auswirkungen einer chronischen Befeldung von drei Ratten-Generationen mit GSM-900 bzw. UMTS-Signalen auf Kognition (Lern- und Gedächtnisleistung), Stressgeschehen, Immunsystem sowie auf die Blut-Hirn-Schranke. Die Lern- und Gedächtnisleistung wird mit Hilfe automatisierter operanter Verhaltenstests mit ansteigenden Lernanforderungen ermittelt. In Vorversuchen wurde gezeigt, dass mit dem verwendeten System Unterschiede in der Lern- und Gedächtnisleistung zwischen Tieren, die in einer anregenden Umgebung gehalten werden ("enriched") und einzeln gehaltenen Tieren ("depriviert") nachgewiesen werden können. Zielgrößen für mögliche Auswirkungen einer Langzeitexposition mit HF-Signalen der Mobilfunktechnologie auf Stress und Immunsystem sind die ACTH-stimulierte Corticosteronfreisetzung, die antigeninduzierte Immunantwort (IgG-Antikörperproduktion) sowie das Differentialblutbild. Auf diesem Teilgebiet wurden notwendige Vorversuche zur Auswahl des geeigneten Narkosemittels durchgeführt, da abgeklärt werden musste, inwieweit die Narkose der Tiere selbst einen Stressor darstellt.

Folien des Vortrags liegen zum Download als PDF (212 kB) vor.

Mögliche Auswirkungen auf die Blut-Hirn-Schranke (BHS) werden durch die Messung der unidirektionalen Influxkonstante (Kin, Messung des Übertritts von Substanzen in eine Richtung) mit Hilfe des Übertritts eines radioaktiv markierten Zuckers (14C-markierte Saccharose) aus dem Blut bestimmt. Um die Sensitivität zu erhöhen, d. h. auch schwache Effekte erfassen zu können, wird die Blut-Hirn-Schranke experimentell geschwächt ("Challenge"). Damit unterscheiden sich diese Untersuchungen von allen bisher publizierten Studien bezüglich eines Einflusses von EMF auf die BHS, die widersprüchliche Ergebnisse erbrachten. Die quantitative Erfassung der Integrität der BHS als Kin ermöglicht eine spätere statistische Beurteilung der Ergebnisse, die infolge der Einführung der Challenge-Bedingungen auch geringfügige Schädigungen der BHS aufzeigen. Des Weiteren werden besonders empfindliche Nervenzellen (CA1-Neurone des Hippokampus (=Teil des Gehirns)) quantitativ stereologisch untersucht.

Die Durchführung dieser Studie ist verzögert, da das ursprünglich vorgesehene Expositionskonzept nicht realisierbar war und ein alternatives Konzept entwickelt und aufgebaut werden musste (siehe Punkt 6.2). Ergebnisse liegen noch nicht vor.

Folien des Vortrags liegen zum Download als PDF (808 kB) vor.

8 Expositionsanlagen für Zellkulturstudien (in vitro)

8.1 Expositionsanlagen für Zellkulturstudien an a) isolierten Pinealdrüsen und b) Zellen der Blut-Hirn-Schranke (BHS)

Herr Bitz (Universität Wuppertal) stellt die Expositionsanlagen für die Projekte zur Untersuchungen der Melatoninsynthese in isolierten Pinealdrüsen und zur Untersuchung der differentiellen Genexpression in einem in vitro-Modell der Blut-Hirn-Schranke vor. Die Systeme müssen eine verblindete, homogene Exposition mehrerer Proben sowie der scheinexponierten Kontrollen in identischen Expositionskammern im gleichen (Inkubator) unter Erfassung von Feld- und Temperaturverläufen ermöglichen. Die Unterbringung im gleichen Inkubator erfordert eine hohe elektromagnetische Entkopplung der Expositionskammern, damit eine gegenseitige Beeinflussung ausgeschlossen ist. Auch hier wird das unter Punkt 6.1 für die tierexperimentellen Studien beschriebene Prinzip der radialen Wellenleitung zugrunde gelegt, bei der die Proben im Kreis um die zentrale Antenne herum angeordnet sind. Die Variationen der über die Pinealdrüse gemittelten SAR-Werte beträgt aufgrund ihrer möglichen unterschiedlichen Position bzw. Ausrichtung im Probengefäß maximal +/- 15% (Pinealdrüsen befeldet mit GSM-1800, SAR = 8, 80, 800 mW/kg). Bei der Exposition der BHS-Zellen liegt die Standardabweichung der SAR-Werte auf dem Boden der Kulturschale unter +/- 28% (Endothelzellen der Blut-Hirn-Schranke befeldet mit generischem UMTS-Signal, SAR = 0.4, 1, 3 und 8 W/kg).

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8.2 Expositionsanlage für das Projekt "Differentielle Genexpression"

Herr Bahr (IMST) beschreibt die noch im Aufbau befindliche Expositionsanlage für das Projekt "Einfluss von GSM-Signalen auf isoliertes menschliches Blut. B. Differentielle Genexpression", das vom Fraunhofer ITEM in Hannover durchgeführt wird. Verwendet wird ein nach Schuderer et al. [2002] angepasstes System, bei dem das biologische Probenmaterial mit einem GSM-1800-Signal mit den SAR-Werten 0 (Scheinexposition), 0.2, 2 und 10 W/kg exponiert werden kann. Hierfür werden die Proben auf 4 Hohlleiterresonatoren aufgeteilt, die jeweils 12 Petrischalen fassen. Bisher wurde die Expositionseinrichtung auf Basis von Hohlleiterresonatoren entwickelt und charakterisiert sowie die SAR-Verteilungen in den Petrischalen mit und ohne Berücksichtigung des Meniskus modelliert. Innerhalb einer Petrischale ergeben sich Standardabweichungen in der SAR-Verteilung von ca. 40% (ohne Meniskus), während die Abweichungen zwischen den Petrischalen untereinander gering sind. Bei diesem Vortrag ergab sich eine Diskussion über die Notwendigkeit einer verblindeten Befeldung der Proben. Sinn einer Verblindung ist die Verhinderung einer durch die Kenntnis der Herkunft der Probe (exponiert oder Kontrolle) beeinflussten Auswertung. Angesichts der hoch automatisierten und softwaregesteuerten Methodik der Studie (siehe Punkt 9.5 Vortrag Halter), durch die sich das Risiko einer subjektiven Auswertung erübrigt, sieht der Forschungsnehmer bisher keine verblindete Exposition vor, zumal das Studiendesign erfordert, dass an einem bestimmten Punkt der Analysen Negativkontrollen und exponierte Proben eines Probanden einander zugeordnet werden müssen. Es wurde dennoch von mehreren Teilnehmern angemerkt, dass Ergebnisse einer Studie, die nicht so weit wie möglich verblindet wurde, angreifbar wären bzw. bei jeder Präsentation erheblicher Diskussionsbedarf ausgelöst würde. Wie weiter zu verfahren ist, wird mit dem Forschungsnehmer geklärt.

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9 In vitro-Studien zu Wirkmechanismen

9.1 Beeinflussung zellspezifischer Funktionen in Zellen des Immunsystems unter Exposition mit HF-Feldern der Mobilfunktechnologie

Frau Simkó stellt die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Beeinflussung zellspezifischer Funktionen in Zellen des Immunsystems unter Exposition mit HF-Feldern der Mobilfunktechnologie vor. Ein Schwerpunkt ist die Frage, ob die Produktion reaktiver Sauerstoffverbindungen (ROS) erhöht wird. Weiterhin wurden mögliche Auswirkungen auf Zellvermehrung, Überlebensfähigkeit der Zellen sowie die Genexpression untersucht. Eine Exposition mit 1800 MHz führte bei keiner der verwendeten Signalmodulationen und bei keiner der untersuchten Expositionsdauern bzw. on/off Szenarien in keinem der untersuchten Zelltypen zu einem Anstieg der ROS-Produktion oder zu einer erhöhten Expression des Stressproteins Hsp70 im Vergleich zur Brutschrank-Kontrolle. Allein im Vergleich mit der scheinexponierten Kontrolle zeigte sich in einem der untersuchten Szenarien (GSM-DTX, 2 W/kg in Mono-Mac-6 Zellen) ein signifikanter und reproduzierbarer Anstieg von ROS. Die Ursache für diesen Effekt, der nur im Vergleich mit dem scheinexponierten Ansatz, nicht jedoch im Vergleich mit der zweiten (Brutschrank-)Kontrolle auftrat, konnte bisher nicht geklärt werden. Die Analyse der Proteinprofile wird derzeit durchgeführt. Für diese Analysen war es nötig, Material von mehreren Individuen zu poolen, um genug Material (primäre Monozyten aus Nabelschnurblut) für die Analysen zu erhalten.

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Hierzu vorliegende Publikationen:

  • Simkó, M, Hartwig, C., Lantow, M, Lupke, M., Mattsson, M.-O., Rahman, Q, Rollwitz, J., Hsp70 expression and free radical release after exposure to non-thermal radio frequency electromagnetic fields and ultrafine particles in human Mono Mac 6 cells, Toxicology Letters 2005, Sep 6; [Epub ahead of print]
  • Lantow M., Schuderer, J., Hartwig, C., Simkó, M., Free radical release and Hsp70 expression in two human immune relevant cell lines after exposure to 1800 MHz radiofrequency radiation (accepted Rad. Res. 2005)

9.2 Einfluss von GSM-Signalen auf isoliertes menschliches Blut (Genotoxizität)

Frau Waldmann (Arbeitskreis molekulare Mechanismen umweltbedingter Genotoxizität-AMMUG) präsentiert das Studiendesign zur Untersuchung des Einflusses von GSM-Signalen auf isoliertes menschliches Blut bezüglich genotoxischer Endpunkte. In dieser Studie werden stimulierte Lymphozyten nach Exposition mit GSM-1800 (SAR-Werte = 0.2, 2, 10 W/kg) aus Vollblut von 20 Probanden aus zwei Altersgruppen auf DNA- und Chromosomenschäden untersucht. Die Auswertung der Tests (COMET, Mikrokerntest, Chromosomenaberrationstest, Schwesterchromatid-austausch) erfolgt codiert parallel in drei Prüflabors. Die Studie ist in der Aufbauphase, Zwischenergebnisse liegen noch nicht vor.

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9.3 In vitro-Experimente unter Exposition mit HF-Feldern der Mobilfunkkommunikation. C. Blut-Hirn-Schranke

Herr Franke (Universität Münster) gibt einen kurzen Überblick über Aufbau und Funktion der Blut-Hirn-Schranke und stellt den Stand der von ihm durchgeführten Studie "In vitro-Experimente unter Exposition mit HF-Feldern der Mobilfunkkommunikation. C. Blut-Hirn-Schranke" vor. Bisher wurde ein in vitro-Modell der Blut-Hirn-Schranke aus primären Kapillarendothelzellen aus Rattenhirn etabliert und charakterisiert. Das Vorgehen hierzu wird erläutert. Für die Charakterisierung des Zellmodells werden neben der morphologischen Beurteilung immuncytochemische Methoden verwendet, d. h. es werden bestimmte, für das Endothel der Blut-Hirn-Schranke typische Proteine mittels spezifischer Antikörper nachgewiesen (vWF-8, Vimentin, ZO-1, Occludin u. a.). Sobald der Aufbau des Expositionssystems abgeschlossen ist, wird mit der Exposition der Proben mit GSM- und UMTS-Signalen (SAR = 0.4, 1, 3 und 8 W/kg) begonnen und mögliche Veränderungen des Genexpressionsmusters mittels Affimetrix GeneChip RatGenome 230 2.0 Array analysiert. Die Genexpressionsanalysen werden zusammen mit dem IZKF der Universitätsklinik Münster, (Integrierte Funktionelle Genomik) durchgeführt. Es wird kurz die Frage von Mischkulturen diskutiert, z. B. die mögliche Einbeziehung von Astrocyten (sternförmige Stützzellen im Gehirn). Herr Franke legt dar, dass in einer solchen Mischkultur nicht mehr zu ermitteln wäre, auf welche Zellen ggf. festgestellte Veränderungen der Genexpressionsmusters zurückgehen. Das hier gewählte Modell bietet den Vorteil einer homogenen Kultur, die dennoch die wesentlichen Charakteristika der Blut-Hirn-Schranke aufweist.

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9.4 Untersuchungen zu Wirkungsmechanismen an Zellen unter Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern der Mobilfunktechnologie. B. Pinealdrüse

Herr Lerchl (IU Bremen) stellt die Ergebnisse der bis auf den Abschlussbericht abgeschlossenen Studie zur Untersuchung der Wirkung von HF-Feldern auf isolierte Pinealorgane vor. Ziel der Arbeit war die Überprüfung der so genannten "Melatoninhypothese". Diese besagt, dass hochfrequente elektromagnetische Felder die Melatoninsynthese unterdrücken, also die Erniedrigung der Melatoninfreisetzung bewirken, und damit einen relevanten Abwehrmechanismus gegenüber reaktiven Sauerstoffverbindungen schwächen. In der Studie wurden stimulierte isolierte Pinealorgane von Djungarischen Hamstern für 7 Stunden mit GSM-1800 MHz (cw und pulsmoduliert) exponiert bei SAR-Werten von 0,008, 0,080, 0,8 und 2.7 W/kg. Die Melatoninkonzentrationen wurden radioimmunologisch bestimmt. Unterhalb von 0,8 W/kg waren keine Unterschiede zwischen exponierten Proben und Kontrollen festzustellen, bei 0,8 W/kg wurde eine Erhöhung der Melatoninfreisetzung beobachtet. Bei 2.7 W/kg waren die Melatoninspiegel bei der Exposition mit dem cw-Signal erhöht, bei Exposition mit dem pulsmodulierten Signal vermindert. Im verwendeten in vitro-Versuchssystem führte die Befeldung mit 2.7 W/kg zu einem Temperaturanstieg von 1,2 °C, so dass thermische Effekte angenommen werden. Die Ergebnisse der Studie stützen die Melatoninhypothese nicht.

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Hierzu vorliegende Publikation:
Sukhotina I., Streckert, J., Bitz, A., Hansen, V., Lerchl, A. (2005) 1800 MHz electromagnetic field effects on melatonin release from isolated pineal glands, Journal of pineal research, accepted.

9.5 Einfluss von GSM-Signalen auf isoliertes menschliches Blut (Differentielle Genexpression).

Herr Halter (Fraunhofer ITEM, Hannover) präsentiert das Studiendesign zur Untersuchung des Einflusses von GSM-Signalen auf isoliertes menschliches Blut bezüglich des Endpunktes "differentielle Genexpression". Der Schwerpunkt der Studie liegt auf der Erstellung von Genexpressionsprofilen mittels Microarrays (Affymetrix Human Genome U133 Plus 2.0 array). Die Analysen dienen dem Nachweis von HF-induzierten Veränderungen des Genexpressionsmusters in Lymphozyten von Probanden zweier Altersgruppen nach Exposition mit GSM-1800 (SAR-Werte = 0.2, 2, 10 W/kg). Anhand der Microarray-Daten werden bis zu 20 reproduzierbar veränderte Gene ausgewählt und die Expressionsveränderungen mit RT-PCR überprüft. 10 verändert exprimierte Gene sollen darüber hinaus auf Proteinebene weiter analysiert werden. Herr Halter stellt ausführlich die Methodik der Genexpressionsanalysen mittels Mikroarrays vor. Der verwendete Genchip enthält das Expressionsprofil des menschlichen Genoms mit über 47.000 Transkripten und Transkriptvarianten. Die Analysen dieses komplexen Musters erfolgen automatisiert unter Nutzung einer speziellen Computersoftware. Eine möglicherweise durch Kenntnis der Probenherkunft beeinflussbare Auswertung "per Auge" durch den Experimentator entfällt. (s. Diskussionspunkt zu 8.2 – Verblindung der Probenexposition). Ziel der durchzuführenden Clusteranalysen ist die Identifizierung von Netzwerken verändert regulierter, physiologisch relevanter Gene. Die Studie befindet sich in der Aufbauphase, Zwischenergebnisse liegen noch nicht vor. In der Diskussion wird die möglicherweise hohe individuelle Streuung angesprochen. Durch die Auswahl der Probanden (Schüler und Lehrer derselben Schule, ausführliche Befragung bezüglich Gesundheit, Ernährung, Sport etc.) wird ein möglichst homogenes Kollektiv angestrebt. In den individuellen Analysen stellt jeder Proband seine eigene Negativkontrolle (s. auch Diskussion unter 8.2 zur Frage der verblindeten Exposition).

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10 Allgemeine Diskussion

In der angesichts von zwei sehr kompakten und intensiven Kolloquiumstagen kurzen Abschlussdiskussion wird die Frage nach Sinn und Notwendigkeit der Wiederholung (Replikation) und Überprüfung von Studien aufgeworfen, die zwar ggf. in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit erregen, fachlich aber z. T. kritisch betrachtet werden. Aus Sicht des BfS muss vorliegenden Hinweisen auf möglicherweise relevante biologische Effekte nachgegangen werden. Zweck des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms (DMF) ist es, Unsicherheiten in der wissenschaftlichen Bewertung bei der Beurteilung möglicher Auswirkungen von Mobilfunkfeldern auf die menschliche Gesundheit zu vermindern. u. a. durch die für dieses Programm eingerichtete Internet-Seite www.emf-forschungsprogramm.de sollen Informationen über die laufenden wissenschaftlichen Arbeiten der interessierten Öffentlichkeit verfügbar gemacht werden. Hierzu leisten die Forschungsnehmer im DMF mit ihren Zwischen- und Abschlussberichten einen wertvollen Beitrag.

Das Kolloquium bot eine gute und von den Teilnehmern positiv eingeschätzte Gelegenheit, den Stand der Projekte darzustellen, mögliche Probleme anzusprechen und sich gegenseitig persönlich kennen zu lernen, um den Erfahrungsaustausch zwischen den Arbeitsgruppen zu fördern.

Die Fachbetreuerinnen aus dem Bereich Biologie bedanken sich bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kolloquiums für die ausgesprochen offene und konstruktive Diskussion.