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Bundesamt für Strahlenschutz, Neuherberg, 02.08.2006
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Teilnehmer/innen
(alphabetisch)
Dr.
med. Christine Aschermann, Nervenärztin und
Psychotherapeutin, Ärzteinitiative Freiburger Appell
Dr.
rer. nat. Monika Asmuß, Bundesamt für Strahlenschutz
Dr.
rer. nat. Cornelia Baldermann, Bundesamt für Strahlenschutz
Dr.
med. Axel Böttger, Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit
Dr.
Ing. Christian Bornkessel, IMST GmbH
Dr.
rer. nat. Jutta Brix, Bay. Staatsministerium für
Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz
PD
Dr. med. Norbert Dahmen, Psychiatrische Klinik und Poliklinik
Universität Mainz
Prof.
Dr. rer. nat. Heidi Danker-Hopfe, Klinik und Hochschulambulanz
für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Berlin –
Campus Benjamin Franklin
Dr.
rer. nat. Anne Dehos, Bundesamt für Strahlenschutz
Barbara
Dohmen, Ärztin für Umweltmedizin,
Ärzteinitiative Freiburger Appell
Dr.
med. Horst Eger, Arzt für Allgemeinmedizin, Ärztlicher
Qualitätszirkel Elektromagnetische Felder in der Medizin –
Diagnostik, Therapie, Umwelt
Prof.
Dr. med. Thomas Eikmann, Zentrum für Klinische
Umweltmedizin, Universität Gießen
Dr.
med. Franziska Goetze, Bundesamt für Strahlenschutz
Prof.
Dr. phil. nat. Dr. med. Andreas Kappos, Ausschuss Gesundheit und
Umwelt der Bundesärztekammer
PD
Dr. rer. hum. biol. Michaela Kreuzer, Bundesamt für
Strahlenschutz
Dipl.
Ing. Rüdiger Matthes, Bundesamt für Strahlenschutz und
Mitglied bei ICNIRP e.V.
Dr.
rer. hum. biol. Martin Meyer, Bevölkerungsbezogenes
Krebsregister Bayern, Registerstelle
Prof.
Dr. med. Dennis Nowak, Institut für Arbeits- und
Umweltmedizin, Klinikum LMU München
Dr.
med. Judith Niedermaier, Bayerische Landesärztekammer
Dr.
med. Gerd Oberfeld, Amt der Salzburger Landesregierung
Landessanitätsdirektion – Referat Gesundheit, Hygiene und
Umweltmedizin
Dipl.
soz. Christiane Poelzl, Bundesamt für Strahlenschutz
PD
Dr. rer. nat. Blanka Pophof, Bundesamt für Strahlenschutz
Dr.
med. Jörg Reißenweber, Facharzt für Physiologie,
Zusatzbezeichnung Umweltmedizin, Zentrum für
Elektropathologie, Universität Witten-Herdecke
Dr.
med. Hans-Christoph Scheiner, Arzt für
Allgemeinmedizin, Chirotherapie, Homöopathie, Psychotherapie
Dr.
med., Dipl. Psych. Brigitte Schlehofer, Arbeitsgruppe
Umweltepidemiologie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ)
Dr.
med. Christian Schlesiger, Bayerische Landesärztekammer
Dr.-Ing.
Volker Schorpp, Physiker, PULS-SCHLAG e.V.
Dipl.
Meteorologe Walter Sönning, Medizinmeteorologe
Dr.
med. Cornelia Waldmann-Selsam, praktische Ärztin,
Bamberger Appell
Dir.
und Prof. Dr. rer. nat. Wolfgang Weiss, Bundesamt für
Strahlenschutz
Dr.
rer. nat. Gunde Ziegelberger, Bundesamt für Strahlenschutz
und ICNIRP e.V.
Zur Vorbereitung auf das
Fachgespräch wurde von Frau Dr. Waldmann-Selsam die aktuelle
Auflage der von der Bamberger Ärzteinitiative veröffentlichten
Broschüre "Dokumentierte Gesundheitsschäden unter
dem Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder (Mobilfunk,
DECT, WLAN u.a.)" und eine 700-seitige Akte mit
"Kasuistiken, ärztlichen Stellungnahmen zu
Standortuntersuchungen, Attesten, Schriftwechsel mit Behörden
und beispielhaften Fragebögen" zur Verfügung
gestellt. Diese Unterlagen wurden vom BfS vorab an die Teilnehmer
versandt.
Inhaltsverzeichnis der Akte von Frau Dr. Waldmann-Selsam
|
|
|
Vorwort und zwei ausgewählte Briefe von Ehepaar S. und Frau Sch. |
2 |
A. Gesundheitsstörungen und Erkrankungen durch DECT-Telefone |
|
|
1. Frau Dr. med. R., Mittelfranken |
3 |
|
2. Herr Dr. med. K., Coburg |
8 |
|
3. Herr L., Siegen |
10 |
|
4. Vierzehn Erfahrungsberichte von Betroffenen |
18 |
B. Krankheitshäufungen an Mobilfunkbasisstationen |
| |
|
1. Familie v. B./ S., Benediktbeuren (bis Nov. 2005 Icking) |
39 |
|
2. Icking: Bericht über 95 Anwohner (60 E, 35 K) |
47 |
|
3. Haibach: Bericht über 38 Anwohner (27 E, 11 K) |
146 |
|
4. Familie B. |
157 |
|
5. Haibach: Weitere Krankheitsfälle, Sterbefälle, Plan |
200 a,b |
|
6. Ehepaar N., Dresden |
201 |
|
7. Ehepaar B., Dresden |
211 |
|
8. Homburg/ Bruchhof: Bericht über 19 Anwohner (14 E, 5 K) |
215 |
|
9. Herr M., Ötisheim (weitere 21 Anwohner wurden besucht) |
249 |
|
10. Herr S., Bietigheim |
309 |
|
11. Frau P., Herlikofen (mit 9 Briefen von Allgemeinarzt G.
und 43 ausgewählten Briefen von Anwohnern (2000-2005) |
322 |
|
12. Jägersburg: Bericht über 19 Anwohner (17 E, 2 K) |
387 |
|
13. Dresden: (10 Haushalte wurden besucht) |
416 |
|
14. Familie K., Dresden |
438 |
C. Erkrankungen durch Hochfrequenzexposition am Arbeitsplatz |
|
|
1. Herr S., Kempten |
468 |
|
2. Meteorologische Observatorium Hohenpeißenberg |
|
|
a) Frau S., Halblech |
496 |
|
b) Herr F., Oberammergau |
524 |
|
c) Herr A., Peiting |
527 |
|
d) Herr M.,Weilheim |
531 |
|
3. Frau H., Freibug |
532 |
D. Fallbeispiele: schwer einstellbare Hypertonie und/oder Herzrhythmusstörungen |
|
|
1. Frau G. |
553 |
|
2. Herr S. |
590 |
|
3. Frau W. |
594 |
E. Fallbeispiele aus Bamberg, Pödeldorf, Hirschhaid, Forchheim |
597 |
|
(im Frühjahr 2005 an das BMU eingereicht; 7 Patienten
hiervon waren Dr. Böttger und Dr. Vogel am 18.1.05 persönlich
vorgestellt worden) |
F. Anhang |
|
|
Kurzfragebogen |
682 |
|
Fragebogen zur Erfassung von Gesundheitsschäden durch
hochfrequente elektromagnetische Felder (ergänzte Fassung 6/2006) |
683 |
|
Brief an Staatsminister Dr.Schnappauf (Febr. 2006) |
694 |
|
Brief an Bundeskanzlerin Merkel, Minister Gabriel, Schmidt, an Leyen,
Ministerpräsident Stoiber, Präsident Bayer. AK Dr. H.
Koch und fünf fränkische Gesundheitsämter (12/2005) |
701 |
|
Ein neues Krankheitsbild: Das Mikrowellensyndrom |
702 |
|
Sechs Ärzte/Innen
der Ärzteinitiativen sowie ein Physiker und ein
Medizinmeteorologe wurden von Frau Dr. Waldmann-Selsam benannt und
vom BfS zur Teilnahme am Fachgespräch eingeladen.
Tagesordnung:
-
Begrüßung
-
Vorgehen
in epidemiologischen Studien,
Studien im DMF
-
Umgang
mit Fallbeispielen aus
umweltmedizinischer Sicht (Möglichkeiten und Grenzen)
-
Ärztliche
Dokumentation von Gesundheitsschäden durch hochfrequente
elektromagnetische Felder – Befundberichte; Vor-Ort-Untersuchungen
und Dokumentation von Kasuistiken als Methode zur Ableitung kausaler
Zusammenhänge zwischen chronischer HF-Belastung und
Gesundheitsschäden
-
Diskussion zur Beantwortung
folgender Fragen:
-
Ist das vorgelegte
Material geeignet, einen kausalen Zusammenhang zwischen
Gesundheitsschäden und HF-EMF zu belegen?
-
Kann das Material ggf.
nach Ergänzung und Aufarbeitung in eine weiterführende
wissenschaftliche Studie einfließen?
-
Werden Möglichkeiten
gesehen, die Erfahrungen praktizierender Ärzte in die
laufenden Prozesse der Risikoabschätzung und -bewertung
stärker als bisher einzubeziehen?
-
Fazit, Weiteres Vorgehen, v.
a. hinsichtlich der Dokumentation der Ergebnisse des Workshops
-
Schlusswort
Tischvorlagen:
-
Tagesordnung
-
Teilnehmerliste
-
Schreiben von Frau
Prof. Dr. Blettner
-
Empfehlung des
Robert-Koch-Instituts "Vorschlag zur Gliederung von
umweltmedizinischen Kasuistiken", Bundesgesundheitsblatt 2006,
49: 485-486
TOP 1: Begrüßung
durch BMU und BfS
Herr Dr. Weiss begrüßt
die Teilnehmer des Fachgesprächs und stellt die vorgeschlagene
Tagesordnung vor. Diese wird angenommen. Ein Audio-Mitschnitt der
Veranstaltung ausschließlich zu internen protokollarischen
Zwecken wird genehmigt, ebenso die Einstellung eines abgestimmten
Protokolls der Veranstaltung in das Internet. Eine Kopie des
Audio-Mitschnitts wird Frau Dr. Waldmann-Selsam vom BfS zur Verfügung
gestellt; sie dient ausschließlich der internen Dokumentation.
Eine Weitergabe an Dritte ist nicht zulässig. Herr Dr. Weiss
teilt mit, dass Frau Prof. Dr. Blettner, Universität Mainz,
leider nicht am Fachgespräch teilnehmen kann. Eine kurze
schriftliche Stellungnahme zu den von Frau Dr. Waldmann-Selsam zur
Verfügung gestellten Fallbeispielen liegt als Tischvorlage vor.
Nach einer
Vorstellungsrunde begrüßt Herr Dr. Böttger die
Teilnehmer im Namen des BMU, bedankt sich für die Teilnahme und
erläutert die Hintergründe des Fachgesprächs.
Verschiedene mobilfunkkritische Ärzteinitiativen postulieren
einen Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern des
Mobilfunks und einer Vielzahl von Erkrankungen. Zur Klärung des
Sachverhaltes hatte der BMU bereits im Jahr 2003 mit der
Interdisziplinären Gesellschaft für Umweltmedizin e.V.
IGUMED Kontakt aufgenommen und um Vorlage einiger Fallbeschreibungen
gebeten, aus denen die Schlüsse der Ärzte abgeleitet
wurden. Unter dem Begriff "Fallbeschreibungen" wurden
vollständige Kasuistiken incl. Differentialdiagnosen verstanden,
die es ermöglichen, die Erkrankungen und mögliche
Zusammenhänge mit HF-Exposition im Einzelfall zu dokumentieren.
Herr Dr. Böttger führt aus, dass seinerzeit Beschreibungen
von Patienten und Betroffenen sowie Symptomlisten vorgelegt worden
seien. Zur Expositionserfassung seien Abstandsschätzungen zur
vermuteten Expositionsquelle verwendet worden. Auf Nachfrage sei
mitgeteilt worden, dass weitere Untersuchungen nicht durchgeführt
worden wären. Trotz der Bereitschaft des BMU, die Ärzte bei
einer wissenschaftlichen Aufarbeitung des Materials zu unterstützen
und auch Mittel für weitergehende Untersuchungen bereit zu
stellen, sei eine weitere Zusammenarbeit mit IGUMED nicht zustande
gekommen. Nach Kontaktaufnahme von Frau Dr. Waldmann-Selsam mit dem
BMU im Jahr 2005 seien wiederum Fallbeispiele erbeten worden.
Daraufhin seien im Wesentlichen die Unterlagen vorgelegt worden, die
jetzt Gegenstand des Fachgesprächs sind.
Herr Dr. Böttger
bittet die Teilnehmer um eine klare Bewertung aus Sicht der
Wissenschaft und Auskunft darüber, ob sich aus fachlicher Sicht
aus diesem Material ein Zusammenhang zwischen HF-Exposition und
Gesundheitsschäden ableiten lässt oder nicht. Herr Dr.
Böttger begrüßt das Zustandekommen dieses
Fachgesprächs und hofft auf fruchtbare Diskussionen.
Die Tagesordnungspunkte
2. – 4. dienen der Präsentation der unterschiedlichen
Sichtweisen. Eine Diskussion zu den Fragestellungen des Workshops
findet unter den Tagesordnungspunkten 5 und 6 statt.
TOP 2: Vortrag "Vorgehen in
epidemiologischen Studien, Studien im DMF", Frau Dr. Kreuzer, BfS
Frau Dr. Kreuzer stellt
in ihrem Vortrag zunächst die Methoden vor, mit denen mögliche
Gesundheitsrisiken durch Mobilfunk am Menschen wissenschaftlich
untersucht werden können. Prinzipiell kommen epidemiologische
oder experimentelle Studien in Frage. Die Vor- und Nachteile beider
Studientypen werden gegenübergestellt. Frau Dr. Kreuzer
erläutert, dass es definierte Kriterien zur Beurteilung der
Aussagekraft epidemiologischer Studien gäbe. Diese beträfen
Studiendesign, Datenqualität, Berücksichtigung von
Störgrößen, Selektionsbias,- Informationsbias,
statistische Power etc. Die Publikation von Studien in Zeitschriften
mit Begutachtung durch externe Experten würde in der
Wissenschaft als wesentliches Qualitätskriterium betrachtet. Auf
wichtige mögliche Fehlerquellen bei der Interpretation von
Ergebnissen geht Frau Kreuzer näher ein. So könne eine
selektive Auswahl von Probanden, durch die die Verhältnisse in
der Grundpopulation verzerrt abgebildet werde, zu einer falschen
Risikoabschätzung führen ("Selektionsbias"). Z.B. könne
eine gezielte Aufnahme besonders interessierter Personen zu einer
Überschätzung des tatsächlichen Risikos führen,
sofern es sich hierbei um erkrankte und exponierte Personen handele,
die dann überproportional in der Stichprobe vertreten wären.
Um sowohl eine Über- als auch Unterschätzung des Risikos zu
vermeiden, sei es in epidemiologischen Studien wichtig, eine echte
Zufallsstichprobe zu ziehen sowie eine möglichst hohe
Teilnehmerzahl zu erreichen.
Störgrößen
("Confounder") wie Alter, Geschlecht, Sozialstatus, im Fall des
Mobilfunks die Angst vor Basisstationen, könnten – sofern sie
nicht berücksichtigt würden – ebenfalls zu einer falschen
Risikoabschätzung führen. In diesem Zusammenhang geht Frau
Dr. Kreuzer auf die Arbeit von Hutter et al., veröffentlicht in
Occup. Environ. Med. 2006; 63:307-313, ein. Hier wurde die mögliche
Störgröße "Angst vor Basisstationen" in die
Auswertung einbezogen. Wird das Ergebnis für den Faktor Angst
adjustiert, verschwindet die – ursprünglich scheinbar
vorhandene - Korrelation zwischen Schlafstörungen und
Feldexposition. Es sei also wahrscheinlich, dass der Faktor "Angst
vor der Basisstation" mit den Schlafstörungen korreliere,
nicht die Feldexposition selbst. Anders z.B. beim Endpunkt
Kopfschmerzen: Hier bleibt die Korrelation auch dann bestehen, wenn
für den Faktor "Angst" adjustiert wird. Das Beispiel zeige,
dass es für eine aussagekräftige Studie notwendig sei,
derartige Störgrößen zu berücksichtigen.
Gleiches gelte für fehlerhafte Informationen, z.B. hinsichtlich
der tatsächlichen Exposition oder des tatsächlichen
Krankheitsstatus ("Informationsbias"). Derartige Fehlerquellen
könnten sowohl zu Über- als auch zu Unterschätzung
eines realen Risikos führen.
Im weiteren Verlauf des
Vortrags gibt Frau Dr. Kreuzer einen kurzen Überblick über
Studien des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms (DMF). Sowohl
experimentelle Studien als auch epidemiologische Studien im DMF
setzen sich mit der Frage nach Befindlichkeitsstörungen um
Basisstationen auseinander. Sowohl Feldstudien als auch Laborstudien
werden zum Schwerpunkt Schlafqualität durchgeführt; zwei
Studien beschäftigen sich gezielt mit dem Thema
Elektrosensibilität. Drei epidemiologische Fall-Kontroll Studien
werden zu Krebserkrankungen (Hirntumore, Augentumore, Kinderleukämie)
durchgeführt. Zwei geplante Kohortenstudien zu Langzeitfolgen
(beruflich hoch exponierte Personen, internationale prospektive
Handykohorte) erwiesen sich nach durchgeführten Pilotphasen
leider als nicht machbar. Im ersten Fall war es nicht möglich,
ein aussagekräftiges Studiendesign zu entwickeln. Im zweiten
Fall lag die Teilnahmerate (vermutlich mitbedingt durch hohe
Datenschutzauflagen) bei lediglich 5%. Die prospektive Kohortenstudie
wird aber nach derzeitiger Kenntnis von anderen europäischen
Ländern durchgeführt.
Weitergehende
ausführliche Informationen zu den im DMF durchgeführten
Studien sind unter www.emf-forschungsprogramm.de
im Internet abrufbar.
Die Präsentation
wird den Teilnehmern als pdf-Datei zur Verfügung gestellt.
Herr Dr. Weiss leitet zum
Vortrag von Prof. Nowak über und zitiert zwei Sätze aus den
Empfehlungen des Robert-Koch Instituts (RKI) "Vorschlag zur
Gliederung von umweltmedizinischen Kasuistiken",
Bundesgesundheitsblatt 2006, 49:485-486, die den Teilnehmern als
Tischvorlage zur Verfügung stehen: "Gut dokumentierte
klinische Fallbeschreibungen haben in der Medizin eine lange
Tradition und wesentlich zur Entwicklung des medizinischen
Fachwissens beigetragen. Sie lassen sich durch die moderne
Epidemiologie oder Toxikologie nicht vollständig ersetzen".
In diesem Sinne gehe es auch in diesem Fachgespräch nicht um ein
"entweder Epidemiologie oder Kasuistiken", sondern um die Nutzung
beider Ansätze im Sinne eines "sowohl als auch".
TOP 3: Umgang mit
Fallbeispielen aus umweltmedizinischer Sicht (Möglichkeiten und
Grenzen), Vortrag Prof. Dennis Nowak
Herr Prof. Nowak macht
deutlich, dass aus seiner Sicht geeignete, gut aufgearbeitete
Fallbeispiele schon immer eine wichtige Erkenntnisquelle der
Umweltmedizin waren und sind. Er erläutert dies an mehreren
Beispielen (Zusammenhang von Mesotheliomen und Asbest-Exposition in
Hamburg-Harburg, Heuschnupfen, blutdrucksenkende Wirkung von Nitrat
im Arbeitsstoff TNT, Pneumonien bei Drogenabhängigen,
Hämangiosarkome bei Vinylchlorid-Exponierten u.a.). Insbesondere
böten gute umweltmedizinische Kasuistiken seiner Ansicht nach
die Chance, unerwartete, seltene und ungewöhnliche Fälle zu
erfassen, die durch das Raster der wissenschaftlich etablierten
Methoden Epidemiologie und Toxikologie fallen könnten. Er stellt
allerdings klar, dass gute Fallbeispiele
wissenschaftlich-publizistischen Regeln folgen müssten, wie sie
z.B. von medizinischen Zeitschriften als Annahme- und
Ablehnungskriterien definiert und auch in der bereits erwähnten
RKI-Empfehlung dargelegt seien. Hierzu gehöre u.a., dass neben
der Autorenmeinung auch andere plausible Erklärungen und die
Grenzen der Kasuistik diskutiert würden. Auch weist er darauf
hin, dass anekdotische Fall-Berichte und Fallserien ohne Kontrollen
in der Hierarchie wissenschaftlicher Aussagekraft auf der niedrigsten
Stufe evidenzbasierter Medizin stünden. Zur Definition einer
"guten Kasuistik" gehört für Prof. Nowak das Überprüfen
verschiedener Erklärungsansätze mit einem geeigneten
Design. Er erläutert dies an mehreren Beispielen wie dem Fall
eines Patienten mit MCS-Symptomatik: in diesem Fall habe das
Betreiben eines Luftfiltergerätes zur Verbesserung des
Beschwerdebildes, sinkenden Erkrankungszeiten und sinkendem
Medikamentenverbrauch geführt. Die durch das Betreiben des
Gerätes eingetretenen Verbesserungen seien unstrittig vorhanden
gewesen, die Schwachstelle der Kasuistik habe jedoch darin gelegen,
dass das einfache, für den Patienten erkennbare Ein- und
Ausschalten des Geräts keine ausreichende Kontrolle gewesen sei.
Hätte man das Gerät – gegenüber dem Patienten und
dem untersuchenden Arzt verblindet - abwechselnd mit und ohne Filter
betrieben und die Auswirkung erfasst, hätte man die tatsächliche
Wirkung der gefilterten Luft von Placebo-Effekten abgrenzen können.
Es sei dies das Beispiel einer Kasuistik, die vordergründig
betrachtet in Ordnung sei, einer strengeren Betrachtung aber nicht
standhalte.
Prof. Nowak erläutert,
dass gute Fallbeispiele Anlass zu Hypothesengenerierung geben und
ggf. zu höheren Stufen der evidenzbasierten Medizin führen
können. Lägen jedoch Erkenntnisse aus methodisch
höherwertigeren, stärker evidenzbasierten Studien vor, "sei
die Zeit von Fallbeispielen vorbei".
Bei aller zum Ausdruck
gebrachten Wertschätzung für qualitativ hochwertige
Fallbeispiele betont Prof. Nowak, dass seiner Ansicht nach Aussagen –
in der Umweltmedizin genauso wie in jedem anderen Bereich von Medizin
und Wissenschaft - empirisch überprüfbar und auch
falsifizierbar sein müssen.
Die Präsentation
wird den Teilnehmern als pdf-Datei zur Verfügung gestellt.
TOP 4: Die Präsentation
der Ärzte wurde in vier kurze Vorträge aufgeteilt.
Das Thema des Vortrags
von Frau Dr. Waldmann-Selsam lautet:
Erkrankungen durch
Hochfrequenzexposition
Frau Dr. Waldmann-Selsam
stellt zunächst vier charakteristische Fallbeispiele aus den
eingereichten Unterlagen vor. Bei einem 10-jährigen Jungen aus
Haibach sei es 1999 schlagartig zu extremem Leistungsabfall,
Sehverschlechterung und Wachstumsstillstand gekommen, ohne dass die
sieben aufgesuchten Ärzte eine organische Ursache hätten
finden können. Auch bei Bruder und Eltern seien etwas später
Symptome aufgetreten. Nach gründlichen Abschirmmaßnahmen
an zwei Seiten des Hauses seien die Symptome verschwunden. Dr.
Waldmann-Selsam habe im Juni 2006 sieben Familien in der
Nachbarschaft besucht und hierbei erfahren, dass seit 1999 viele
Erwachsene und Kinder z.T. schwer erkrankt seien.
Ein 50-jähriger Mann
aus Icking habe seit 2001 wegen massiven Kniegelenksschwellungen und
Entzündungen, Muskelschwäche, Gewichtsabnahme u.a. häufig
nicht mehr laufen können. Keiner der 18 aufgesuchten Ärzte
habe ihm helfen können. Erst nach vier Krankheitsjahren sei der
in 120 m Entfernung stehende Mobilfunkmast als auslösender
Faktor in Erwägung gezogen worden. Seit dem Umzug an eine
hochfrequenzfreie Stelle habe er keinerlei Knieprobleme mehr. Auch in
Icking hätten die ärztlichen Erhebungen in über 30
Haushalten eine Häufung von Erkrankungen ergeben.
Bei einem 60-jährigen
Mann aus Ötisheim sei unmittelbar nach Inbetriebnahme eines
zweiten Senders im Jahr 2001 unerträgliches Rauschen, Brummen
und Hämmern im Kopf aufgetreten. Obwohl mehrere Ärzte
verschiedener Fachrichtungen einen ursächlichen Zusammenhang mit
den Mobilfunksendern attestiert hätten, seien die zuständigen
Behörden untätig geblieben. Es seien weitere Sender
hinzugekommen.
Eine
39-jährige Frau sei 1997 wenige Wochen nach Versetzung auf das
Met. Observatorium Hohenpeißenberg (in unmittelbarer
Nachbarschaft von Rundfunk-, Fernseh- und Mobilfunksendern) an
häufigen Infekten, Entzündungen (Niere, Blase),
Kopfschmerzen, Blutdruckkrisen und Schwindel erkrankt. Wegen
unfallbedingter Entfernung der Schilddrüse und der
Nebenschilddrüsen seien seit 1982 problemlos
Schilddrüsenhormon, Calcium und Vitamin D substituiert worden.
Am neuen Arbeitsplatz sei der tägliche Calcium-Bedarf ständig
angestiegen. Ab 1999 sei es zu Zusammenbrüchen mit extremen
Blutdruckentgleisungen und häufigen Fehlzeiten gekommen. Es
wurden häufig Calcium-Infusionen erforderlich. Seit sie bei
Verlassen des Hauses einen Hochfrequenzschutzanzug trage, sei der
Calcium-Bedarf auf das frühere Niveau gesunken.
Als
Beispiel für "vorbildliches Vorgehen einer Behörde"
zitiert Dr. Waldmann-Selsam aus einer Stellungnahme des Landesamtes
für Gesundheit und Veterinärwesen, Sachsen. Dort habe ein
Arzt mehrere betroffene Familien in Dresden zu Hause aufgesucht und
sich vor Ort ein Bild gemacht. In der amtlichen Stellungnahme habe er
die Auffassung geäußert, dass die eklatanten
Unsicherheiten über mögliche Zusammenhänge nicht zu
Lasten der Betroffenen gehen dürften und dass vor dem
Hintergrund des aktuellen wissenschaftlichen Diskussionsstandes ein
Aufschub von stärker Vorsorge geprägten Maßnahmen bis
zur endgültigen Klärung unverantwortbar erscheine. Das
gehäufte Auftreten von Beschwerden mit ähnlicher
Charakteristik sei vom Sachverständigenrat für Umweltfragen
in seinem Umweltgutachten 2002 (Bundestagsdrucksache 14/8792) als
prioritär zu untersuchendes Problem eingeschätzt worden.
Dr.
Waldmann-Selsam berichtete abschließend "von Betroffenen,
deren Hochfrequenzbelastung überwiegend von einer in der
Wohnung befindlichen DECT-Anlage hervorgerufen wurde". Bei
Patienten, die die Anlage abgeschaltet hatten, habe man die
Symptomenabfrage nach mehrmonatiger Deexposition wiederholt. Eine
graphische Darstellung zeige eine deutliche Abnahme (bis zu 70 %)
vieler Beschwerden.
In allen Fällen
werden zum Teil massive gesundheitliche Beschwerden auf HF-Strahlung
(Mobilfunksendeanlagen, DECT-Telefone u.a.) zurückgeführt.
Der Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs ergibt sich für
Frau Dr. Waldmann-Selsam aus der zeitlichen Korrelation zwischen
HF-Exposition und Beschwerden (wobei einige Beschwerden akut, andere
verzögert auftreten können), aus dem ärztlichen
Unvermögen, organische Ursachen zu finden, aus dem Auftreten
ähnlicher Symptome bei Familienangehörigen, Arbeitskollegen
und Nachbarn sowie der Besserung der Symptomatik bei Wegfall der
HF-Exposition. Nach Beobachtung von Frau Dr. Waldmann-Selsam
unterscheide sich die Symptomatik bei Nutzung eines DECT-Telefons von
der Symptomatik bei der komplexeren Exposition durch
Mobilfunk-Basisstationen. Frau Dr. Waldmann-Selsam macht den hohen
Leidensdruck der betroffenen Familien und den Wunsch der Ärzte,
für die Patienten Hilfe zu finden, deutlich.
Die Präsentation
wird den Teilnehmern als pdf-Datei zur Verfügung gestellt.
Das Thema des Vortrags
von Herr Dr. Oberfeld lautet:
Ausgewählte
Aspekte epidemiologischer Studien zu Mobilfunksendeanlagen und
Symptomen.
Herr Dr. Oberfeld stellte
drei ausgewählte epidemiologische Untersuchungen zu Beschwerden
um Mobilfunk-Basisstationen vor. Dr. Oberfeld wies darauf hin: "wenn
über Kausalität bei Kasuistiken gesprochen werde, ist dies
im Kontext mit der vorhanden Evidenz aus epidemiologischen
Untersuchungen zu diskutieren".
Die erste Arbeit zu
Mobilfunkbasisstationen und Symptomen sei von Santini et al. 2002. Er
hatte nach der Häufigkeit des Auftretens bestimmter Symptome
gefragt und diese zur – von den Probanden selbst geschätzten –
Abstand zur Basisstation in Bezug gesetzt. Dr. Oberfeld findet bei
einer eigenen Auswertung dieses Datenmaterials eine Abnahme der
Beschwerden mit zunehmender Distanz (bis 300 m), die durch einen
Wiederanstieg im Abstand von 50-100 von der Basisstation unterbrochen
ist. Aufgrund der Ausbreitungscharakteristik stellt er die Hypothese
auf, dass dieser Abstand mit dem Expositionspeak durch den
Hauptstrahl im städtischen Raum zusammenfalle und daher der
Anstieg der Beschwerden in diesem Bereich nicht mit der Angst vor der
Basisstation in unmittelbarer Nähe erklärbar sei. Den in
dieser Studie unzweifelhaft vorhandenen Selektionsbias sieht Dr.
Oberfeld nicht als Nachteil der Studie, sondern eher als positiv, da
hierdurch die Chance steige "etwas zu finden", wobei er jedoch
klar stellt, dass bei diesem Vorgehen eine quantitative Übertragung
der Ergebnisse auf die Allgemeinbevölkerung nicht möglich
sei.
Weiterhin geht Herr Dr.
Oberfeld auf seine Auswertung der Daten von Navarro et al. ein, wobei
eine mit 1-4 µW/m2 gering HF-EMF-exponierte Gruppe
(mit Dominanz von GSM Basisstationssignalen) als Referenz gegen zwei
höher belastete Gruppen kontrastiert wird. Gemäß
dieser Arbeit steigt im multivariaten Modell unter Berücksichtigung
von Alter, Geschlecht und selbst geschätzter Distanz das Risiko
für Schlafstörungen, Müdigkeit und Depressionen in den
höher belasteten Gruppen an. Die Gesamtübersicht zeigte bei
13 der 16 abgefragten Symptome signifikante (p for the trend)
Beziehungen mit zum Teil sehr hohen in der Umweltmedizin ungewöhnlich
hohen Odds Ratios (Risikoschätzern), die Oberfeld auf den
Selektionsbias zurückführt.
Die bereits von Frau Dr.
Kreuzer zitierte Arbeit von Hutter et al. (siehe Ausführungen
zur Störgröße "Angst vor Basisstationen" unter
TOP1) wird ebenfalls angesprochen. Die Ergebnisse dieser Arbeit
zeigten signifikante Zusammenhänge zwischen gemessener
Exposition von GSM-Basisstationen und Kopfschmerzen,
Konzentrationsproblemen sowie kalten Händen und Füßen
(als Ausdruck einer möglichen Sympathikusaktivierung) unter
Berücksichtigung möglicher Befürchtungen. Dr. Oberfeld
weist auf die Unterschiede in der Auswahl der Teilnehmer in den drei
vorgestellten Studien hin – Selbstselektion bei Santini und Navarro
– bevölkerungsbezogene Auswahl (im Umfeld von Basisstationen)
bei Hutter hin. Dies würde die unterschiedlichen Höhe der
Odds Ratios plausibel erklären.
Dr. Oberfeld sagte
abschließend: "Wir sind an einem Punkt, an dem wir uns
ernsthaft damit befassen sollten, gute epidemiologische Arbeit auf
die Beine zu stellen".
Die Präsentation
wird den Teilnehmern als pdf-Datei zur Verfügung gestellt.
Das Thema des Vortrags
von Dr. Eger lautet:
Medizinisch,
wissenschaftliches Vorgehen zur Ableitung der Kausalität
zwischen
Hochfrequenzbelastung
und Gesundheitsschäden:
Beispiel DECT-Telefon
Dr. Eger zitiert als ein
Beispiel aus der Vielzahl der vorgelegten Kasuistiken den
Fall des leitenden Arztes
der Notaufnahme des Klinikum Coburg, Dr. Kleilein, mit dessen
Einverständnis zur Veröffentlichung.
Schriftliche
Dokumentation Dr. Kleilein:
"Mein jetzt
zehnjähriger Sohn Jan klagte etwa seit dem Jahr 2000 nahezu
täglich über Kopfschmerzen. Ich habe ihn als Arzt
wiederholt untersucht und keine körperlichen Auffälligkeiten
festgestellt. Die Schule ist meinem Sohn immer sehr leicht gefallen,
er hat keine Probleme beim Lernen, allerdings fiel mir auf, dass er
täglich Probleme beim Anfertigen der Hausaufgaben hatte. Er saß
an seinem Schreibtisch in unserem Wohnzimmer, jammerte, dass er sich
nicht wohl fühle und beim Hausaufgaben machen ging kaum etwas
voran. Er wollte ständig eine Pause machen, war lustlos, klagte
über Kopfschmerzen und benötigte für eine "normale"
Hausaufgabe eines Grundschülers etwa drei bis vier Stunden.
Sowohl meiner Ehefrau - einer Grundschullehrerin - als auch mir als
Arzt war völlig unerklärlich, wieso ein Schüler, der
sehr gute Schulnoten bzw. Beurteilungen in den Zeugnisse erhielt,
derartige Schwierigkeiten bei der Anfertigung der Hausaufgaben
hatte.(...)
Ich war bis zu diesem
Zeitpunkt völlig unbedarft gegenüber Mobilfunktechnologie
und elektromagnetischer Strahlung. Berichte, dass dadurch
irgendwelche gesundheitlichen Probleme verursacht werden könnten,
betrachtete ich eher als "Spinnerei". Ich selbst benutzte
ein Handy, wir hatten auch in unserem Haus seit etwa 1999 ein
schnurloses Telefon "DECT". (...) Was ich bei meinen
Recherchen fand, war alarmierend und erschreckend zugleich.
Mir wurde erstmals
bewusst, dass die Basisstation unseres DECT-Telefons direkt neben dem
Schreibtisch meines Sohnes stand; der Abstand zwischen Basisstation
und Schreibtischstuhl betrug weniger als 70 cm. Wir haben als
Erstmaßnahme unser altes Schnurtelefon aus dem Keller geholt
und das DECT-Telefon abgebaut und entsorgt. Dies geschah Ende August
2004, also noch vor Beginn des aktuellen Schuljahres. Mein Sohn ist
seitdem wie ausgewechselt, er hat in den vergangenen sieben Monaten
nur noch an zwei oder drei Tagen über Kopfschmerzen geklagt und
seine Hausaufgaben fertigt er unverzüglich nach dem Mittagessen
innerhalb von etwa einer Stunde an. Das aus den vorherigen
Schuljahren bekannte Theater beim Hausaufgabenmachen ist wie
weggeblasen.
Im Nachhinein haben
sich auch die Durchschlafstörungen meiner Ehefrau gegeben und
auch mein 16-jähriger Sohn gab spontan an, deutlich besser zu
schlafen. Dieser Sohn schlief genau ein Stockwerk unter unserer
DECT-Basisstation (also in etwa drei Meter Abstand), meine Ehefrau
und ich haben unser Schlafzimmer genau oberhalb der DECT-Basisstation
(etwa vier Meter Abstand bis zum Bett). Sonderbarerweise habe ich
selbst außer gelegentlichem morgendlichem Kopfdrücken kaum
konkrete Beschwerden verspürt.
Für mich ist
dieses persönliche Erlebnis ein klarer Beweis, dass
elektromagnetische Strahlung auch im nicht-thermischen Bereich
gravierende Auswirkungen auf den/die Menschen haben kann. Sicherlich
sind nicht alle Menschen gleich betroffen, was sich auch in meiner
Familie zeigte .(...)"
Nach obiger Darstellung
des internistischen Kollegen hatte der Sohn des Arztes jahrelang im
häuslichen Bereich an unerklärlichen Kopfschmerzen,
Konzentrationsproblemen, und Schwierigkeiten bei den Hausaufgaben
gelitten. Regelmäßige ärztliche Untersuchungen hatten
bei dem sonst guten Schüler keine klinischen Auffälligkeiten
ergeben. In weniger als einem Meter neben dem Schreibtischstuhl des
Sohnes hatte sich sich die Basisstation des DECT-Telefons befunden.
Dr. Eger fügt ein,
dass in einem halben Meter Entfernung von der DECT-Basis Feldstärken
von bis zu 10 V/m herrschen können; entsprechend der EU-Norm EN
61000-4-3 ENV 50204 für die Störfestigkeit von
Industriemaschinen bei 900 MHz. Ab diesem Wert dürften Maschinen
Störungen aufweisen. Die Grenzwerte für Menschen der
Bundes-Immissionsschutz-Verordnung lägen mit ca. 50-60 V/m aber
deutlich darüber. Gemäß obiger Kasuistik waren nach
Entfernung der Sendestation die beklagten Beschwerden nachhaltig
vollständig abgeklungen.
Herr Dr. Eger weist auf
die vorliegenden Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts "Vorschlag
zur Gliederung von umweltmedizinischen Kasuistiken", 2006 hin:
"...Ein wichtiger Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen
Exposition und einer gesundheitlichen Wirkung ist, wenn sich
nachweisen lässt, dass eine Verminderung der Exposition oder
eine erneute Belastung zu einer Änderung der Symptomatologie
führt..."Im vorliegenden Fallbeispiel ist die Kausalität,
sowohl für das Kind, als auch für den Vater gegeben.
Herr Dr. Eger geht auf
die von Herrn Dr. Weiss geforderte Kausalität ein und zitiert
nach Brockhaus 2006: "Eine Kausalität ist eine vom
Beobachter gestiftete Gesetzmäßigkeit, also eine
Gewohnheit, die sich durch die Wiederholung von Erfahrungen
herausbildet."
Zur kausalen Bedeutung
eines Wirkmechanismus zitiert Dr. Eger aus den Akten der
Staatsanwaltschaft aus dem Conterganprozess: "...es für
die Frage der Kausalität nicht erforderlich ist, die zwischen
Thalidomideinnahme und Durchdringung der Plazentaschranke liegenden
biochemischen Vorgänge ... genau zu analysieren."
Er verweist darauf, dass
gemäß medizinischen Diagnoserichtlinien die berichteten
Beschwerden bei obigem DECT-Beispiel dem Symptombild ADHS
(Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom - Hyperaktivität) entsprächen.
Hieraus leitet Dr. Eger
folgende Hypothese ab: wenn DECT-Telefone und auch Mobilfunk ADHS
verursachen, müsste sich ein Anstieg der Kosten für
ADHS-Arzneimittel mit der zeitlichen Zunahme von DECT-Telefonen und
der Verbreitung des Mobilfunks finden lassen. Dr. Eger nennt die
Zahlen des Arzneiverordnungsreport, demzufolge eine belegte Zunahme
der verordneten Tagesdosen Methylphenidat (Ritalin) im Zeitraum von
1990 bis 2004 um das 86-fache stattgefunden hat. Im Detail: 1990 0,3
Mio; 1995 1,3Mio; 2000 13,5 Mio; 2004 25,8 Mio Tagesdosen. "Ein
hochinteressanter Befund, denn es muss eine Symptomatik vorliegen,
die diese Kinder zum Arzt bringt. Das ist mit einer gezielten
Werbestrategie alleine nicht erklärbar."
Dr. Eger schlägt die
Entwicklung eines tragfähigen Studiendesigns in Zusammenarbeit
von niedergelassenen Ärzten, universitären Einrichtungen,
öffentlichen Gesundheitsbehörden und dem Bundesamt für
Strahlenschutz vor. Folgende Punkte sollten seiner Ansicht nach unter
anderen berücksichtigt werden:
-
Die Kontaktaufnahme über
die Krankenkassen zu Kinder- und Hausärzten, die ADHS-Kinder
behandeln, denn die Datenbasis des Arzneimittelreports wird aus
nicht anonymisierten Daten generiert, wie z.B. aus den
Rezeptverordnungen von Ritalin, welches dem Betäubungsmittelgesetz
unterliegt.
-
Anamnese und
ausführliche Untersuchung der Kinder und Erfassung der DECT
Belastung (einschließlich anderer HF-Belastungen). Erhebung
des Zeitpunktes der Anschaffung (gegebenenfalls auch in der
Nachbarwohnung). Versuch einer Herausarbeitung eines zeitlichen
Zusammenhanges.
-
Auslassversuch und
Dokumentation mit den behandelnden Ärzten vor Ort. "Mit
minimalem Aufwand lässt sich so, auch vor dem Hintergrund eines
Absinkens der "fluid intelligence" in Deutschland (Prof. Lehrl,
2006), schnell und kostengünstig eine langfristig
volkswirtschaftlich katastrophale Entwicklung beurteilen" sagt
Dr. Eger.
Dr. Eger betont, dass man
gerade die betroffenen Kinder untersuchen müsse, genauso wie man
in China den SARS-Virus bei den Menschen gesucht habe, die
Fieber-Symptome hatten, um schneller die gewünschte Erkenntnis
zu gewinnen.
Dr. Eger weist darauf
hin, dass Mikrowellen seit etwa 70 Jahren therapeutisch "als
Medikament" eingesetzt würden, eine Zusammenfassung von
Wirkungen und Nebenwirkungen incl. der Ermittlung tödlicher
Dosen an Tieren fände sich in der Literatur mehrfach bereits
seit über 70 Jahren. (Quelle: Presman, Electromagnetic fields
and life, Plenum Press, New York, 1970). Als ein zeitlich frühes
Beispiel zitiert er aus "Kurzwellentherapie - die medizinische
Anwendung elektrischer Höchstfrequenzen am Menschen" E.
Schliephake:
"Unter den
biologischen Wirkungen sind diejenigen auf den Gesamtorganismus und
die örtlichen Wirkungen zu unterscheiden. Der Gesamtorganismus
wird schon im Strahlungsfeld von starken Kurzwellensendern durch die
freie Hertzsche Welle deutlich beeinflußt. Das empfinden alle
Personen, die längere Zeit hindurch an solchen Sendern ohne
genügend Schutzmittel haben arbeiten müssen. Es treten
Erscheinungen auf, wie wir sie bei Neurasthenikern zu sehen gewohnt
sind: starke Mattigkeit am Tag, dafür in der Nacht unruhiger
Schlaf, zunächst ein eigenartig ziehendes Gefühl in der
Stirn und Kopfhaut, dann Kopfschmerzen, die sich immer mehr steigern,
bis zur Unerträglichkeit. Dazu Neigung zu depressiver Stimmung
und Aufgeregtheit. Auch hierauf hat nach unseren Erfahrungen die
Wellenlänge einen deutlichen Einfluß". (Zitat:
Deutsche Medizinische Wochenschrift, Nr.32, 1932)
"Ärzte haben
immer auf Nebenwirkungen zu achten", erklärt Dr. Eger:
"Wenn heute Ärzte im Rahmen Ihrer Sorgfaltspflicht
Nebenwirkungen modulierter elektromagnetischer Felder technisch
erzeugter Hochfrequenzen bei Niedrig-Dosis-Dauer-Exposition
medizinisch-wissenschaftlich nachweisen, so ist das nicht
erstaunlich, sondern das ist unser tägliches Brot. Auch im
Bereich von Medikamenten finden sich früher unbekannte
Nebenwirkungen oft erst in der breiten Anwendung."
Zum Schluss seines
Vortrags bittet Dr. Eger die Vertreter der Ärztekammern, eine
öffentliche Anfrage zu starten, ob andere Ärzte ähnliche
Erfahrungen gemacht haben. Hierzu könne die vorgelegte Broschüre
von Frau Dr. Waldmann-Selsam an alle deutschen Ärzte mit der
Bitte um Kommentar versandt werden.
Das Thema des Vortrages
von Dr. Schorpp lautet:
Gesundheitsschäden
durch chronische Hochfrequenzbelastungen?
Kasuistiken von
Vorortuntersuchungen als Methode zur Ableitung kausaler Zusammenhänge
Der Aussage von Prof.
Nowak – Kasuistiken seien die niedrigste Stufe der
wissenschaftlichen Erkenntnisfindung (low level of evidence) und
höhere Evidenzebenen hätten größeres
wissenschaftliches Gewicht – entgegnete Herr Dr. Schorpp
einleitend:
"Nach den
Ergebnissen der Gehirnforschung sind Kasuistiken die unabdingbare
Grundlage menschlichen Lernens kausaler Zusammenhänge.
Das Gehirn eines
Kindes - ein ungeschultes neuronales Netz - lernt die Kausalität
(bzw. Multikausalität) von Zusammenhängen von Ereignissen
quasi ausschließlich durch Kasuistiken (maximale Evidenz!). Das
Verständnis eines mikroskopischen Wirkmechanismus sei dabei
keine Voraussetzung der Kausalitätsfindung. Ein Kind muss
spielen, um Kasuistiken zu kreieren. Ohne das Lernen durch
Kasuistiken sei dieses Kind mit dreißig Jahren strohdumm."
Im zweiten Teil seines
Vortrages zeigt Herr Schorpp eine Reihe von Fotografien, wie er sagt,
Kasuistiken von Vorortuntersuchungen von durch Hochfrequenz
erkrankten Bäumen. Seiner Erkenntnis nach "lichtet sich das
Blattwerk chronisch belasteter Laubbäume zunächst stark aus
und der Holzwuchs stagniert" (Birken seien besonders
betroffen). Dabei sei nicht selten eine Senderseitigkeit der
Schädigung bzw. der Bereich größter Belastung
(höchster Absorption) offensichtlich erkennbar. Dr. Schorpp
schließt die Trockenheit als Hauptursache aus, indem er
"einfache Kasuistiken von geschädigten, hf-belasteten
Bäumen, die im Wasser stehen" zeigt. Sender und
geschädigte Bäume am Wasser sind auf dem Bild zu sehen.
Auch zeigt er Bäume in "hf-armen Tallagen, die nach langer
Hitzeperiode in voller Pracht zu sehen sind". "Die
Bäume werden allem Anschein nach durch die Hochfrequenz in ihrem
Stoffwechsel gestört", sagt Herr Dr. Schorpp.
Die Kasuistik eines
Nussbaumes, der, wie Herr Dr. Schorpp schildert, "drei
unterschiedlich stark geschädigte Zonen aufweist", erklärt
er durch die unterschiedliche Befeldung der Bereiche aufgrund
geometrischer Funkabschattungen durch benachbarte Gebäude. "Für
einen strahlungserfahrenen Physiker sind die Zusammenhänge hier
offensichtlich".
Den Nachweis der
Kausalität will Dr. Schorpp durch den Vergleich von 1. Bäumen
in Regionen mit starker HF-Belastung und 2. Bäumen in Regionen
mit geringster HF-Belastung liefern. Er zeigt Bilder vom Herbst 2005,
einerseits mit Obstbäumen ohne Blätter und ohne Obst im
Strahlungsbereich vielfältig bestückte Sender, und
andererseits Obstbäume mit Blättern und Obst in 4 km
entfernter Tallage unter wesentlich geringerer HF-Belastung. Er zeigt
nahezu abgestorbene Berghänge, die "dem Strahlungsfeld
gleich mehrerer Sender chronisch ausgesetzt sind, gegenüber
völlig gesunden Bäumen in so genannten "Funklöchern"
(geringste terrestrische HF)". Herr Dr. Schorpp beendet den
zweiten Teil unter Berufung auf viele weitere HF-Baum-Kasuistiken mit
der Aussage:
"Das massenhafte
Baumerkranken und Baumsterben hat mit nichts mehr zu tun, als mit der
Hochfreqenzverseuchung der Umwelt." Jeder könnte sich
vor Ort davon überzeugen. Er weist auf viele, komplexere
Kasuistiken hin, mit skurrilen Erscheinungen, die "durch die
enorme Fernwirkung der gerichteten, räumlich sehr inhomogen
Strahlung verursacht sein könnten, ebenfalls durch die
Überlagerung verschiedener Signale, einschließlich
Reflexionen und durch Beugungs- und Interferenzeffekte".
Aufgrund der sehr spezifischen Erkrankungssymptome, ließe sich
jedoch meistens in frühem Stadium auf die Erkrankungsursache
schließen.
Im dritten Teil seines
Vortrages zeigt Herr Dr. Schorpp exemplarisch verschiedene Bilder von
Fallbeispielen benachbarter Familien in einem Dorf, die
"hochfrequenzmäßig ungünstig" auf einer
Bergkuppe wohnen.
Herr Dr. Schorpp
erläutert: "Zu der bestehenden HF-Bestrahlung u.a. durch
einen entfernten Wasserturm (Mobilfunk) und durch einen
terrestrischen Fernseh-/Rundfunksender wurden im Sommer 2001 im
Kirchturm D1- und D2-Sender in Betrieb genommen. Zeitgleich haben bei
mehreren benachbarten Familien starke, hochfrequenztypische Leiden
eingesetzt".
Ein Foto durch das
Dachfenster eines Kinderzimmers des ersten Hauses zeigt die Nähe
des Kirchturms und die Abschirmung, mit der das gesamte Gebäude
(unterputz und geerdet) abgeschirmt wurde. Trotzdem könne die
Familie ihr Eigentum nicht unbeschwert bewohnen. Kinder und Eltern
schliefen seit 5 Jahren in notdürftig eingerichteten
Kellerräumen. Wenn die Kinder gefrustet den Versuch unternähmen,
doch in ihren Zimmern zu schlafen, kämen sie nach kurzer Zeit
freiwillig wieder in den Keller, weil es ihnen oben schlecht erginge.
Ein zweites benachbartes
Haus sei ebenfalls ganzflächig abgeschirmt worden. Trotzdem
fühlten sich auch hier die Bewohner seit 5 Jahren gezwungen, im
Keller zu schlafen. Ein Bild zeigt ein Etagenbett unter einer
Kellertreppe für die jugendlichen Kinder, die Eltern schliefen
daneben in einem Kelleraum, obwohl ihnen doch ein ganzes Haus gehöre.
Eine dritte Familie in einem anderen benachbarten Haus könne
auch nicht mehr darin nächtigen. Ein Foto zeigt eine kleine
Hütte am Waldrand in Tallage. "Hierin schläft die
Familie seit Jahren jede Nacht, weil die Ehefrau nach Einschalten der
Kirchturmsender schwer erkrankt ist". Bäume im Umfeld der
kleinen Hütte, wo die Menschen Erholung fänden und die Frau
wieder gesundet sei, gediehen prächtig und zeigten keine
HF-Schäden. Herr Dr. Schorpp bezeichnet in diesem Zusammenhang
die Bäume als eine Art Indikator für chronische
Hochfrequenzbelastungen.
In allen drei
geschilderten Fällen beklagt Herr Dr. Schorpp, dass von
offizieller Seite bis heute niemand gekommen sei und geholfen hätte,
trotz vieler schriftlicher Hilferufe der Familien.
In unmittelbarer
Nachbarschaft seien nachweislich sechs Häuser aufgrund der
HF-Belastung verkauft und weitere Häuser stünden derzeit
zum Verkauf.
Herr Dr. Schorpp
erläutert, dass seiner Erkenntnis nach nicht ausschließlich
die Amplitude eines HF-Signales die einzig biologisch wirksame Größe
sein müsse, wichtig seien auch die durch Überlagerung
mehrerer Signale entstehenden "Frequenzkompositionen"
und räumlichen Feldverteilungen. Auf Bergkuppen sei das "Chaos
der HF-Signale" oft besonders ausgeprägt, da hier die
Signale vieler Sender ankommen könnten. Mit hörbaren
Schallwellen verglichen, sei das ungefähr so, als ob man die
unterschiedlichsten Geräusche gleichzeitig hören müsse.
Erfahrungsgemäß
führten - wie in den geschilderten drei Fällen - allseitig
metallische Abschirmungen in der Regel zu keinen dauerhaft
befriedigenden Ergebnissen. Die Signalamplituden könnten zwar
reduziert werden, erhöhte, sich überlagernde
Vielfachreflexionen könnten jedoch im Gegenzug dazu führen,
das "elektromagnetische Wirrwarr" im Haus zu
erhöhen. Abschirmung durch Absorption der Strahlung (anstatt
Reflexion) sei ein besserer, aber sehr aufwendiger Weg, daher das
Fliehen der Menschen in den Keller oder in den Wald.
Herr Dr. Schorpp schließt
seinen Vortrag mit der Bemerkung, selbst eine Kasuistik eines
HF-Geschädigten zu sein. Zum Schutz habe er sich sein Büro
in einem tiefen Keller eingerichtet und schlafe seit über drei
Jahren in einem hf-armen Tal im Zelt, um die nötige
Lebensenergie für den Tag zu haben. Auch ihm sei trotz
dringlicher Briefe an die Behörden nicht geholfen worden. Er
zeigt Bilder von "seinen Funklöchern", in denen
die Bäume in praller Hitze makellos wachsen und gedeihen.
Er stellt eindringlich
auch im Namen der vertretenen Ärzteinitiativen die ethische
Forderung nach mehreren Gebirgstälern, garantiert ohne
terrestrische Hochfrequenz, für hf-erkrankte Menschen, damit die
wieder ein menschenwürdiges Leben führen können. "Wenn
die Symptome dieser Personen in den hf-freien "Reservaten"
abklingen (Deexposition), ist dies ein weiterer, stark kausaler
Hinweis".
Die Präsentation
wird den Teilnehmern als pdf-Datei zur Verfügung gestellt.
Mit dem Vortrag von Herrn
Dr. Schorpp endet der erste Teil des Fachgesprächs, auf dem
unterschiedliche Sichtweisen präsentiert wurden. Herr Dr. Weiss
führt auf die Fragestellung des Workshops zurück und weist
auf die Punkte hin, die nach der Mittagspause diskutiert werden
sollen: Was sind gut ausgearbeitete Fallbeispiele, was ist
Kausalität, was ist geeignet für die Generierung von
Hypothesen, wo besteht ggf. noch Forschungsbedarf?
In der Mittagspause wird
ein in der Tagesordnung nicht vorgesehener Zusatzvortrag von Herrn
Dr. Scheiner akzeptiert.
Herr
Dr. Scheiner berichtet über den damals gerichtsanhängigen
Fall des 44-jährigen Elektromeisters A. G., der einige Wochen
nach Installation einer Mobilfunkantenne 17 Meter entfernt von seinem
Haus an aus der Literatur als "Mikrowellensyndrom" bezeichneten
Symptomen erkrankte (A. Johnson-Liakouris).
"Die
Beschwerden seiner massiven Schlaflosigkeit, permanenten Müdigkeit,
Erschöpfung, Schwindel, sowie sein hartnäckiger Tinnitus
verschwanden nur bei längerem Verlassen der Exposition im
Urlaub. Die Symptome des Mikrowellensyndroms sind einzeln zwar
unspezifisch, in ihrer Gesamtheit jedoch typisch. Epidemiologische
Studien, wie z.B. die "Lilienfeldstudie" (redigiert von Prof.
Goldsmith, 1998), die Erhebung von Prof. Santini R. (2002, 2003)
Prof. Mild (1998), und Arbeiten von Dr. Navarro, Dr. Oberfeld (2003)
und anderen zeigen signifikante Dosis-Wirkungsrelation sowohl rund um
Mobilfunkmasten (bei Santini z.B. 300 m), als auch bei Handynutzern
(z.B. Mild bei 11.000 Skandinaviern). Beschrieben wurde das
Mikrowellensyndrom bereits 1932 von den deutschen Forschern
Schliephake, Danzer 1934 und später von vielen sowjetischen und
amerikanischen Forschen (z.B. Gordon 1966, Frey 1975 u.a.)
Die
beklagte Schlaflosigkeit lässt sich kausal auch labormäßig
durch eine nächtliche Melatoninreduktion, erfassbar im
Nachtsammelurin durch den Metaboliten 6-OH-Melatonin-S untermauern.
Diese Melatoninreduktion sowohl durch hoch- als auch niederfrequente
Elektromagnetische Felder ist z.B. durch Burch (1997, 1999), Abelin
(1995) und Altpeter (Univ. Bern) und andere Forscher nachgewiesen
worden. Cherry (2001) zählt nicht weniger als 19 diesbezügliche
Studien bei Mensch und Tier z.T. mit signifikanter
Dosis-Wirkungsrelation auf. Eine notariell kontrollierte Studie der
Univ. Bern um den KW Sender Schwarzenburg hat gezeigt, dass sogar
die Dauerbelastung von 0,4 nW/cm² in nicht geringem Umfang
Schlaflosigkeit verursacht, dies wurde im Blindversuch durch Ein-
und Abschalten des Senders signifikant nachgewiesen. Da Melatonin als
Schlafhormon auch unser zentrales Abwehrhormon ist, wird auch
verständlich, dass rund um Radio- und TV-Sender wie z.B. den
"Sutra-Tower" in San Franzisco die Krebshäufigkeit oft
dosiswirkungsabhängig mit der Strahlendosis verknüpft ist
(Selvin. Hammet u. Edison 1997). Bei einer Dauerbelastung von 50
nW/cm² war das kindliche Krebsrisiko verdoppelt.
Tinnitus
wird ursächlich vielfältig auf Durchblutungsstörungen
zurückgeführt. Bei Herrn A.G. zeigt sich im
Dunkelfeldmikroskop ein Verkleben der roten Blutkörperchen, das
so genannte "Geldrollenphänomen", mit dadurch bedingter
Verminderung der Mikrozirkulation. Diese "Geldrollenbildung" ist
durch Forschungen von Petersohn 1998, Ritter und Wolski (2005) unter
Hochfrequenz heute gesichert und jederzeit leicht überprüfbar.
Zudem bezeichnet die SSK im Bundesanzeiger Nr. 43 (1992) vermehrten
Kalziumionenfluss aus Nervenzellen im athermischen Bereich heute als
"wissenschaftlich gesichert". Nach Bernhard (SSK) kann Tinnitus
auch mit minimalen Gehirnerwärmungen und entsprechend
akustischen Phänomenen im Innenohr in Verbindung gebracht
werden.
Als
Gerichtsgutachterfungierte im Fall A.G. Prof. Nowak, der jegliches
athermische Gesundheitsrisiko prinzipiell abstritt habe. Das Gericht
schloss sich jedoch der wissenschaftlichen Ansicht des Klägers
an. Da die Mutter des Klägers bedauerlicherweise während
des 8-jährigen Rechtsstreites Nierenkrebs bekam, wurde vom
Kläger in einen Vergleich eingewilligt, der zum Abbau der
Antenne führte. Tragischer Weise verstarb die Mutter des Klägers
trotzdem kurz nach dem für ihn günstigen Ausgang des
Rechtsstreites".
Herr
Dr. Scheiner plädiert für eine umgehende drastische
Absenkung der Grenzwerte.
TOP 5: Diskussion
Diskussionspunkt 1:
Kasuistiken
Herr Dr. Weiss leitet die
1. Diskussionsrunde mit der Einschätzung ein, dass die
Umweltmedizin bisher nicht im wünschenswerten Maß in die
Erkenntnisgewinnung eingebunden ist, dass dies aber nicht beliebig,
sondern nach wissenschaftlichen Standards geschehen müsse. In
diesem Zusammenhang werden zunächst gezielt die Teilnehmer
aufgerufen, die aktiv an der Ausarbeitung der RKI-Empfehlung
beteiligt waren, und um ihre Einschätzung des von ärztlicher
Seite zur Verfügung gestellten Materials gebeten. Insbesondere
soll diskutiert werden, ob es sich bei den vorgelegten Befunden um
gut aufgearbeitete Fallbeispiele handelt, ob sie als
Erkenntnisquellen zur Hypothesengenerierung oder gar für den
Nachweis ursächlicher Zusammenhänge geeignet sind.
Herr Prof. Kappos stimmt
dem Vortrag von Prof. Nowak in allem Wesentlichen zu. Er vertritt
ebenfalls die Ansicht, dass Fallbeispiele in der Medizin schon immer
eine sehr wichtige Funktion hätten. Für ihn sei ein
nachvollziehbares Experiment mit einer Person, bei der ein
Kausalzusammenhang festgestellt werden könne, mindestens genauso
gut, vielleicht sogar besser, als eine epidemiologische Evaluierung
mit Störfaktoren. Bezüglich der vorgelegten Fallbeispiele
geht Herr Prof. Kappos davon aus, dass die von Frau Dr.
Waldmann-Selsam vorgelegten Unterlagen nur einen Ausschnitt aus dem
erhobenen Material darstellen. Um eine mögliche Kausalität
herzustellen, müsse man jeden dargestellten Einzelfall auf eine
solche Kausalität prüfen. Ob das sinnvoll oder
wissenschaftlich gerechtfertigt sei, auch vor dem Hintergrund
sonstiger vorhandener Erkenntnisse, möchte Herr Prof. Dr. Kappos
zunächst offen lassen.
Beides, Epidemiologie und
Fallbeispiele seien nebeneinander zu berücksichtigen. Bei
relativ seltenen Phänomenen seien Fallbeispiele besonders
wichtig, da epidemiologische Methoden hier klare Grenzen hätten.
Schon bei der Evaluierung von relativ häufigem Lungenkrebs durch
Luftschadstoffe benötige man etwa 2 Millionen Betroffene und
etwa 2 Millionen Kontrollen, die ein Jahr lang beobachtet werden
müssten, um eine epidemiologisch fundierte Aussage machen zu
können. Dieses Beispiel veranschauliche das enorme Ausmaß
guter epidemiologischer Studien, das mit der Seltenheit der Befunde
ansteige.
Bei der vorgelegten
Auswahl von Kasuistiken müsste jeder Einzelfall gesondert mit
geeigneten Experimenten auf Kausalität geprüft werden. Die
beschriebenen Akutphänomene könnten für den Einzelfall
durch wissenschaftliche Expositions-/ Deexpositionsexperimente eine
mögliche Kausalität eindeutig und reproduzierbar belegen.
Ob eine im Einzelfall gefundene Kausalität ein Problem für
die Allgemeinheit darstellt, sei damit nicht geklärt und müsste
nicht notwendigerweise Verbote zur Folge haben. Wenn für seltene
Einzelfälle die Möglichkeit des Schutzes gegeben sei, indem
man z.B. belastungsfreie Territorien schaffe, dann wäre dies für
die Gesellschaft ethisch genauso gerechtfertigt.
Herr Prof. Eikmann betont
die Notwendigkeit, in den Einzelfällen alle schon vorliegenden
Vorbefunde zu prüfen. Er erläutert das weitere Vorgehen am
Beispiel MCS (Multiple Chemical Sensitivity = multiple
Chemikalienunverträglichkeit). Im Zentrum für klinische
Umweltmedizin der Universität Gießen würde bei einem
Patienten, der als Ursache seiner Beschwerden MCS angibt, zunächst
geprüft, ob es Umwelteinwirkungen gibt, welche seine Beschwerden
erklären könnten. Dazu gehören z.B.
Vor-Ort-Untersuchungen mit Messungen, humanbiomonitorische
Untersuchungen usw., um eine mögliche Exposition zu
objektivieren, was alleine mit Fragebögen nicht möglich
sei. Die Expositionsabklärung sei ein extrem wichtiger Punkt,
egal mit welchen Erklärungsmustern ein Patient zu ihm käme.
Es reiche Herrn Prof.
Eikmann nicht aus, dass ein Patient das Mobiltelefon oder Sonstiges
als Ursache der Beschwerden angibt. Es müsse vielmehr mit vielen
weiteren Erkundungen geprüft werden, ob andere Erklärungsmuster
vorliegen können. Offene klinische Befunde müssten auch mit
den beteiligten Ärzten objektiviert und weiter abgeklärt
werden. Erst in einer gemeinsamen Besprechung der beteiligten
Fachärzte unter obligatorischer Einbindung eines
Psychosomatikers würde der individuelle Fall dann beurteilt.
Herr Prof. Eikmann ergänzt, dass viele seiner MCS-Patienten oder
auch Patienten, die ihre Beschwerden auf Zahnersatzmaterial
zurückführen, die gleichen Beschwerden äußern,
wie sie von Frau Waldmann-Selsam beschrieben werden. Prof. Eikmann
macht deutlich, dass es nicht angemessen sei, eine gebotene Erklärung
"einfach so" anzunehmen. Explizit spricht Prof. Eikmann kritisch
das "Gutachten" eines Arztes im Fall Bücher an, in dem
dieser eine kausale Verknüpfung bestätigt. Prof. Eikmann
äußert sein diesbezügliches Unverständnis, da
der betreffende Kollege seiner Ansicht nach eine solche Feststellung
so nicht treffen könne und verweist auf Gerichtsverfahren, in
denen seiner Erfahrung nach derartige "Atteste" keinen Bestand
hätten.
Für Herrn Prof.
Eikmann ist die Aufklärung des tatsächlichen Umweltbezugs
das A und O und da liege in Deutschland der allergrößte
Mangel. Es reiche nicht aus, sich über Internetrecherche o.ä.
sachkundig zu machen, sondern man müsse viel Erfahrung auf dem
Gebiet haben und tief in die Materie einsteigen.
Herr Prof. Nowak stimmt
Herr Prof. Eikmann zu. Wenn Patienten mit bestimmten
Kausalitätsvorstellungen kämen, müsse das objektiviert
und - wenn möglich und technisch praktikabel – experimentell
überprüft werden. Ziel müsse in jedem Fall sein, die
Wahrheit herauszufinden, da nur so wirkliche Hilfe für den
Patienten möglich sei. Explizit zum Fall Kleilein, wo der
leitende Arzt der Notaufnahme im Klinikum Coburg ADHS-ähnliche
Symptome seines Sohnes mit einer DECT Basisstation in Verbindung
gebracht hat, bemerkt Prof. Nowak, dass dies für Ihn keine
befriedigende Kasuistik sei. Eine geeignete Herangehensweise zur
Objektivierung wäre nach Auffassung von Herrn Prof. Nowak, wenn
das DECT-Telefon verblindet, randomisiert (d.h. zufallsverteilt, ohne
dass das Kind, der Vater oder der untersuchende Arzt weiß, ob
das Gerät aktiv ist oder nicht) und wiederholt an- und aus
geschaltet wird und der Proband über ein Symptomtagebuch seine
Befindlichkeit darstellt. Herr Prof. Nowak äußert durchaus
Interesse daran, dieser Kasuistik auf den Grund zu gehen, was aber
voraussetzen würde, dass die betroffenen Personen einer erneuten
HF-Exposition zustimmen würden. Ohne diese Bereitschaft wäre
eine weitere Abklärung nicht möglich und es bliebe eine
generierte Hypothese übrig, die aber nicht überprüft
wurde. Der Fall Kleilein sei für Prof. Nowak dann eine "May-be"
Kasuistik.
Herr Prof. Kappos findet
die von Dr. Eger vorgetragene Anregung der Überprüfung
eines Zusammenhanges von ADHS und DECT-Basisstationen durchaus
sinnvoll. Wenn es einen stark kausalen Zusammenhang zwischen
"Zappel-Phillip-Syndrom" und DECT-Telefonie gäbe, sei dies
durch geeignete Studien relativ klar, eindeutig und einfach zu
klären. Wenn der Zusammenhang jedoch nur sehr gering wäre,
käme man wieder in Schwierigkeiten mit der Dimension der Studie,
die für die Findung der schwachen Kausalität notwendig
wäre.
Herr Dr. Scheiner betont,
dass für ihn als Arzt der therapeutische Erfolg an erster Stelle
stünde. Er spricht von einer Fülle von ärztlichen
Erfahrungen, wo das Ziehen des Netzsteckers einer DECT-Station,
zumindest bei funktionellen Störungen, überraschend häufig
eine zuverlässige Besserung gebracht hätte, die sich zum
Teil auch objektivieren ließen. Diesbezüglich könnten
zur Kausalitätsfindung in der Klinik von Prof. Nowak geeignete
Studien durchgeführt werden.
Frau Dr. Aschermann weist
darauf hin, dass es Unterschiede gäbe zwischen den
Elektrosensiblen: Die einen spürten innerhalb von Sekunden, wo
ein Sender stehe, andere reagierten zeitverzögert und andere
wieder würden - nach längerer Strahlenbelastung - zwei bis
drei Tage später krank. Auch könne die
Belastungssymptomatik u.U. noch nach Beendigung der Exposition
anhalten. Diese Individualität müsse bei Tests
berücksichtigt werden, die Menschen könnten meist sehr
genau schildern, wann sie wie reagierten. Ein schematisches Testen
könne zu falsch-negativen Ergebnissen führen.
Sie erwähnt Frau G.,
die den meisten Teilnehmern aufgrund ihrer zahlreichen Eingaben seit
1993 an BMU, BfS, Gesundheitsämter u.a., ein Begriff ist, die
auch an der Universität Witten-Herdecke getestet worden sei.
Frau G. sei sehr elektrosensibel gewesen und habe Plätze mit
unverträglich hoher Strahlenbelastung sicher orten können.
U.a. habe sie mit extrem hohen Blutdruckwerten reagiert. Dr. Klawe
vom Gesundheitsamt Passau habe bei ihr Werte über 250 mm Hg
festgestellt und daraufhin die Untersuchung abgebrochen. Frau G. habe
(Dez. 2001) einen Schlaganfall erlitten und sei im Dezember 2004 akut
verstorben im Alter von 57 Jahren. Frau Dr. Aschermann erkundigt
sich, ob Blutdruck- und EKG-Untersuchungen in Witten-Herdecke
kontinuierlich während der Tests auf Elektrosensibilität
durchgeführt würden. Dies sei nicht der Fall, hieß
es, nur am Anfang werde gemessen.
Herr Dr. Reissenweber
plädiert aus seiner Erfahrung heraus ebenfalls für die
wissenschaftliche Herangehensweise; in gezielten Versuchen könnten
mögliche andere Einflüsse ausgeschaltet bzw. standardisiert
werden. Die Exposition müsse randomisiert und wiederholt
erfolgen.
Herr Dr. Dahmen merkt an,
dass bereits in ca. 20, darunter auch gut ausgearbeiteten Studien
versucht worden sei, eine Kausalität zwischen gesundheitlichen
Beschwerden und HF-Exposition festzustellen, die jedoch alle negativ
ausgefallen seien (d.h. ein Zusammenhang konnte nicht gezeigt
werden). Da zudem Menschen, die sich am stärksten von EMF
betroffen bzw. geschädigt fühlen, auch die meiste Angst vor
einer Exposition hätten und am wenigsten bereit seien, an
Studien teilzunehmen, sei Herr Dr. Dahmen hinsichtlich einer weiteren
Provokations-Studie gleichen Designs skeptisch.
Frau Dr. Schlehofer sieht
in der laufenden Diskussion die Gefahr, dass nicht ausreichend
zwischen Aussagen für einen Einzelfall und epidemiologischen
Aussagen über Wahrscheinlichkeiten in der Gesamtheit der
Bevölkerung unterschieden werde. Bei Betrachtungen auf
Einzelfallebene müsse man auch beim Einzelfall bleiben und die
Ursachen der Beschwerden objektiv abklären, da sonst dem
Patienten nicht geholfen würde. Auf der Ebene der Epidemiologie
hingegen würde z.B. mit standardisierten psychometrischen
Testverfahren gearbeitet, jedoch keine Einzelfalldiagnostik
durchgeführt. Ein Vermischen dieser Ebenen würde weder der
Wissenschaft noch dem Einzelfall gerecht. Sie merkt zudem an, dass
zahlreiche der genannten Symptome bereits in laufenden Studien
untersucht würden. Die Frage sei, "wo dies noch nicht der
Fall ist, d.h. wo noch weiterer Bedarf besteht".
Der Medizinmeteorologe
Walter Sönning berichtete von kausalen Einflüssen
kurzfristiger, natürlicher Wettervorgänge auf den
Organismus von Mensch und Tier (Wetterbiotropie, Wetterfühligkeit).
Der maßgeblich kausale "biotrope Wetterfaktor" beruhe
auf natürlichen, elektromagnetischen Entladungen in der
Atmosphäre. Keine sichtbaren Blitze, sondern niederfrequente,
atmosphärische Impulsstrahlung, die sogenannten Sferics oder
Atmospherics seien dafür verantwortlich. Sferics seien ein
meteorogenes (wetterverursachtes) EM Impuls-Frequenzspektrum zwischen
ca. 3 kHz und 60 kHz. Spezielle resonanzfähige Impulsformen
daraus beeinflussten im industriellen Prozess verifizier- und
quantifizierbar die Diffusionsfähigkeit dünner Folien aus
fotographischer Dichromat-Gelatine, die als biochemisches
Membransystem bei der Ätzung der Druckzylinder beim
Rakel-Tiefdruckverfahren eingesetzt worden seien. Die Wetterbiotropie
bestünde – je nach Impulsform – in einer Labilisierung bzw.
Stabilisierung der Membranstruktur durch eine temporäre
Beeinflussung der Resonanzstabilisation der Kollagenmoleküle des
Membranmaterials (Baumer, Eichmeier). Die "biotropen"
Impulsformen stünden in spezifischem Zusammenhang mit Prozessen
der atmosphärischen Dynamik (Sönning).
Untersuchungen am
Max-Planck-Institut für Biochemie (Mü.-Martinsried) hätten
die biochemisch/biologische Wirksamkeit dieser speziellen
Impulsformen nachgewiesen (Ruhenstroth-Bauer et al.). Die für
den industriellen Prozess hochstandardisierte, fotographische
Dichromat-Gelatine konnte damit als verifiziertes, meteorotropes,
biochemisches Membransystem ebenso als Modell für biologische
Zellmembranen betrachtet werden. Das gesamte korrelationsstatistisch
erarbeitete medizinmeteorologische Material war erstmals kausal zu
begründen. Künstlich reproduzierte Sferics lösten die
gleichen biologischen Wirkungen aus!
Herr Sönning wies
schließlich auf die seiner Ansicht nach grundsätzliche
Ähnlichkeit der Syndrome der Wetterfühligkeit mit der seit
vielen Jahren beschriebenen Elektrosensibilität bei Exposition
gegenüber niederfrequent gepulster Hochfrequenzstrahlung hin.
Herr Dr. Bornkessel gibt
unter Bezugnahme auf die von Frau Dr. Waldmann-Selsam durchgeführten
Vor-Ort-Messungen einige Hinweise zum Thema Expositionsermittlung.
Das verwendete Messgerät sowie die Fähigkeiten des Gerätes,
korrekt zu messen, sollten angegeben werden. Auch müsste
nachvollziehbar sein, ob der räumliche Mittelwert, der Wert an
einem fixen Punkt oder der Peakwert (d.h. der höchste während
der Messung auftretende Wert) festgehalten wurde, da sich hier große
Unterschiede ergeben können. Der räumliche Mittelwert könne
z.B. um Faktoren von bis zu 100 unter dem Maximalwert liegen. Auch
wäre festzuhalten, ob ein zeitlicher Augenblickswert oder ein
Maximalwert ermittelt wurde. Ideal wären frequenzspezifische
Messgeräte, um Rundfunk und Fernsehen abgrenzen zu können.
Er sei im Übrigen auch angesichts des mittlerweile in Teilen
Deutschlands eingeführten digitalen Fernsehens nicht der
Meinung, dass der Beitrag von Rundfunk- und Fernsehsendern zur
Gesamt-HF-Belastung vernachlässigbar sei.
Herr Dr. Eger und Herr
Dr. Schorpp vertreten im Verlaufe des Workshops die Ansicht, dass die
biologische Belastung nicht unbedingt gleichzusetzen sei mit der
gemessenen Amplitude (oder Leistungsdichte) eines Gesamt-HF-Signals".
Z.B. seien die tödlichen Dosen bei Versuchstieren im
Frequenzbereich des Mobilfunks wesentlich geringer als bei den
niedrigeren Rundfunk- und Fernsehfrequenzen, die biologisch auch in
anderer Hinsicht weniger kritisch seien (Modulation). Die schädigende
Wirkung auf Bäume steige nach Beobachtungen von Herrn Dr.
Schorpp ebenfalls deutlich mit der Frequenz. Zusätzlich müssten
mögliche Synergien auf biologische Effekte durch das
Zusammenspiel der unterschiedlichen Signale beachtet werden.
Frau Dr. Waldmann-Selsam
würde sich über eine Zusammenarbeit mit Herrn Dr.
Bornkessel sehr freuen. Sie betont, dass es sich bei Ihren Messungen
um orientierende Messungen handele und im Einzellfall, wie im Fall
Icking fachkundige Messungen durchgeführt würden. Sie wisse
durch Vergleiche, dass sie in aller Regel zu niedrig messe.
Entscheidend sei jedoch die Größenordnung und die
regelmäßige Bestätigung, dass sich die Bewohner quasi
nur noch in den Zimmern mit den geringeren Messwerten aufhielten.
Sie habe ihre Messungen
immer am Schlafplatz und am Hauptaufenthaltsort durchgeführt.
Den Anteil von DECT-Telefonen an der Gesamtbelastung habe sie in den
besuchten Haushalten aus der Differenz zwischen den Ergebnissen bei
ein- bzw. ausgeschaltetem DECT-Gerät ermittelt.
Zum weiteren Vorgehen
schlägt Herr Prof. Nowak vor, zu versuchen, eine kleine, aber
hochwertige Zahl von Kasuistiken zusammenzutragen, mit denen ggf.
gezeigt werden könnte, dass es Menschen gibt, die
überempfindlich reagieren. Sollte dies gelingen, wäre mit
einer derartigen positiven Kasuistik für die betreffenden
Patienten viel gewonnen. Diese Absicht ginge allerdings dann ins
Leere, wenn Patienten zu entsprechenden Untersuchungen nicht bereit
sind. Herr Prof. Nowak spricht noch einen weiteren Punkt an, der ihm
am Herzen liegt: In seinen Augen sei es keinesfalls zielführend
und angebracht, psychische bzw. psychosomatische Erklärungsmuster
als "bloß psychisch" abzuwerten. Er legt großen Wert
auf die Feststellung, dass nichtsomatische Erklärungsmodelle mit
gleicher Würde und Ernsthaftigkeit zu behandeln seien wie rein
somatische. Sie müssen für Mediziner äquipotent und
äquivalide sein.
Frau Dr. Waldmann-Selsam
wendet ein, dass es sich z.B. im angesprochenen Fall von Frau S. um
eine körperlich und psychisch sehr stabile Frau handele. Als ihr
Calcium-Spiegel in einer Reha-Klinik mit Mobilfunksender abgesunken
sei und bei ihr tetanische Symptome aufgetreten seien, hätten
die Ärzte die Calcium-Gabe verweigert aus Unkenntnis der
Möglichkeit hochfrequenzinduzierter Hypocalcämie. Sie
hätten fälschlicherweise eine psychische Ursache
angenommen.
Frau Dr. Schlehofer
stimmt Herrn Prof. Nowak zu und ergänzt, dass die eine Erklärung
die andere nicht ausschließe. Bei dieser Gelegenheit weist sie
darauf hin, dass ihrer Ansicht nach die Ursachen für die in
mehreren Fallbeispielen beschriebenen Besserungen der Beschwerden bei
Ortsveränderung aus den vorgelegten Unterlagen nicht hinreichend
zu klären seien.
Herr Prof. Eikmann
schließt sich den Ausführungen von Herrn Prof. Nowak an
und macht auf folgendes aufmerksam: wollte man die vorgelegten Fälle
in wissenschaftlich sinnvolle Form bringen, könnte das seiner
Ansicht nach durchaus schwierig sowohl für die Patienten als
auch für die ärztlichen Kollegen werden. Sollte Prof.
Eikmann die Fallbeispiele durchgehen, bräuchte er in jedem
Einzelfall die vollständigen Unterlagen der behandelnden Ärzte.
Er würde dann eine eigene Diagnose erstellen, die in einer
Fallkonferenz zusammengeführt würde. Dabei wäre u.a.
auch zu klären, ob tatsächlich eine relevante Exposition
vorliegt oder nicht. Er weist darauf hin, dass hier
Kompromissfähigkeit gefordert wäre sowie die Bereitschaft,
von eigenen Urteilen abzurücken. Auch er vertritt die Ansicht,
dass mögliche psychische Aspekte berücksichtigt werden
müssten.
Herr Dr. Eger weist
darauf hin, dass die Familie Kind ihr verlassenes Haus gerne für
Studienzwecke zur Verfügung stelle. Hier könnte eine Studie
mit einer größeren Anzahl von Probanden, die sich dort für
eine gewisse Zeit exponieren, stattfinden.
Herr Dr. Weiss hält
fest, dass Herr Dr. Bornkessel in einem erstem Schritt bereit wäre,
(nachdem bereits im Jahr 2004 Messungen durch die TU Dresden und das
Staatliche Umweltamt Radebeul vorgenommen wurden), eine erneute
HF-Messung im Haus der Familie Kind durchzuführen. Die
Einzelheiten werden vom BfS weiter verfolgt.
Herr Dr. Scheiner weist
noch darauf hin, dass häufig Elektrosensible nicht besonders
HF-belastet seien, weil sie eben die Exposition meiden. Nach seiner
Auffassung haben diese Personen eine Art "Lackmus-Funktion", sie
zeigen eine Gefährdung an, die andere nicht spüren.
Generell sucht er eine geeignete klinische Einrichtung, in der man
Elektroallergiker untersuchen kann.
Frau Dr. Aschermann
verweist auf ihre Publikation "Beobachtungen zu Mobilfunk aus einer
psychotherapeutischen Praxis", veröffentlicht in der
Zeitschrift "Umwelt-Medizin-Gesellschaft", 17, 2004, Heft 1. Sie
beobachte seit Ende 1996 Patienten mit einer sehr auffälligen,
neuartigen Symptomatik: "Die Symptomatik entspricht dem hier
bereits genannten Mikrowellensyndrom - in unterschiedlicher
Ausprägung. Als Gemeinsamkeit bieten die Patienten
hirnorganische Störungen: Störungen von Kurzzeitgedächtnis
und Konzentration, Fehlhandlungen und Wortfindungsstörungen. Ich
fand eine Häufung in bestimmten Stadtvierteln, die ich nicht
erklären konnte" sagt Frau Dr. Aschermann. Erst 1999 habe
sie den Zusammenhang mit Mobilfunksendern und DECT-Telefonen
hergestellt. Sie legt eine Tabelle über die Untersuchung von 65
Patienten vor, in der übersichtsmässig u.a. somatische und
psychotherapeutische Faktoren der Anamnese, Metallbelastung,
DECT-Telefon und anderer Elektrosmog, Umgebungserkrankungen sowie der
anhand des Stadtplans geschätzte Abstand vom Mobilfunksender
aufgeführt werden. Sie betont, dass keiner der Patienten die
Ursache seiner Beschwerden in der Mobilfunktechnik gesehen habe, und
sie selbst in den Jahren bis 1999 auch nicht. Sie erwähnt, dass
Frau Professor Berg auf ihre Anregung die Frage nach hirnorganischen
Störungen in ihre Studie aufgenommen habe (Querschnittsstudie
des Deutschen Mobilfunkforschungsprogramms).
Herr Dr. Weiss beendet
den ersten Teil der Diskussion und zieht das Fazit, dass bezüglich
der vorgelegten Fallbeschreibungen deutlich Ergänzungsbedarf
z.B. hinsichtlich Expositionserfassung sowie multikausalem statt
monokausalem Denken formuliert wurde. Als positiv wird das Bemühen
gesehen, einen weiteren gemeinsamen Weg zu finden. Zur Einleitung in
den zweiten Diskussionsteil spricht Herr Dr. Weiss die Frage nach
akuten Effekten versus Langzeiteffekten an, die jeweils
unterschiedliche Untersuchungsstrategien erfordern und fragt nach
konkreten Vorstellungen für ein mögliches weiteres
Vorgehen. Aus der folgenden Diskussion kristallisiert sich der Ansatz
heraus, zu versuchen, mit einer "kleinen aber feinen" Zahl von
Fällen weiter voranzukommen.
Diskussionspunkt 2:
Strategien
Herr Prof. Kappos stimmt
Herrn Prof. Nowak zu. Auch aus seiner Sicht sei seine einfache Studie
mit einer begrenzten Zahl von Probanden das einzig mögliche. Er
geht davon aus, dass sich aus dem vorgelegten Material Personen
finden ließen, die sich für eine solche Studie zur
Verfügung stellen würden. Die Fragestellung, ob es Menschen
gibt, die auf hochfrequente elektromagnetische Felder akut
empfindlich reagieren, könnte damit vielleicht beantwortet
werden. Auf Nachfrage von Herrn Dr. Weiss erläutert er seine
Vorstellungen dahingehend, dass man sich mit den Personen, denen die
Ursprungsdaten zur Verfügung stehen, zusammensetzen, die Fälle
durchgehen und eruieren müsse, ob die jeweiligen Patienten
bereit seien, an einer Untersuchung, deren Design noch festzulegen
wäre, teilzunehmen. Die Fälle müssten so aufgearbeitet
werden, dass mögliche ursächliche Zusammenhänge klar
herauskommen.
Herr Prof. Eikmann
vertritt die Ansicht, dass über das vorliegende Material noch
einmal in die Einzelfälle "einzusteigen" sei. Dies sei
die Voraussetzung, damit man mit den Unterlagen arbeiten könne.
Ein einheitliches Vorgehen hinsichtlich Anamnese, Diagnostik und
Expositionserfassung wäre notwendig. Insofern schließt
sich Herr Prof. Eikmann den schriftlich vorliegenden Ausführungen
von Frau Prof. Blettner an. (In Kürze zusammengefasst
charakterisiert Frau Prof. Blettner das vorgelegte Material als eine
Sammlung von Fallbeispielen, die sehr unterschiedlich aufbereitet
sind, z.T. Arztbriefe, z.T. Selbsteinschätzungen, z.T.
Fragebögen, so dass für sie eine systematische Bewertung
nicht möglich war. Auch sie stellt fest, dass für jeden
Einzelfall eine detaillierte klinische Anamnese notwendig wäre,
um alternative Erklärungen beurteilen zu können. Eine
einheitliche Erfassung der Beschwerden in validierten Fragebögen
wäre ihrer Ansicht nach notwendig, um zu belastbaren Aussagen zu
kommen.) Entscheidend wäre für Herrn Prof. Eikmann,
nochmals an die Patienten und auch an die tatsächlich
behandelnden Ärzte heranzutreten.
Darauf stellt Herr Dr.
Weiss an Frau Dr. Waldmann-Selsam die Frage, ob ein solches Vorgehen
für sie denkbar wäre. "Ja, unbedingt", sie könne
sich dies als einen Teil der Untersuchungen vorstellen. Aber
wichtiger für sie sei es und darum bitte sie alle Anwesenden, an
den Standorten mit besonders schwerwiegenden Fällen und mit
großen Häufungen von Erkrankungen, wo ganze Straßenzüge
betroffen seien, sofort Untersuchungen einzuleiten. Sie fragt, ob es
möglich sei, z.B. in Icking, in Haibach und in Völklingen
fachgerechte EMF-Expositionsmessungen durchzuführen und zusammen
mit den Ärzten vor Ort eine gründliche Erhebung des
Gesundheitszustandes zu machen. Um die Frage nach der Kausalität
zügig klären zu können, müsste dann eine
Senderabschaltung veranlasst werden (Deexposition) und die
Untersuchungen nach etwa drei Monaten wiederholt und verglichen
werden. Diese Forderung wird von den anderen Vertretern der
Ärzteinitiativen unterstützt.
Herr Dr. Weiss vertritt
die Ansicht, dass diese Forderung weder realistisch noch rechtlich
möglich sei. Die Möglichkeit, zu Studienzwecken einen
Sender vorübergehend abzuschalten, sei im übrigen vom BfS
im Rahmen der so genannten "Schlafstudie" des DMF mit den
Betreibern umfassend diskutiert worden – die Betreiber hätten
jedoch abgelehnt.
Frau Dr. Waldmann
erwidert, "bei einem so fundierten Verdacht sind die Betreiber
nicht mehr zu fragen, eine zügige Klärung ist notwendig".
Sie fragt, was sie den vielen Betroffenen sagen solle, die alle auf
dieses Fachgespräch hoffen. Viele Schicksale warteten darauf
gesagt zu bekommen, wo sie hinziehen können, um der Strahlung zu
entkommen.
Herr Prof. Kappos hält
dem entgegen, dass hier seiner Ansicht nach die pragmatische und
rechtliche Situation verkannt werde. Wer eine Schädigung durch
Mobilfunk behaupte, müsse hierfür – auch als Arzt – den
Beweis führen.
Herr Dr. Eger schlägt
vor zu versuchen, eine richterliche Verfügung zur
Mastabschaltung zu erwirken, wie das z.B. in Spanien schon mehrfach
der Fall gewesen sei. Zudem solle von Seiten des Bundesamtes für
Strahlenschutz das Problem der Bundeskanzlerin und dem
Bundespräsidenten persönlich vorgelegt werden.
Herr Dr. Dahmen weist
darauf hin, dass – abgesehen von der Frage der Machbarkeit – eine
den Probanden bekannte Senderabschaltung das wesentliche Element der
Verblindung herausnehmen und eine derartige Studie in Aussagekraft
und wissenschaftlicher Akzeptanz massiv schwächen würde.
Herr Dr. Scheiner
unterstreicht: "Exposition und Karenz sind die absoluten
Basisgrößen bei allen möglichen
Verträglichkeitsprüfungen, ob bei Medikamenten,
Nahrungszusatzstoffe usw." Er erinnert an die gemeinsame
Verantwortung gegenüber den Menschen, die unter der Strahlung
litten. Es sei für ihn schwer darstellbar, trotz des heutigen,
wissenschaftlichen Kenntnisstandes weiter zu forschen und die
Patienten dadurch "zu einem weiteren Leiden zu zwingen."
Herr Dr. Eger wirft ein,
dass ihm die Abklärung der Gesundheitsprobleme zu zögerlich
verlaufe und dass Ärzte oft wichtige Entscheidungen in kürzester
Zeit auch nachts treffen müssten.
Herr Dr. Weiss wiederholt
seine Ansicht, dass die Forderung von Senderabschaltungen zu
Studienzwecken weder realistisch noch rechtlich möglich sei. In
Deutschland existiere ein nach seinem Verständnis
wissenschaftsbasiertes Rechtssystem und bei der Mobilfunktechnik
handele es sich um eine akzeptierte Technik. "Mobilfunkbasisstationen
werden nach geltendem Recht betrieben" sagt Herr Dr. Weiss und
äußert sich dahingehend, dass es zwar jedem frei stünde,
den deutschen Bundestag als den Gesetzgeber zu überzeugen, die
Mobilfunktechnik abzuschaffen, dass dies aber weder im Ermessen des
BfS noch des BMU läge und derartige Forderungen insofern in
Leere gingen.
Herr Dr. Schorpp
entgegnet, dass bei einer zunehmenden Zahl von Sendern die Verträge
bald auslaufen würden, weil die Vermieter nicht verlängerten.
Senderabschaltstudien seien dort seiner Ansicht nach in ausgesuchten
Fällen grundsätzlich möglich.
Herr Dr. Weiss beendet
die Diskussion zum Thema "Senderabschaltungen", da diese mit dem
BfS nicht zu machen seien und weist darauf hin, dass bereits gangbare
Vorschläge zum weiteren Vorgehen gemacht worden seien. Herr Dr.
Böttger stellt ebenfalls fest, dass nach derzeitiger Rechtslage
keine Möglichkeit zu Senderabschaltungen gegeben sei und
versucht, zum Machbaren und zum Ziel des Fachgesprächs
zurückzukommen.
Einen gangbaren Weg sieht
Herr Dr. Böttger im Versuch, mit 10 bis 20 guten, vollständigen
Patientenakten ggf. belastbare Argumente zu finden. Dies sei im
Übrigen bereits seit 2003 sein Wunsch.
Herr Prof. Kappos
ergänzt, dass hierbei die Ärzte eingebunden sein müssten,
wobei er davon ausgeht, dass die Autoren der Appelle, die die
Fallbeispiele bereitstellen, auch tatsächlich die behandelnden
Ärzte sind.
Die Vertreter der
Ärzteinitiativen stellen klar, dass die meisten von ihnen
niedergelassene Ärzte seien und von Ihrer Praxis leben würden
und kaum Spielraum bestünde, über das bisherige,
ehrenamtliche, zeitliche Engagement hinaus, wissenschaftliche Arbeit
zu leisten.
Frau Dr. Waldmann-Selsam
spricht noch zwei weitere Ansätze an, zum einen die Möglichkeit
der Untersuchung und statistische Auswertung stark HF-exponierter
Gruppen, z.B. am Arbeitsplatz, zum anderen die Weiterverfolgung von
Menschen, die seit 1995 Schreiben an Behörden verfasst haben.
Letzteres wird zum
Protokoll genommen. Hinsichtlich der Untersuchung stark exponierter
Gruppen wird auf die Ausführungen von Frau Dr. Kreuzer zum
Beginn des Fachgesprächs verwiesen. Eine derartige Studie war
geplant, hatte sich jedoch als nicht machbar erwiesen.
Herr Dr. Weiss schlägt
vor, bei dem Bereich zu bleiben, den BfS und BMU verantworten können.
Als ein konkreter Ansatzpunkt kristallisiert sich die Frage nach
einem möglichen Zusammenhang von ADHS-Medizinverbrauch und
DECT-Telefonen heraus, die bereits von Herrn Dr. Eger angesprochen
worden war. Frau Dr. Kreuzer wird zunächst klären,
inwiefern diese Fragestellung bereits in den laufenden Studien des
DMF verankert ist bzw. was ggf. in laufenden Studien ergänzt
werden könnte. Dieser Punkt soll in einem Dreiergespräch
(Dr. Eger, Dr. Kreuzer, Prof. Nowak) nach erfolgter Abklärung
weiter diskutiert werden.
Als nächstes wird
von den Ärzten die Frage aufgeworfen, ob das Haus der Familie
Kind genutzt werden könnte, um ca. 10 Personen dort
unterzubringen, um z.B. Melatonin zu untersuchen. Herr Dr. Weiss
stellt fest, dass neue Studien nicht einfach "aus dem Hut"
gezogen werden können. Es könnte höchstens geprüft
werden, ob der Punkt sinnvoll in bereits laufende Studien, z.B. die
Studie von Frau Prof. Danker-Hopfe integriert werden könnte. BfS
wird dies zusammen mit den Forschungsnehmern klären.
Frau Dr. Aschermann fragt
nach, wer für Vorsorge zuständig sei. Herr Dr. Weiss
erläutert die Vorsorgeempfehlungen des BfS und stellt klar, dass
es sich um Empfehlungen handelt, keinesfalls jedoch um Ge- oder
Verbote.
Im weiteren Verlauf der
Diskussion stellt Frau Dohmen die konkrete Frage, welche Anzahl von
Kasuistiken erforderlich sei, damit das BfS "z.B. die DECT
Telefone zurücknimmt". Sie erinnert an Contergan und
Lipobay, wo eine bestimmte Zahl von Fällen ausreichte, um die
Medikamente vom Markt zu nehmen, auch bei BSE und der Hühnergrippe
reichte eine bestimmte Fallzahl aus, um die Abschlachtung von
Tausenden von Tieren einzuleiten. "Wie viele Kasuistiken
brauchen Sie, damit Sie aktiv werden können?" Dass nach
dem Freiburger Appell weitere Appelle folgten, zeige, dass viele
Ärzte die gleichen Beobachtungen machten. Es gäbe
ausreichend viele Schadensfälle, die Ärzte dokumentieren
könnten. Die Not dieser durch Mobilfunk geschädigten
Menschen werde immer größer. Sie alleine wisse von 5
Patienten, die mittlerweile selbst im Winter im schützenden Wald
übernachten und lieber die damit verbundenen Unannehmlichkeiten
in Kauf nehmen, als sich weiter der Funkbelastung an ihrem Wohnort
auszusetzen. Was müsse noch passieren, dass diesen Menschen in
ihrer Not und Verzweiflung geholfen werde und dieser Druck laste auch
auf den betreuenden Ärzten.
Frau Dohmen unterstreicht
die enorme Bedeutung der zunehmenden Anzahl von ihrer Erfahrung nach
durch Hochfrequenz beeinträchtigten und geschädigten
Bürgern, die heute schon schätzungsweise 10% der
Bevölkerung ausmachten. Sie schildert einen Beispielfall einer
Behördenangestellten, die etwa 20 Jahre problemlos arbeitete.
"Aufgrund der Schädigung durch einen Mobilfunksender nahe
ihrem Arbeitsplatz musste diese in mittlerem Lebensalter einen
Rentenantrag stellen, weil die Behörde ihr keinen funkfreien
Arbeitsplatz zu Verfügung stellen kann". Dies sei kein
Einzelfall und sie frage sich, was für hohe Kosten da auf die
Bundesrepublik noch zukommen. Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen
läge auch an dem starken Anstieg chronischer HF-Belastungen und
alles müsse von der Gemeinschaft aufgefangen werden. Sie sehe
dringenden Handlungsbedarf.
Herr Dr. Weiss bittet die
Teilnehmer um konkrete Antwort auf die gestellte Frage bezüglich
der "notwendigen Anzahl".
Herr Dr. Dahmen glaubt
nicht, dass man eine konkrete Anzahl von Kasuistiken angeben könne.
Bei Lipobay seien es 60 bis 70 Todesfälle gewesen, die zur
Rücknahme des Medikaments führten, dagegen hätte man
in den siebziger Jahren etwa 15.000 Verkehrstote akzeptiert, ohne das
Auto gleich abzuschaffen. Herr Dr. Dahmen sieht ein
Wahrnehmungsproblem, eine deutliche Wahrnehmungsdiskrepanz der
HF-Problematik zwischen einerseits vielen Politikern und
Wissenschaftlern und andererseits den hier vertretenen
Ärzteinitiativen. Es gehe nicht um die Anzahl, sondern um die
Frage, wie man erreichen könne, dass die Basis der
Entscheidungsgrundlage breiter und sicherer wird. Er merkt an, dass
bisher wenig über den zeitlichen Verlauf der Beschwerden bekannt
sei und regt an, die Fallsammlung zu verwenden, um zu versuchen,
Beschwerdeverläufe langfristig zu verfolgen.
Herr Prof. Nowak vertritt
die Ansicht, dass es bei den Kasuistiken nicht um Quantität
gehe: "Wir haben hier ja schon einen ganzen Leitzordner
voll", sondern um die Qualität. Zehn richtig gute
Kasuistiken würden ihm persönlich ausreichen, um daraus
eine Hypothese zu generieren und diese dann experimentell zu testen.
Aber selbst die hier angesprochenen "guten Kasuistiken"
hätten für ihn noch zu viele "weiche Stellen"
und sie würden ihm "vorne und hinten nicht reichen".
Wobei er "gesteht" nur etwa ein Drittel der Akten habe
durcharbeiten können. Er betont die Möglichkeit und seine
Bereitschaft, zum Versuch beizutragen, die 10-20 aussichtsreichsten
Kasuistiken durch weitere Untersuchungen "in einen höheren
Grad der Validität" zu bringen.
Die Vertreter der
Ärzteinitiativen finden die Frage von Frau Dohmen nicht
befriedigend beantwortet und wünschen die Aufnahme des folgenden
Satzes ins Protokoll:
"Auf die wiederholte
Frage nach der notwendigen Anzahl von HF-Kasuisitiken erhält
Frau Dohmen keine Zahl genannt, die zur Rücknahme z.B. der
DECT-Telefone führen würde".
Zu der in diesem
Zusammenhang kurz angesprochenen Kostenfrage für die
Durchführung entsprechender Maßnahmen, legt Herr Dr. Weiss
dar, dass "wenn entsprechende Untersuchungen nötig und
sinnvoll seien, auch für Finanzierung gesorgt werden müsse".
Nachdem Kasuistiken mit
DECT-Telefonen angesprochen wurden, möchte Herr Dr. Weiss
klarstellen, ob Einigkeit darüber bestehe, in die Richtung
Kasuistiken mit der Problematik DECT-Telefone zu gehen.
Herr Dr. Scheiner
bezeichnet die DECT-Telefone als "kleinen Bruder" der
Mobilfunksender mit sehr großer Relevanz. Sie seien eine
HF-Quelle direkt in den Wohnungen und "fast genauso gefährlich"
wie die Funkbelastung von draußen. Im Gegensatz zu
Mobilfunksendern bestünde laut Herrn Dr. Scheiner bei
DECT-Telefonen die Problematik des "Nicht-Abschalten-Könnens"
nicht. DECT-Abschaltstudien seien seiner Ansicht nach ein erster
wichtiger Ansatz, der vergleichsweise schnell und einfach
durchführbar wäre. Unter Bezugnahme auf die Salford-Studie
(Salford 2003) nach der HF-Strahlung zu irreversiblen Zellschäden
im Gehirn führen könne, sei er sehr besorgt über eine
mögliche "Veralzheimerung" der Gesellschaft, nicht nur
der alten, sondern immer jüngerer Menschen.
Frau Dohmen sieht
ebenfalls eine große Relevanz der DECT-Telefone und kann sich
vorstellen, dass positive DECT-Studien auch Auswirkungen auf andere
Hochfrequenzanwendungen und deren unbekümmerten Einsatz haben
sollten.
Herr Dr. Weiss warnt vor
der Illusion, dass eine positive DECT-Studie die Abschaffung dieser
Technik bedeuten würde oder gar den Mobilfunk aufhalten könnte.
Eine positive DECT-Studie könnte jedoch eine neue
Argumentationsbasis für weitere Empfehlungen des BfS sein.
Herr Dr. Schorpp stellt
die Frage "wenn eine Studie zeigen würde, dass
DECT-Telefone, die mit ähnlichen Frequenzen wie Mobilfunk
funktionieren, bei manchen Menschen Gesundheitsprobleme verursachen,
ob es dann nicht zu einer Empfehlung des BfS kommen kann – das BfS
empfiehlt ja nur – und ob das BfS nicht heute schon aus ethischen
Gründen die Schaffung hochfrequenzfreier Gebirgstäler
empfehlen müsste. Man stelle sich nur vor, irgendwann wäre
bewiesen, dass bestimmte Menschen mit bestimmten Vorbelastungen oder
Vorerkrankungen wirklich folterähnliche Qualen durch die heutige
Hochfrequenzbelastung erleiden bzw. erlitten haben - was viele
Betroffene behaupten - dann wäre der ethische Schaden
irreparabel. Solche Rückzugsorte für Betroffene seien doch
schon aufgrund der wissenschaftlichen Unsicherheiten sofort geboten."
Herr Dr. Weiss erwidert,
dass das BfS viele Dinge empfehlen könne, die aber niemand vor
Gericht einklagen könne. Wenn die Forderung nach der Abschaffung
z.B. von DECT-Telefonen erhoben würde, müsse geklärt
werden, ob es sachliche Gründe gäbe, dies zu tun. Nur dann
gäbe es eine Basis für weiteres Handeln. Aber auch dies
würde nicht dazu führen, dass alle elektromagnetischen
Wellen verschwänden.
Herr Dr. Scheiner fordert
darauf eine deutlichen Senkung der Grenzwerte für
Hochfrequenzbelastungen. Ohne auf die Mobilkommunikation verzichten
zu müssen, ließe sich mit moderner Technik die
HF-Exposition (Expositions-Dosis) der Bevölkerung um viele
Zehnerpotenzen reduzieren.
Herr Dr. Weiss fasst das
weitere Vorgehen zusammen:
Folgende Vorschläge
werden zu Protokoll genommen, die in kleinen Gruppen näher
präzisiert werden sollen:
-
Fragestellung HF-EMF und
ADHS: es wird zunächst im BfS geklärt, ob die Frage nach
einem möglichen Zusammenhang von HF-EMF und ADHS in die
laufende DMF Studie ausreichend eingebunden ist oder ggf. ergänzend
untersucht werden soll und kann.
-
Versuch, die häusliche
Situation der Familie Kind nochmals zu beleuchten.
-
Verfolgen langfristiger
Beschwerdeverläufe.
-
Versuch, 10 bis 20
DECT-spezifischen Kasuistiken so aufzuarbeiten, dass sie den im
Rahmen der Veranstaltung charakterisierten Kriterien genügen.
Herr Dr. Weiss stellt in
Aussicht, ein abgestimmtes Protokoll in das Internet einzustellen.
Bis dahin wird das Fachgespräch als interner
Informationsaustausch behandelt.
Frau Dr. Waldmann-Selsam
wird für die ärztliche Seite Ansprechstellen für die 4
angesprochenen Themen benennen, auf Seiten des BfS ist Herr Matthes
Ansprechstelle, der ebenfalls Mitglied der ICNIRP ist. Seitens des
BfS wird zunächst mit den Teilnehmern gesprochen, mit denen im
Rahmen des DMF über laufende Projekte vertragliche Bindungen
bestehen. Mit dem jeweils für die 4 Themen benannten
Ansprechpartner auf Seiten der Ärzte wird zu Gesprächen in
kleinen Gruppen einladen werden, um in den skizzierten Themen weiter
voranzukommen. Diese Gespräche sollen aus organisatorischen und
finanziellen Gründen wiederum in den Räumen des BfS in
Neuherberg stattfinden. Auf Nachfrage zu möglichen finanziellen
Aufwandsentschädigungen stellt Herr Dr. Weiss klar, dass –
sollte es zu einer vertieften Diskussion von Kasuistiken kommen und
dafür Leistungen erbracht werden – hierüber ggf. erneut
geredet werden müsste, dass aber für Aktivitäten im
bisherigen Rahmen nur Reisekosten erstattet werden können.
TOP 7: Schlusswort
Zum Abschluss begrüßt
Herr Dr. Weiss die Tatsache des Zustandekommens dieses Gesprächs
und auch dessen Ablauf. Er sieht es als Ermutigung für die
Weiterführung des begonnenen Dialogs.
Herr Dr. Böttger
begrüßt ebenfalls das Zustandekommen des Gesprächs,
sieht allerdings die diversen erhobenen Forderungen kritisch. Er gibt
der Hoffnung Ausdruck, dass mit den relativ konkreten Ansatzpunkten
ein guter Weg für weiteres Vorgehen eingeschlagen wurde.
Herr Dr. Weiss bedankt
sich für die Teilnahme und schließt die Sitzung.
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