Thema
Ergänzende Informationen über Elektrosensible
Beginn
01.09.2004
Ende
30.06.2005
Projektleitung
KATALYSE Institut für angewandte Umweltforschung e.V.
Zielsetzung
Das Vorhaben hatte zum Ziel, elektrosensible Personen hinsichtlich ihrer soziodemografischen und weiterer Persönlichkeitsmerkmale zu beschreiben. Darauf aufbauend sollten Empfehlungen für eine geeignete Informations- und Kommunikationsstrategie mit dieser Personengruppe ausgesprochen werden. Als Teil der Vorsorgestrategie des BfS soll dadurch die Kommunikation mit und die Information dieser durch den Mobilfunk besonders betroffenen Bevölkerungsgruppe verbessert werden.
In der Studie wurden mit Hilfe quantitativer und qualitativer Methoden Informationen zu Verfasstheit und Informationsbedürfnissen dieser Personengruppe gewonnen. Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden in der Folge Empfehlungen für eine verbesserte Kommunikation mit Elektrosensiblen entwickelt.
Ziel der Studie war es nicht, Aussagen zur Existenz bzw. zu Ursachen der Elektrosensibilität zu treffen bzw. zu beurteilen, ob die Angaben der Befragten wahr oder falsch seien. Ausgangspunkt ist vielmehr die subjektive Perspektive, unabhängig von der Frage, ob EMF-Gefahren oder Elektrosensibilität nachweisbar sind oder nicht.
Ergebnisse
1. Methoden und Vorgehensweise
Als Elektrosensible werden innerhalb dieser Studie Menschen bezeichnet, die konkret beschreibbare und mehr als ein mal auftretende körperliche Beschwerden auf das Vorhandensein von elektrischen, magnetischen oder elektromagnetischen Feldern (EMF) zurückführen.
Es wurde eine quantitative soziodemographisch-psychometrische und eine qualitative psychologische Befragung durchgeführt. Zunächst wurde in einer repräsentativen Telefonumfrage die Prävalenz der Zielgruppe innerhalb der Gesamtbevölkerung ermittelt sowie weitere Daten zur Elektrosensibilität erhoben. In der Folge wurden mit Hilfe von 40 Probanden in morphologischen Tiefeninterviews die psychologisch fundierten Umgangsweisen mit dem Phänomen "Elektrosensibilität" untersucht. Auf Grundlage der Ergebnisse wurden mit Hilfe eines projekteigenen Integrationskonzeptes Handlungsempfehlungen für die Kommunikation mit Elektrosensiblen entwickelt.
2. Demographie und quantitative Psychographie
Prävalenz: Innerhalb des quantitativen Elektrosensiblen – Screenings
wurden 2406 Personen im Rahmen einer repräsentativen, bundesweiten
Erhebung telefonisch befragt. Anhand vorab festgelegter Kriterien
entsprechend der oben genannten „Arbeitsdefinition“ ergab sich aus dem
Screening ein Anteil von 6 % Elektrosensiblen in der bundesdeutschen
Gesamtbevölkerung. Dieser Wert liegt innerhalb des Bereichs von 1,5 %
bis 10 %, wie er durch internationale Forschungsergebnisse sowie
Abschätzungen verschiedener Interessensgruppen aufgespannt ist.
Die Befragten wurden erst am Ende des Interviews mit der Bezeichnung
„elektrosensibel“ konfrontiert. Tatsächlich ist gut der Hälfte der
betroffenen Personen dieser Begriff bekannt. Von denjenigen, die den
Begriff kennen, hat sich nur etwa ein Drittel bereits selbst als
"elektrosensibel" bezeichnet.
Hinsichtlich soziodemographischer Merkmale
besteht im Vergleich zur Gesamtbevölkerung bei den Elektrosensiblen
kein signifikanter Unterschied in den Merkmalen Alter, Geschlecht,
Haushaltsgröße und Ost-West-Verteilung. Hinsichtlich des Bildungsstands
und der regionale Verteilung zeigen sich jedoch Unterschiede bei den
Elektrosensiblen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung: Mit einem
Abiturientenanteil von 26 % sind Elektrosensible höher gebildet als der
Bevölkerungsdurchschnitt (15 %). Weiterhin wurde eine regionale Häufung
von Elektrosensiblen im Südwesten Deutschlands (34 % der
Elektrosensiblen) festgestellt.
Rund die Hälfte der befragten Elektrosensiblen (49 %) berichtete über frühere gesundheitliche Beschwerden, welche aber zum Zeitpunkt des Interviews nicht mehr bestanden. 51 % gaben aktuell bestehende Beschwerden an.
Unter allen möglichen Einflussquellen
wurde am häufigsten das Handy (30 % der Befragten) genannt. Etwa ein
Drittel aller Elektrosensiblen bezieht die Beschwerden auf das
Mobiltelefon, gefolgt vom Fernseher (22 %), dem Radiowecker (19 %)
sowie Mobilfunk-Sendeanlagen (17 %). Dabei haben die genannten Quellen
einen unterschiedlichen Stellenwert für die Betroffenen, je nachdem, ob
diese akut oder nicht mehr akut über Beschwerden berichten. Während
rund 40 % derjenigen, die heute noch unter den Beschwerden leiden,
Handys oder Mobilfunk-Sendeanlagen als Haupteinflussquelle angeben,
sind es bei den Befragten, die heute keine Beschwerden mehr haben, nur
28 %. Umgekehrt geben 25 % der Elektrosensiblen, die heute keine
Beschwerden mehr haben, Radiowecker als stärkste Quelle an, während
diese EMF-Quelle für Elektrosensible, die akute Beschwerden aufweisen,
mit 1 % Anteil kaum eine Rolle spielt.
Die Art und Stärke der Beschwerden
variieren in Abhängigkeit von der Strahlenquelle. So werden
technologisch neueren Strahlungsquellen relativ geringere
Beeinträchtigungswirkungen zugeschrieben als den älteren (so wird z.B.
Hochspannungsmasten durchschnittlich eine stärkere Wirkung als Handys
attestiert). Eine Nutzungseinschränkung, die auf eine Technikaversion
hindeuten könnte, erfolgt bei den Elektrosensiblen nicht. Die in der
Befragung festgestellte Handybesitzrate ist bei Elektrosensiblen sogar
höher als im Bevölkerungsdurchschnitt (87 % zu 78 %), das
Handy-Nutzungsverhalten der Elektrosensiblen dagegen wieder
vergleichbar.
Für eine erfolgreiche Zielgruppenansprache ist der Informationsstand sowie das Informationsverhalten
in Bezug auf das Thema EMF/Elektrosensibilität von Interesse: 17 % der
Elektrosensiblen fühlen sich über die gesundheitlichen Auswirkungen von
EMF nicht informiert, jeder Zweite fühlt sich zumindest ein bisschen
informiert und ein Drittel fühlt sich gut oder sehr gut informiert.
Massenmedien wie Zeitungen/Zeitschriften bzw. Fernsehen/Radio stehen
als Informationsquellen an erster Stelle. 71 bzw. 68 % der Befragten
haben aus diesen Quellen bereits Informationen über elektromagnetische
Felder erhalten. Im Vergleich zeigen Elektrosensible kein anderes
Informationsverhalten als die Gesamtbevölkerung. 63 % der
Elektrosensiblen haben bereits über Vorsorgemaßnahmen nachgedacht oder
sie bereits aktiv eingeleitet.
3. Ergebnisse: Qualitative Psychographie
Von den in der ersten Erhebungsphase identifizierten 167 Elektrosensiblen wurden 40 Probanden in ausführlichen Interviews zum psychologischen Umgang mit dem Phänomen Elektrosensibilität befragt.
Im Rahmen der Tiefeninterviews konnte die persönliche Bedeutung von Strahlung im lebensweltlichen Kontext der identifizierten Personen näher erfasst werden. Die befragten Elektrosensiblen zeigten sich als heterogene Gruppe. Elektrosensibilität erweist sich als vielgestaltiges Thema, bei dem sich viele Befragte immer wieder auch in einem inneren Zwiespalt erleben. Feste Verknüpfungen zwischen 'Symptom' und 'Auslöser' (immer wenn..., dann...) wurden – anders als bei standardisierter Befragungen – eher im Ausnahmefall getroffen. Die Interviews zeigen 'Elektrosensibilität' nicht als feststehendes und isoliertes 'Faktum' im Lebensalltag der Befragten.
4. Kommunikationsempfehlungen
Auf der Grundlage der erhobenen Anforderungen von Elektrosensiblen an Kommunikation wurden als zentrale Orientierungsfaktoren für die Verbesserung von Kommunikation mit Elektrosensiblen "Alltagsrelevanz" und "Vertrauen" identifiziert. Ausgehend von diesen Überlegungen werden Empfehlungen auf vier Handlungsebenen des Kommunikationsverhältnisses mit Elektrosensiblen (Individuell, Politisch, Institutionell, Kommunikativ) abgeleitet.
Der vollständige Bericht steht zum Download als Pdf-Datei (1080 kb) zur Verfügung.
Fazit
Die Ergebnisse der hier durchgeführten quantitativen und qualitativen Befragung bieten nähere Erkenntnisse über die Personen, die körperliche Beschwerden auf das Vorhandensein von elektrischen, magnetischen oder elektromagnetischen Feldern (EMF) zurückführen. Entsprechend der Arbeitsdefinition wird hierbei von elektrosensiblen Personen gesprochen. Die Studie zeigt jedoch auch, dass nur ein kleiner Anteil dieser Personengruppe die Bezeichnung "elektrosensibel" für sich selbst verwendet. Von Bedeutung ist vielmehr der Umgang mit bzw. die Bedeutung von "Strahlung" im lebensweltlichen Kontext, unabhängig von Begriffszuschreibungen.
Die gewonnenen Erkenntnisse sind eine wichtige Grundlage, um die Kommunikation mit Personen, die sich beeinträchtigt fühlen, zu verbessern. Auch können Informationsangebote besser auf deren speziellen Bedürfnisse ausgerichtet werden.
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