Bestimmung der Expositionsverteilung von HF-Feldern im menschlichen Körper, unter Berücksichtigung kleiner Strukturen und thermophysiologisch relevanter Parameter

Thema

Bestimmung der Expositionsverteilung von HF Feldern im menschlichen Körper, unter Berücksichtigung kleiner Strukturen und thermophysiologisch relevanter Parameter

Beginn

11.11.2003

Ende

30.11.2005

Projektleitung

ARC Seibersdorf research GmbH, Österreich

Zielsetzung

Aufbauend auf den gegenwärtig wissenschaftlich dokumentierten Erkenntnissen bezüglich der Absorption hochfrequenter elektromagnetischer Felder im menschlichen Körper, sollen im Rahmen dieses Forschungsvorhabens weiterreichende Untersuchungen, speziell im Hinblick auf anatomisch kleine und empfindliche Organstrukturen des Kopfes (z.B. Auge, Innenohr, Pinealdrüse) durchgeführt werden. Die sich in den genannten Organen zufolge der Strahlungsabsorption einstellende zeitliche und räumliche Temperaturverteilung soll dabei im Mittelpunkt des Interesses stehen, um die gegenwärtig angewendeten räumlichen und zeitlichen Mittelungsverfahren auf ihre biophysikalische Haltbarkeit zu überprüfen. Einflüsse der Thermoregulation sollen dabei soweit wie möglich berücksichtigt werden. Die genannten Betrachtungen sollen auch für unterschiedliche Kopfgeometrien (Erwachsene und Kinder) durchgeführt werden.

Für die genannte Aufgabenstellung sind zunächst geeignete Berechnungs- bzw. Simulationswerkzeuge zu evaluieren und anhand einfacher experimenteller Modelle zu verifizieren. Die Entwicklung neuer numerischer Kopfmodelle mit extrem hoher räumlicher Auflösung im Bereich der genannten Organe stellt dabei einen weiteren Arbeitsschwerpunkt dar. Weiters sind die elektrisch und thermisch relevanten Gewebeeigenschaften der betroffenen Gewebe messtechnisch zu erfassen bzw. in der Literatur vorhandene Werte im Hinblick auf ihre Repräsentanz der Gewebeeigenschaften in vivo zu überprüfen.

Ergebnisse

In einer umfassenden Literaturstudie wurde der wissenschaftliche Kenntnisstand zum Thema der Absorption hochfrequenter elektromagnetischer Felder und die daraus resultierenden thermischen Auswirkungen im menschlichen Körper zusammengefasst. Hinsichtlich der räumlichen Verteilung der Strahlungsabsorption im menschlichen Körper konzentrierten sich die wissenschaftlichen Arbeiten auf die Exposition des Kopfes im Frequenzbereich der modernen Mobilkommunikation. Die Ergebnisse dieser Arbeiten zeigen ein zunehmend detailliertes Bild der Absorptionsverhältnisse in verschiedenen Kopfbereichen wie Haut, Ohrmuschel, Schädelknochen, Gehirn, obwohl die räumliche Auflösung der anatomischen Modelle bei etwa 1 mm blieb.

Zum Thema der thermischen Konsequenzen der Absorption elektromagnetischer Strahlung im Gewebe liegen umfangreiche Daten aus der medizinischen Literatur und einige Arbeiten speziell zum Thema der Temperaturerhöhung im Gewebe infolge der Absorption hochfrequenter elektromagnetischer Felder im Frequenzbereich der modernen Mobilkommunikation vor. Für Absorptionsraten, wie sie durch übliche Geräte der Mobilkommunikation verursacht werden können, liegen die dabei gefundenen Temperaturerhöhungen im Auge bzw. im Gehirn bei höchstens einigen Zehntel Grad Celsius.

Um detaillierte Analysen der Strahlungsabsorption sensibler und fein strukturierter Organe bzw. Gewebe durchführen zu können, wurden numerische, räumlich hoch aufgelöste (0,001 mm3) Modelle für das Auge, das Innenohr (Gehörschnecke, Gleichgewichtsorgan, Gehörknöchelchen) und die Zirbeldrüse (Pinealdrüse, eine Drüse im inneren des Gehirns, die das Hormon Melatonin produziert) entwickelt und in ein kommerziell verfügbares Kopfmodell integriert. Basis dafür waren menschliche Gewebeproben, die mittels einer speziellen Gefrierschnitt-Technik gewonnen wurden. Für die Haut wurde auf Grund von Daten aus der medizinischen Literatur ein dreidimensionales geschichtetes Modell entwickelt.

Berechnungen der Strahlungsabsorption und der damit verbundenen Gewebetemperaturerhöhung für unterschiedliche, praktisch relevante Expositionsszenarien bei 400 MHz, 900 MHz und 1850 MHz wurden mit der Methode der Finiten Differenzen im Zeitbereich (FDTD) durchgeführt. Die Berechnungen wurden in einem speziell hierfür entworfenen Modell durch Messungen verifiziert. Schließlich wurde eine Methode zur messtechnischen Bestimmung der thermisch relevanten Gewebeeigenschaften (spezifische Wärmekapazität und Wärmeleitfähigkeit) von kleinen Gewebeproben entwickelt und realisiert, und die elektrischen Gewebeeigenschaften einiger Organe wurden gemessen.

Die Berechnungsergebnisse zeigten für typische Expositionssituationen bei Benützung von GSM 900- bzw. GSM 1800- und UMTS-Mobiltelefonen (seitliche Haltung am Ohr) maximale Temperaturanstiege im Gehirn von etwa 0,013 oC bzw. 0,005 oC. Noch geringere Temperaturanstiege ergaben sich für weiter innen im Schädel liegende Organbereiche, wie z. B. das Innenohr und die Zirbeldrüse. In weiter außen liegenden Geweben (Haut, Fett, Muskel, Schädelknochen) können die Temperaturanstiege infolge Strahlungsabsorption für die genannten Expositionssituationen im Bereich bis zu etwa 0,5 oC liegen.

Ein Berechnungsszenario für die Situation einer seitlichen Exposition mit einem leistungsstarken Handfunkgerät (400 MHz, 1 W) führte zu Maximalwerten von ca. 1,8 oC in der Haut, 0,1 oC in der Hirnrinde und weniger als 0,05 oC in weiter innen liegenden Organbereichen. Grundsätzlich zeigte sich, dass geringere Frequenzen (bei gleicher Sendeleistung) zu etwas höheren Temperaturanstiegen führen, vor allem in tiefer liegenden Gewebebereichen,. Temperaturanstiege im Auge infolge seitlicher Exposition unter praktisch relevanten Expositionsbedingungen waren vernachlässigbar gering (<0,001 oC).

Die Betrachtung der Situation bei Haltung eines Handfunkgerätes (400 MHz, 2 W) vor dem Gesicht ergab maximale Temperaturanstiege im Auge (vor allem in der Linse) im Bereich zwischen 0,5 und 1 oC. Die Exposition von vorne durch übliche Mobiltelefone führt dagegen, aufgrund der geringeren Sendeleistung und des normalerweise wesentlich größeren Abstandes der Antenne zum Auge, zu deutlich geringeren Temperaturerhöhungen im Auge.

Die detaillierte Untersuchung der Absorptionsverhältnisse in der Haut zeigte, dass unter üblichen Nutzungsbedingungen von Mobiltelefonen (Mobiltelefon in Kontakt mit Ohr und Wange) die Erwärmung infolge der Unterbindung der Wärmeabgabe an die Umgebung an der Kontaktfläche bzw. die Erwärmung der Haut durch das sich beim Gebrauch erwärmende Gerätegehäuse wesentlich größer ist (bis zu 5 oC), als die Erwärmung der Haut aufgrund der Strahlungsabsorption. Diese Erwärmung kann durch Thermorezeptoren wahrgenommen werden und zu thermoregulatorischen Reaktionen führen. Dies ist eine normale physiologische Reaktion und gesundheitlich nicht bedenklich.

Eine Verringerung der Gewebedurchblutung führt zu einer stärkeren durch Strahlung verursachten Erwärmung vor allem in weiter innen liegenden Geweben, da für diese Gewebe kein direkter Wärmeaustausch mit der Umgebung möglich ist. Eine Reduktion der Gewebedurchblutung um 50 % führte zu etwa einer Verdopplung der Temperaturerhöhung tief im Schädelinneren, jedoch nur zu geringfügigen Erhöhungen des durch Strahlung verursachten Temperaturanstieges in oberflächlichen Geweben.

Eine intermittierende Exposition (kurze SAR-Spitzen von 10 Sekunden Dauer) führte zu einer stärkeren Temperaturerhöhung als gleichmäßige Exposition bei konstantem SAR-Wert. Die Temperaturerhöhung trat dabei mehr in tiefer liegenden Geweben als an der Oberfläche. Hinsichtlich der räumlichen Mittelung zeigten sich, die aufgrund der aus elektrischer Sicht sehr heterogenen Gewebekomposition erwarteten entsprechend heterogene SAR-Verteilungen mit teilweise höheren SAR-Werten in kleinen gut leitfähigen Strukturen. Die zugehörigen Temperaturverteilungen weisen allerdings, trotz teilweise punktuell hoher SAR-Werte, keine nennenswerten lokalen Schwankungen (Temperatur-Hot-Spots) auf, was auf die effizienten Wärmeausgleichmechanismen im Gewebe zurückzuführen ist.

Der Abschlussbericht, der auch alle Zwischenberichte enthält, liegt zum Download als PDF-Datei (2.626 KB) vor.

Fazit

  1. Bei der Nutzung von Mobiltelefonen erwärmt sich das Gehirn und die Zirbeldrüse um weniger als 0,1 oC, diese Erhöhung ist gesundheitlich nicht relevant.
  2. Die Erwärmung der Haut, die mehr infolge eingeschränkter Wärmeabgabe an der Hautoberfläche und infolge der Erwärmung des Gerätes selber als durch Strahlung entsteht, kann zu Wärmewahrnehmung und zu thermoregulatorischen Reaktionen im normalen physiologischen Bereich führen, was ebenfalls gesundheitlich unbedenklich ist.
  3. Bei der Nutzung von starken Handfunkgeräten im 400 MHz Bereich kommt es bei einer Haltung unmittelbar vor dem Augen zu Erwärmungen um bis zu 1 oC, die Haut kann sich bei seitlicher Haltung am Ohr um bis um bis zu 1,8 oC erwärmen. Da die Augen besonders wärmeempfindlich sind, sollte das Geräte nicht unmittelbar vor den Augen gehalten werden.
  4. Ein Mittelungsvolumen von 10g erscheint ausreichend was thermische Effekte betrifft, aber nicht für die lokale Verteilung der SAR-Werte.
  5. Für die für Mobilfunk typischen gepulsten Signale und Sendleistungen der Mobiltelefone ist eine zeitliche Mittelung von 6 min geeignet. Bei intermittierender Exposition kann die Erwärmung in tieferen Schichten geringfügig unterschätzt werden.

Publikationen

  • Schmid G, Überbacher R, Samaras T, Jappel A, Baumgartner W-D, Tschabitscher M, Mazal PR (2007) High-resolution numerical model of the middle and inner ear for a detailed analysis of radio frequency absorption. Phys. Med. Biol. 52: 1771–1781
  • Schmid G., Überbacher R., and Samaras T. (2007) Radio frequency-induced temperature elevations in the human head considering small anatomical structures. Radiat. Prot. Dosimetry, doi:10.1093/rpd/ncm335
  • Schmid G, Überbacher R, Samaras T, Tschabitscher M, Mazal PR (2007) The dielectric properties of human pineal gland tissue and RF absorption due to wireless communication devices in the frequency range 400-1850 MHz. Phys Med Biol. 52(17):5457-68.