Entwicklung von Mess- und Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Exposition der Bevölkerung durch elektromagnetische Felder in der Umgebung von Mobilfunk Basisstationen

Thema

Entwicklung von Mess- und Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Exposition der Bevölkerung durch elektromagnetische Felder in der Umgebung von Mobilfunk Basisstationen

Beginn

01.09.2002

Ende

31.08.2004

Projektleitung

IMST GmbH, Kamp-Lintfort

Zielsetzung

Der flächendeckende Ausbau der GSM Mobiltelefonnetze sowie der Aufbau der modernen, breitbandigen UMTS Mobilfunknetze führen insgesamt zu einer Erhöhung der elektromagnetischen Feldexposition der Bevölkerung. Im Zentrum der Diskussion stehen dabei nicht nur die mobilen Endgeräte (Handys), sondern vor allem auch die ortsfesten Basisstationen.

Ziel dieses Forschungsvorhabens war es, Mess- und Berechnungsverfahren zu entwickeln, die geeignet sind, die Exposition von Personen im Umfeld von Funksendeanlagen des Mobilfunks zu ermitteln. Die Verfahren sollten zur Überprüfung der Grenzwerte geeignet sein. Als Umfeld sollte der Bereich außerhalb des durch die RegTP festgelegten Sicherheitsabstandes bis etwa 200 m Entfernung von der Anlage verstanden werden.

Ergebnisse

Ausgehend von einer detaillierten Bestandsaufnahme konnten jeweils geeignete Verfahren, die den gestellten Ansprüchen entsprachen, identifiziert werden. Die Verfahren wurden sodann zur Analyse von tatsächlichen, realen Mobilfunkimmissionen in der Praxis eingesetzt. Auf diesem Weg konnten Informationen gewonnen werden, wie sich die Immissionssituation in der Umgebung von Mobilfunk-Basisstationen darstellt und welchen vielfältigen Einflüssen sie unterliegt. UMTS Anlagen blieben weitgehend unberücksichtigt, da hierfür ein gesondertes Projekt im DMF vorgesehen ist. Es wurden Werte im Bereich von unter 1 µW/m2 bis zu einigen 100 mW/m2 gefunden (die Grenzwerte gemäß 26. BImSchV liegen bei 4,5 W/m2 bzw. 9,0 W/m2). Sowohl Anlagen-bezogene wie Immissionsort-bezogene Faktoren, welche einen Einfluss auf die Immissionspegel haben, wurden identifiziert. Dabei stellte sich heraus, dass ihr Zusammenwirken sehr komplex ist und eine isolierte Betrachtung einzelner Faktoren (z. B. Abstand zwischen Anlage und Immissionsort) in der Regel zu nicht gültigen Pauschalierungen führt. Aus diesem Grund konnte auch kein signifikanter Unterschied der maximalen Immission an Innen- und Außenmesspunkten gefunden werden. Für die Suche nach Extremwerten in Bezug auf die Überprüfung von Grenzwerten konnte allerdings festgestellt werden, dass in erster Linie die Suche nach allgemein zugänglichen Orten, die sich vergleichbaren Höhen sowie horizontal in Hauptstrahlrichtung befinden, im Vordergrund stehen sollte.

Wenn eine möglichst exakte Bestimmung der Immissionen gefordert ist, haben sich bei den einzusetzenden Messmitteln frequenzselektive Geräte insgesamt als geeigneter im Vergleich zu Breitbandsonden herausgestellt. Die Verwendung frequenzselektiver Spektrumanalysatoren erfordert jedoch auch den Einsatz entsprechend qualifizierten Personals für die Durchführung der Messungen, da falsche Einstellungen von Auflösungs- und Videobandbreiten, Detektortypen oder "Sweep Times" zu signifikanten Fehlbewertungen der Immissionen führen können. Als Messwertaufnehmer haben sich logarithmisch-periodische Antennen gegenüber bikonischen Antennen als überlegen erwiesen, da deren Beeinflussung durch eine Verkopplung mit dem Körper des Anwenders deutlich geringer ausfällt. Hinsichtlich der Messdurchführung wurde die sogenannte Schwenkmethode als bester Kompromiss zwischen Genauigkeit und Aufwand identifiziert. Allerdings erfordert diese Methode eine besonders sorgfältige Durchführung seitens des Messenden, damit alle Polarisationen und Einfallsrichtungen im Messvolumen erfasst werden. Mit der Schwenkmethode lässt sich andererseits keine Mittelung der Immissionen in einem Messvolumen, z. B. dem typischen Volumen, das eine Person einnehmen würde, erreichen. Sofern dies gefordert ist, stellt für diesen Zweck die Punktrastermethode eine brauchbare Alternative dar. Allerdings musste für diese Methode auch festgestellt werden, dass die geeignete Mittelungsgeometrie sehr stark vom jeweiligen Expositionsszenario abhängt und daher die Definition einer allgemein gültigen Geometrie nicht möglich bzw. sinnvoll ist. Eine konkrete Messvorschrift, die eine nachvollziehbare Dokumentation und Auswertung der Messungen enthält, wurde vom Forschungsnehmer erarbeitet und vorgeschlagen.

Auch für analytische bzw. numerische Berechnungen wurden aus den allgemein zur Verfügung stehenden Verfahren die geeigneten untersucht und ausgewählt. Neben der Genauigkeit der Verfahren wurden insbesondere immer auch Aspekte der Praxistauglichkeit berücksichtigt. Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, bei den Computersimulationen die Frequenzabhängigkeit der Strahlungsdiagramme und den elektrisch einstellbaren Downtiltwinkel der Basisstationsantennen durch ein synthetisiertes Antennendiagramm zu berücksichtigen, bei dem eine Hüllkurve alle möglichen Betriebszustände der jeweiligen Antenne beinhaltet. Nur auf diese Weise ist eine praktikable Immissionsanalyse möglich. Als größte Hürde bei der genauen Bestimmung der Immissionen wurde der Aufwand für eine exakte Modellierung der dreidimensionalen Umgebung einer Basisstation identifiziert. Während Grundrisse aus Liegenschaftskatastern oder Satellitenbildern entnommen werden können, sind Höhenangaben von Gebäuden in der Regel auf diese Weise nicht verfügbar. In Ausnahmefällen, in denen alle Daten zur Verfügung stehen, ist eine Prognose der Immissionen mit einer Genauigkeit möglich, welche in etwa auch der Messunsicherheit entspricht. Als rechentechnische Verfahren konnten sich dabei die auf Strahlenoptik basierenden Verfahren gegenüber den feldtheoretischen und Hybrid-Verfahren durchsetzen. In der Regel sind mit diesen Verfahren recht genaue Immissionsprognosen möglich. Eine Unterschätzung der Immission ist in bestimmten Fällen aber nicht gänzlich auszuschließen. Für "Worst Case" - Abschätzungen wird daher alternativ die reine Freiraumausbreitung mit einem Aufschlag von 3 dB für die Berücksichtigung der Bodenreflexion vorgeschlagen. Auch die exakte Modellierung von Innenraumszenarien stellte sich als sehr aufwändig heraus. Da die Positionierung bzw. die Art des Mobiliars sowie die Bewegung von Personen zwar kleinskalig örtlich und zeitlich das resultierende Interferenzbild verändern, die Größe der Immissionsmaxima davon aber als weitgehend unabhängig identifiziert werden konnte, hat sich eine detaillierte Nachbildung von Innenräumen als entbehrlich herausgestellt.

Als wenig sinnvoll wurde von den Forschungsnehmern die Realisierung eines flächendeckenden Katasters mit automatischen Messsystemen zum kontinuierlichen Monitoring von Mobilfunkimmissionen bewertet. Ein Grund hierfür ist z. B. die zu geringe Empfindlichkeit von Breitbandmessgeräten, welche aus finanziellen Gründen eingesetzt werden mussten. In diesem Zusammenhang werden Messwerte, die an festgelegten Punkten ohne Maximalwertsuche in der unmittelbaren örtlichen Umgebung aufgenommen werden, als nicht aussagekräftig bewertet. Es konnte nämlich gezeigt werden, welchen enormen zeitlichen und örtlichen Schwankungen die Immissionen auf einer Strecke von nur wenigen Zentimetern um einen Messpunkt unterliegen können. Alternativ wird allenfalls ein sequenzielles Kataster als realisierbar angesehen, bei dem mit frequenzselektiven Messgeräten auf einem mehr oder weniger regelmäßigen Gitter Kurzzeitmessungen durch ein oder mehrere Messteams durchgeführt werden. Der Aufwand für eine derartige Messaktion ist jedoch beträchtlich.

Der Abschlussbericht liegt zum Download als PDF-Datei (4.240 KB) vor.

Publikationen

  • C. Bornkessel, M. Schubert, M. Wuschek and P. Schmidt: Determination of the general public exposure around GSM and UMTS base stations, Radiation Protection, Vol. 124, No. 1, 2007, pp. 40-47, doi:10.1093/rpd/ncm373

Fazit

Das durchgeführte Forschungsvorhaben konnte einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Komplexität der Problematik der Immissionsbestimmung aufzuzeigen und die daraus resultierenden Anforderungen an eine fachgerechte Erhebung verlässlicher Daten zu verdeutlichen. Der Aspekt, dass eine einfache Expositionsabschätzung, welche nur auf dem Abstand zur Anlage beruht, unzureichend ist, wurde mit konkreten Messwerten belegt. Es wurden bessere Verfahren erarbeitet, die sowohl bei großangelegten Messkampagnen als auch bei punktuellen Messungen an sogenannten "sensiblen" Orten zur Expositionsbestimmung eingesetzt werden sollten.

Das Forschungsvorhaben konnte zeigen, dass typische Immissionen selbst in der unmittelbaren Umgebung von GSM-Basisstationen deutlich unter den derzeit geltenden Grenzwerten liegen. Es konnten keine Anhaltspunkte gefunden werden, dass das Verfahren der RegTP zur Ausweisung von Sicherheitsabständen nicht konservativ genug ist, um den Schutz der allgemeinen Bevölkerung im Sinne der 26. BImSchV zu gewährleisten. Aus den Ergebnissen des Projekts sind Qualitätsanforderungen an zukünftige Messkampagnen abzuleiten. Auch hinsichtlich der Bewertung der Expositionsbestimmung in epidemiologischen Studien können wertvolle Hinweise abgeleitet werden. Die erzielten Ergebnisse der Immissionsanalysen werden im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms u.a. auch derart eingesetzt, dass die Größenordnungen von Immissionen anderer Emittenten in Beziehung zu diesen gesetzt werden können.