Langzeitstudie an Labornagern mit UMTS-Signalen

Thema

Langzeitstudie an Labornagern mit UMTS-Signalen

Beginn

01.12.2004

Ende

31.07.2007

Projektleitung

Jacobs University Bremen (ehem. International University Bremen)

Zielsetzung

In dieser Studie soll geklärt werden, ob eine Langzeitexposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern des Mobilfunks nach UMTS-Standard Vermehrungsfähigkeit und Entwicklung beeinflusst. Die Studie umfasst mehrere Generationen von Labornagern. Untersucht werden neben dem allgemeinen Gesundheitszustand der Tiere Gewicht und Wachstum, Fortpflanzungsfähigkeit, Hinweise auf Mißbildungen verursachende (teratogene) Effekte sowie Entwicklungskennzeichen, z.B. Augenöffnen, Ausbildung von Reflexen etc.

Ergebnisse

Literaturstudie

Es wurde eine Literaturstudie erstellt, die den wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Thema (Stand Februar 2006) zusammenfasst. Diese Studie ist dem Bericht als Anhang beigefügt.

Fazit der Literaturstudie: In einigen tierexperimentellen Studien wurden unter Exposition mit hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung Einflüsse auf Reproduktion und Entwicklung von Labornagern beschrieben, z. B. bezüglich des fetalen Gewichts, des Aktivitätsniveau der Nachkommen oder der Anzahl primärer Spermatozyten und Spermatiden. Diese Ergebnisse wurden jedoch nicht unabhängig reproduziert. Zudem weisen einige der Studien methodische Mängel auf, z. B. geringe Tierzahlen, unzureichende Kontrollen oder Schwächen im Bereich Exposition/Dosimetrie. Bei einigen der Studien wurden Feldstärken weit oberhalb der Grenzwerte verwendet, die wahrscheinlich thermische Effekte zur Folge haben. Zum Mobilfunkstandard UMTS, dessen Signalcharakteristik sich deutlich vom GSM-Standard unterscheidet, lagen keine Studien vor. Des Weiteren fehlten Langzeitstudien über mehrere Generationen.

Exposition

Für die chronische Ganzkörper-Exposition frei beweglicher Tiere im UMTS-Frequenzbereich (Trägerfrequenz 1.96 GHz) wurden spezielle Expositionsanlagen (radiale Wellenleiter) konzipiert, die eine stabile und gleichmäßige Feld-Exposition der frei beweglichen Tiere ermöglichen. Als Signal wurde ein generisches UMTS-Signal verwendet, das die wesentlichen technischen Spezifikationen des FDD-Betriebs einschließlich der schnellen Leistungsregelung berücksichtigt. Die Exposition erfolgte mit den spezifischen Absorptionsraten (SAR): 0, 0.08, 0.4 und 1.3 W/kg. Temperatur und Feldkonstanz wurden getrennt von der biologischen Arbeitsgruppe laufend erfasst und aufgezeichnet. Eine verblindete Versuchsdurchführung und -auswertung ohne Kenntnis der Expositionsgruppenzugehörigkeit der untersuchten Tiere war gegeben.

Versuchsdurchführung

Die Untersuchungen wurden an Mäusen des Stamms C57BL in 4 Generationen (F0-F3) durchgeführt. (Männchen, n = 32 pro Gruppe, 1 pro Käfig) und Weibchen (n = 64 pro Gruppe, 2 pro Käfig)

In allen Generationen wurden folgende Endpunkte untersucht:

  1. bei den männlichen Tieren: Hodengewichte, Nebenhodengewichte, akzessorische Drüsengewichte, Spermienanzahl und Spermienmorphologie (Anzahl fehl geformter Spermien).
  2. bei den weiblichen Tieren: Uterusgewichte, Anzahl Gelbkörper in den Ovarien, Resorptionen, Anzahl normal entwickelter Föten, Gewichte der Föten, Position der Föten in den Uteri.
  3. Nachkommen: Wurfgröße, Überlebensraten, Geburtsgewichte, Gewichtsentwicklung der Jungtiere, äußerlich sichtbare Fehlbildungen, Entwicklungsparameter (Augenöffnung, Umdrehreflex).

Allgemeiner Gesundheitszustand und Gewicht wurden regelmäßig erfasst und dokumentiert.

Ergebnisse

Es traten keine signifikanten Unterschiede zwischen exponierten Tieren und nicht exponierten Kontrollen auf, bezüglich Hodengewichten, Gewichten der akzessorischen Drüsen, Spermienanzahl, Zahl fehl geformter Spermien, Uterusgewichten, Anzahl der Gelbkörper, Anzahl normal entwickelter Föten, Positionen der Föten im Uterus, Wurfgrößen, Überlebensraten, Geburtsgewichten und der Gewichtsentwicklung der Jungtiere. Auch die Entwicklungsparameter "Zeitpunkt der Augenöffnung" und "Umdrehreflex" unterschieden sich nicht zwischen exponierten Tieren und scheinexponierten Kontrollen.

Vereinzelt ergaben sich statistisch signifikante Unterschiede bei folgenden Endpunkten, die jedoch weder durchgängig in den verschiedenen Generationen auftraten, noch abhängig von der spezifischen Absorptionsrate waren.

  • Geringfügig erhöhte Nebenhodengewichte bei 0.08 und 0.4 W/kg, nicht bei 1.3 W/kg, nur in den Generationen F0 und F3, nicht in F1 und F2.
  • Eine im Vergleich zu den scheinexponierten Kontrollen signifikant verminderte Anzahl von Resorptionen bei 0.4 W/kg, ausschließlich in F0
  • Ein im Vergleich zur Kontrolle erhöhtes Gewicht der Föten bei 0.4 W/kg, ausschließlich in F3.
  • Ausschließlich in F0, nicht in den drei Folgegenerationen F1-F3 bei 0.08 und 1.3 W/kg (nicht bei 0.4 W/kg) war der prozentuale Anteil von Fehlbildungen erhöht. Hierbei handelte es sich v.a. um Iris-Fehlbildungen. Dieses Teilergebnis beruht jedoch auf einer extrem niedrigen Fehlbildungsrate in der scheinexponierten Kontrollgruppe F0. Diese weicht nicht nur von den Fehlbildungsraten in den Kontrollen der übrigen drei Generationen, sondern auch von den für diesen Mausstamm publizierten Fehlbildungsraten deutlich nach unten ab.

Dieses Teilergebnis beruht jedoch auf einer extrem niedrigen Fehlbildungsrate in der scheinexponierten Kontrollgruppe F0. Diese weicht nicht nur von den Fehlbildungsraten in den Kontrollen der übrigen drei Generationen, sondern auch von den für diesen Mausstamm publizierten Fehlbildungsraten deutlich nach unten ab.

Hinweise auf negative Effekte der HF-Exposition auf Prozesse der Fortpflanzung und der Entwicklung in vier aufeinanderfolgenden Tiergenerationen, die während der gesamten Untersuchungszeit durchgehend exponiert waren, ergeben sich aus den Ergebnissen insgesamt nicht. Es ergibt sich auch kein Handlungsbedarf im Hinbilck auf die Notwendigkeit der Senkung der Grenzwerte.

Neben den obigen, speziell für die Fragestellung "Reproduktion und Entwicklung" relevanten Parametern wurde in der Studie routinemäßig das Gewicht der Tiere und punktuell (pro Generation 1 mal) der Futter- und Wasserverbrauch erfasst. Hier ergaben sich Unterschiede bezüglich des Futterverbrauchs und des Körpergewichts der trächtigen Weibchen. Der Futterverbrauch lag bei den exponierten Tieren in einigen Ansätzen signifikant unter dem Verbrauch der scheinexponierten Tiere. Zudem wurde in einigen exponierten Gruppen eine Tendenz zu geringerer Gewichtszunahme v. a. im letzten Drittel der Schwangerschaft beobachtet. Dies wird nicht als pathologischer Prozess gewertet, könnte nach Ansicht des Forschungsnehmers jedoch auf eine Beeinflussung des Metabolismus durch die eingebrachte Energie hindeuten. Allerdings hängt auch dieser Effekt nicht von der Höhe der spezifischen Absorptionsrate ab, und die Effekte treten nicht durchgängig auf. Ein biologisch plausibles Muster ergibt sich nicht. Zudem wurde im Projekt "Beeinflussung der spontanen Leukämierate bei AKR/J-Mäusen durch nieder- und hochfrequente elektromagnetische Felder" im Vergleich mit scheinexponierten Kontrollen eine Gewichtszunahme der exponierten Tiere beobachtet, allerdings nur unter GSM-Exposition, nicht unter Exposition mit UMTS. Zur Frage, ob der Metabolismus von Labornagern durch HF-Exposition beeinflusst wird, wird eine Studie durchgeführt, die gezielt auf die Untersuchung metabolischer Prozesse ausgerichtet ist ("Einfluss hochfrequenter Felder des Mobilfunks auf die metabolische Umsatzrate im Tiermodell (Labornager)"). Zur Bewertung dieses Unterpunktes bleiben deren Ergebnisse abzuwarten.

Die detaillierten Ergebnisse des Projekts können dem Abschlussbericht entnommen werden.

Der Abschlussbericht steht zum zum Download als PDF-Datei (691 KB) zur Verfügung.

Publikationen

  • Sommer AM, Grote K, Reinhardt T, Streckert J, Hansen V, Lerchl A (2009): Effects of Radiofrequency Electromagnetic Fields (UMTS) on Reproduction and Development of Mice: A Multi-generation Study, Radiation Research 171, 89-95

Fazit

Die Studie liefert wichtige Informationen für die Bewertung der vergleichsweise neuen Signalcharakteristik UMTS, zu der international bisher nur wenige Untersuchungen vorliegen, insbesondere keine Langzeitstudien. Hinweise auf negative Effekte der HF-Exposition auf Prozesse der Fortpflanzung und der Entwicklung in 4 aufeinanderfolgenden Tiergenerationen, die während der gesamten Untersuchungszeit durchgehend befeldet waren, ergeben sich aus den Ergebnissen der Studie insgesamt nicht.