Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder der Mobilfunkkommunikation auf Sinnesorgane
A. Das Hörsystem

Thema

Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder der Mobilfunkkommunikation auf Sinnesorgane
A. Das Hörsystem

Beginn

01.07.2004

Ende

30.04.2007

Projektleitung

Universität Tübingen

Zielsetzung

Das Mikrowellen-Hören im Bereich der Radar-Strahlung ist ein bekanntes Phänomen, dass durch thermoelastische Wellen im Gehirn verursacht wird. Zu Effekten hochfrequenter elektromagnetischer Felder des Mobilfunks auf das Hörsystem liegen dagegen nur wenige Studien vor. Diese deuten auf mögliche physiologische Effekte, deren Mechanismus im Einzelnen nicht bekannt ist.

Der Einfluss gepulster (GSM) und nicht gepulster Felder (UMTS) des Mobilfunks sollte an empfindlichen Sinnesorganen wie dem Ohr, das beim Telefonieren besonders exponiert ist, untersucht werden. Das Ohr, bzw. ein Teilpräparat wie z.B. die Cochlea mit den Haarzellen, soll mit verschiedenen Intensitäten unterhalb und oberhalb des zulässigen Teilkörper-SAR-Werts (2 W/kg) exponiert werden. Ein möglicher Feldeinfluss auf physiologische Parameter der Sinneszellen sowie der nachgeschalteten Interneurone und deren synaptischer Kommunikation kann z.B. mit neurophysiologischen Methoden untersucht werden. Die Schwellenwerte eventueller biologischer Effekte sollen bestimmt werden. Der Wirkungsmechanismus ist nach Möglichkeit zu erläutern.

Ziel des Vorhabens ist, mögliche physiologische Effekte von HF EMF auf das Hörsystem zu beschreiben und deren Wirkungsmechanismen zu untersuchen, um die gesundheitliche Relevanz beurteilen zu können.

Ergebnisse

Als erstes Ergebnis wurde eine Literaturstudie zu möglichen Einflüssen hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf das Hörsystem von Menschen und Tieren erstellt. Zu Beginn des Vorhabens (2004) war die Datenlage unbefriedigend, es gab nur sehr wenige und zu dem widersprüchliche Publikationen. Die Situation hat sich infolge der Durchführung der EU-Projekte GUARD (Einfluss von GSM auf das Hörsystem) und EMFnEAR (ein analoges Projekt zu UMTS) wesentlich verbessert. Die Ergebnisse zeigen, dass elektromagnetische Felder des Mobilfunks keinen Einfluss auf die physiologischen Parameter von Hörzellen und auf akustisch evozierte Hirnstammpotentiale von Menschen und Labornagern haben. Alle genannten Untersuchungen wurden nicht-invasiv durchgeführt, deswegen war eine detaillierte Betrachtung der elektrischen Vorgänge in den Hörsinnesszellen nicht möglich. Durch das vorliegende Vorhaben wurde diese Lücke geschlossen.

Es wurde mittels der „patch-clamp“ Methode mit Glaselektroden die Aktivität der spannungsabhängigen Kalzium-Kanäle der Hörzellen aus der Hörschnecke von Mäusen gemessen. Diese vermitteln das durch die Hörzellen wahrgenommene akustische Signal an die nachgeschalteten Nervenzellen. Die durch die Universität Wuppertal entworfene Expositionsanlage beruhte auf dem Prinzip einer Finnleitung. Es wurde mit den Signalen UMTS, GSM 900 und GSM 1800 bei 0.02, 0.2, 2 und 20 W/kg exponiert. Im verblindeten Design erfolgte ebenfalls eine Scheinexposition. Pro Expositionsgruppe wurden 16 Zellen untersucht. Die Temperatur schwankte um maximal 0,2 °C. Messungen erfolgten vor, während und nach einer Exposition von 20 min Dauer. Es wurden insgesamt sechs elektrophysiologische Parameter (Widerstände, Strom-Spannungsverhältnis) sowie die Temperatur gemessen und mittels einer Kovarianzanalyse statistisch ausgewertet.

Die Temperatur zeigte durchgehend eine signifikante Abhängigkeit vom SAR-Wert. Alle elektrophysiologischen Parameter der Hörzellen waren vom Zeitverlauf der Experimente abhängig – dies ist ein aus der Literatur bekanntes Phänomen und hängt mit der Lebensdauer der isolierten Hörzellen zusammen, die in der vorliegenden Studie mit 40 min sehr gut war. Zum Zusammenhang zwischen SAR und physiologischen Parametern der untersuchten Ionenkanäle wurden insgesamt 36 statistische Tests durchgeführt, dabei wurden fünf signifikante Einflüsse beobachtet. Diese zeigten allerdings keinen konsistenten Zusammenhang zwischen SAR, Signaltyp und Zielparameter und verteilten sich auf zwei SAR-Werte (2 und 20 W/kg), alle drei Signaltypen und drei unterschiedliche gemessene Zellparameter. Einfachere gepaarte statistische Tests zeigten überhaupt keine signifikanten Zusammenhänge zwischen SAR und einem der physiologischen Parameter. Aus diesem Grund werden die gefundenen Signifikanzen als statistischer Zufall gewertet. Da sie nur bei den zwei höchsten SAR-Werten auftraten, kann ein thermischer Einfluss ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Alle gemessenen Parameter bewegten sich im normalen physiologischen Bereich, der für alle untersuchten Parameter aufgrund der insgesamt 47 scheinbefeldeten Zellen bestimmt wurde. Aufgrund der Datenlage kommen die Autoren zu dem Schluss, dass sich bis zu einem SAR-Wert von 20 W/kg kein Hinweis auf einen systematischen, biologisch relevanten Einfluss einer akuten Exposition auf die Funktionsweise der Kalzium Ionenkanäle von Hörzellen finden lässt.

Der Abschlussbericht liegt zum Download als PDF-Datei (3.909 KB kB) vor.

Publikationen

  • El Ouardi A, Streckert J, Bitz A, Münkner S, Engel J, Hansen V (2010) New fin-line devices for radiofrequency exposure of small biological samples in vitro allowing whole-cell patch clamp recordings. Bioelectromagnetics 10.1002/bem.20621

Fazit

Die im Rahmen dieses Vorhabens erzielten Ergebnisse zeigen keinen negativen gesundheitlichen Einfluss der EMF des Mobilfunks auf die Hörzellen. Die wenigen gefundenen signifikanten Zusammenhänge stellen aufgrund der hohen Zahl der Untersuchungen höchstwahrscheinlich einen statistischen Zufall dar, sind möglicherweise aber auch thermisch bedingt. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung bedeuten die geringen Veränderungen, die sich im normalen physiologischen Bereich bewegen, nicht. Dies ist im Einklang mit den Ergebnissen der internationalen Projekte GUARD und EMFnEAR sowie weiteren publizierten Arbeiten.