in vitro-Experimente unter Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern der Mobilfunkkommunikation
C. Blut-Hirn-Schranke

Thema

in vitro-Experimente unter Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern der Mobilfunkkommunikation.
C. Blut-Hirn-Schranke

Beginn

01.12.2003

Ende

30.11.2006

Projektleitung

Universität Münster

Zielsetzung

Ziel des Forschungsvorhabens war die Untersuchung der Frage, ob die differentielle Genexpression in Endothelzellen der Blut-Hirn-Schranke durch hochfrequente Felder der Mobilfunktechnologie beeinflusst wird. Als in vitro Modell der Blut-Hirn-Schranke wurden primäre cerebrale Kapillarendothelzellen der Ratte verwendet. Die Fragestellung wurde mit Hilfe eines umfassenden Screening-Ansatzes auf mRNA-Ebene bearbeitet. Durch dieses Screening-Verfahren können Zielproteine der Blut-Hirn-Schranke identifiziert werden, deren Expression durch Felder der Mobilfunktechnologie beeinflusst wird.

Ergebnisse

Exposition:

Die Exposition der Zellkulturen erfolgte mit GSM-1800 oder UMTS-Signalen 1966 MHz, SAR 0 (Scheinexposition), 0.4, 1, 3 und 8 W/kg in einer für das Projekt entwickelten Expositionsanlage. Die Versuchskammern wurden als radiale Wellenleitungen ausgeführt, die jeweils 6 Kulturschalen aufnehmen können. Da die Exposition bei 8 W/kg die Temperatur der Zellkulturen um 1°C erhöhte, wurde neben der vorgesehenen Positivkontrolle von 40°C eine weitere Temperatur-Kontrolle bei 38°C mitgeführt.

Untersuchung der differentiellen Genexpression:

Die differentielle Genexpression wurde mit dem Affymetrix GeneChip® Rat Genome 230 2.0 Array, einem Gesamtgenom-Array, in 5 Parallelproben pro Ansatz untersucht.

Auf dem Array sind kurze DNA-Fragmente („Probes“) als Sonden fixiert, an die die isolierten RNAs spezifisch binden. Je größer die Zahl der in der Zelle befindlichen „Genkopien“, desto stärker das resultierende Signal. Insgesamt wurden so ca. 28.000 Gene – einige davon sind durch mehr als eine DNA-Sonde repräsentiert - erfasst. Mit Hilfe eines softwaregestützten Analyseverfahrens (MAS 5.0 Affymetrix) wurden die jeweiligen Signalstärken exponierter Proben mit den Kontrollen verglichen. Aus dem gesamten Proben-Set wurden anschließend in mehreren Schritten geeignete Kandidaten selektiert. Haupt-Auswahlkriterium war der Grad der Expressionsveränderung im Vergleich zu den Kontrollen. In den meisten Untersuchungen wird eine Expressionsveränderung um mindestens den Faktor 2 zugrunde gelegt, hier wurde der Schwellenwert etwas niedriger bei 1.4 angesetzt. Damit wurde vermieden, zu viele mögliche Zielgene vorzeitig aus dem Pool zu nehmen, die niedrige Schwelle führte aber zu einer vergleichsweise hohen Zahl verbleibender Kandidaten. Anschließend wurden alle Proben-Sets aus der Auswertung entfernt, die allein schon durch die Temperaturerhöhung (entweder 40°C oder 38°C) reguliert worden waren. Der verbleibende Pool wurde nach Genen durchsucht, die für die BHS von besonderer Relevanz sind oder sein könnten.

Nach Auswertung der Genchip-Arrays wurden bei GSM1800 68 und bei UMTS 61 Gene detektiert, die bei mindestens einem der untersuchten SAR-Werte differentiell reguliert waren. 17 davon waren sowohl bei UMTS als auch bei GSM reguliert, allerdings nicht unbedingt in gleicher Art und Weise. So findet sich z.B beim Gen Abcc8 unter UMTS 3 W/kg eine deutlich erhöhte Expression unter GSM 1800 3W/kg nicht wieder, beim Gen MCF2L ist die Richtung der Expressionsänderung bei allen SAR-Werten gegenläufig. Eine Expositions-Wirkungs-Beziehung ist in keinem Ansatz erkennbar.

Die Ergebnisse wurden mit einer zweiten Methode, der RT-PCR, abgesichert. Hierfür wurde der TaqMan Low Density Array (Applied BioSystems) verwendet, der es ermöglicht, eine größere Anzahl von Genen (maximal 47) parallel zu überprüfen, allerdings müssen die entsprechenden Gene auf dem Array vorhanden, d.h. „inventarisiert“ sein. Dies war nicht für alle im Genchip-Array detektierten Gene der Fall. Nicht inventarisiert und somit nicht mit der zweiten Methode überprüfbar war z.B. Tjp1_predicted, ein Protein, das in der Ratte vermutlich am Aufbau der Schrankenfunktion beteiligt ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit dem menschlichen ZO-1-Protein entspricht und im Genchip-Array nach UMTS-Exposition bei 0.4 W/kg um das 2.7-fache und bei 8 W/kg um das 1.6-fache verstärkt exprimiert war, allerdings nicht bei 1 und 3 W/kg und ebenso wenig bei GSM.

Als Ergebnis der RT-PCR Analyse verblieben bei UMTS noch 15 Gene, die in mindestens einer Expositionsgruppe im Vergleich zur scheinexponierten Kontrolle verstärkt oder vermindert exprimiert sind, bei GSM noch 7. Die Auflistung enthält allerdings drei Gene (Mcf2l bei UMTS, Camk2b und Serpinb7 bei GSM), die zwar sowohl im Genchip-Array als auch mit RT-PCR (bei jeweils unterschiedlichen SAR-Werten) differentiell reguliert waren, allerdings in gegenläufiger Richtung. Dies ist nicht als Bestätigung der Array-Ergebnisse durch die zweite Methode zu werten.

Die Zahl der mit der zweiten Methode bestätigten Veränderungen reduziert sich somit auf 14 bei UMTS bzw. 5 bei GSM. Während sich bei den SAR-Werten von 0.4 und 1 W/kg nur sporadische und schwache Expressionsveränderungen finden, treten die meisten und vergleichsweise stärkeren Expressionsänderungen bei 3 W/kg auf.

Dazu gehören Proteine, die theoretisch auf verschiedenen Wegen auf die Funktion der BHS einwirken könnten (vasoaktive Rezeptoren, Transportproteine, an der Signaltransduktion oder der passiven Schrankenfunktion beteiligte Proteine). Hochreguliert, d.h. verstärkt gebildet, wird u.a. Claudin-1, ein am Aufbau der für die BHS essentiellen „tight junctions“ (spezielle Verbindungen zwischen benachbarten BHS-Endothelzellen) beteiligtes Protein.

Die detaillierten Ergebnisse des Projekts können den Zwischenberichten und dem Abschlussbericht entnommen werden:

Der 1. Zwischenbericht enthält eine ausführliche Beschreibung der Methode zur Zell-Kultivierung und des Aufbaus der technischen Einrichtung zur Befeldung der Zellkultur. Der Zwischenbericht liegt zum Download als PDF-Datei (63 kB) vor.

Der 2. Zwischenbericht enthält eine Beschreibung der Etablierung und Charakterisierung des verwendeten Zellkulturmodells der Blut-Hirn-Schranke. Der Text liegt zum Download als PDF-Datei (96 kB) vor.

Der vollständige Abschlussbericht incl. Literaturstudie liegt ebenfalls zum Download als PDF-Datei (2,13 MB) vor.

Fazit

Die Studie zeigt, dass mehrere potentiell relevante Gene, darunter auch eines, dessen Protein an der Barrierefunktion der Blut-Hirn-Schranke beteiligt ist (Claudin-1) in ihrer Expression beeinflusst werden. Allerdings ergibt sich kein plausibles Muster im Sinne einer Expositions-Wirkungsbeziehung, sondern lediglich punktuelle Signifikanzen in beide Richtungen (Auf- und Abregulation). Insgesamt waren die Änderungen der Genexpression in den meisten Fällen moderat wobei die meisten und auch die vergleichsweise stärkeren Effekte bei 3 W/kg auftraten.

Bettet man die Ergebnisse dieser in vitro Studie in die Ergebnisse der u.a. im DMF durchgeführten tierexperimentellen Studien zur Blut-Hirn-Schranke ein, und berücksichtigt man ferner, dass auch im Zellkulturmodell die Barrierefunktion der Blut-Hirn-Schranke nicht erkennbar beeinflusst wird (Franke et al. 2005), können die beobachteten Veränderungen auf Genexpressions-Ebene nicht als Hinweis auf eine Funktionsbeeinträchtigung der BHS gewertet werden. Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass die Studie keine Rückschlüsse auf gesundheitliche Effekte am Menschen erlaubt, zumal eine moderate Genregulation als Reaktion auf einen äußeren Einfluss zum normalen Verhalten lebender Zellen gehört.

Screening-Arrays bieten jedoch die Möglichkeit, relevante Gen-Kandidaten herauszufiltern, die gezielt und mit spezifischeren Methoden weiter untersucht werden können. Insofern wird empfohlen, die Ergebnisse dieser Studie - evtl. im Rahmen der Grundlagenforschung - unabhängig abzusichern und ggf. weiter zu verfolgen.