Einfluss hochfrequenter Felder des Mobilfunks auf die metabolische Umsatzrate im Tiermodell (Labornager)

Thema

Einfluss hochfrequenter Felder des Mobilfunks auf die metabolische Umsatzrate im Tiermodell (Labornager)

Beginn

22.12.2006

Ende

31.04.2008

Projektleitung

Jacobs University Bremen

Zielsetzung

Das Projekt wurde nachträglich ins Deutsche Mobilfunk Forschungsprogramm aufgenommen, um eine Fragestellung weiter zu verfolgen, die sich aus dem DMF-Projekt „Beeinflussung der spontanen Leukämierate bei AKR/J-Mäusen durch nieder- und hochfrequente elektromagnetische Felder“ ergeben hatte. Dort war bei chronischer Ganzkörperexposition der Versuchstiere mit GSM 900 und einem SAR-Wert von 0.4 W/kg eine zwar geringe aber statistisch signifikante Gewichtszunahme aufgetreten. Im Hinblick auf die Vielzahl der an Labornagern durchgeführten Studien sollte in einem in Umfang und Zeitaufwand überschaubaren Zusatzprojekt der Hypothese einer möglichen Beeinflussung des Metabolismus von Labornagern unterhalb der Schwelle für gesicherte thermische Effekte weiter nachgegangen werden.

Ergebnisse

Als indirektes Maß für die metabolische Umsatzrate wurde der respiratorische Quotient (RQ) von männlichen Djungarischen Zwerghamstern, die sich in einem elektromagnetischen Feld (GSM 900) befanden, bestimmt. Die spezifischen Absorptionsraten (SAR) betrugen 0 (Schein-Exposition), 0.08, 0.4 und 4 W/kg. Zur Bestimmung des Respiratorischen Quotienten wurden der Sauerstoffverbrauch und die Kohlendioxidproduktion mit Sensoren laufend gemessen. Weiterhin wurden Effekte auf Futter- und Wasserverbrauch und auf die Körpertemperatur bestimmt sowie das Körpergewicht erfasst.

Bei den SAR-Werten 0.08 und 0.4 W/kg traten bei keinem der untersuchten Parameter Unterschiede gegenüber der scheinexponierten Kontrolle auf. Bei der höchsten, oberhalb der Grenzwerte liegenden Exposition von 4 W/kg stieg die Felltemperatur um ca. 0.5 ºC an, die Augentemperatur als Surrogat für die Körperkerntemperatur wurde hingegen nicht signifikant erhöht. Dies spricht dafür, dass auch bei dieser hohen Exposition die aufgenommene Strahlungsenergie effektiv über die Haut abgegeben wird und es nicht zu einer Erhöhung der Körperkerntemperatur kommt. Der Futterverbrauch nahm signifikant ab, ebenso die CO2-Produktion und der Respiratorische Quotient am Tag, jedoch nicht in der Nacht.

Durchführung

Für das Projekt wurden vom Kooperationspartner (BU Wuppertal, Lehrstuhl für Theoretische Elektrotechnik, Prof. Dr.-Ing. Hansen) Expositionsanlagen bestehend aus 4 Rechteck-Hohlleitungen entwickelt. Die Bestimmung der Feldverteilung in den Anlagen sowie die spezifischen Absorptionsraten (SAR) in den Versuchstieren erfolgte durch numerische Berechnungen. Hierfür wurde ein Hamstermodell bestehend aus zehn MRI-Schnitten verwendet, das 21 Gewebearten berücksichtigt. Die elektromagnetischen Felder wurden über Feldsonden ständig aufgezeichnet. Laufend gemessen. Aufgezeichnet wurden neben den Atemgasen O2 und CO2 auch die Luftfeuchte und der Luftdruck in den Expositionskammern. Zur kontinuierlichen Bestimmung der Atemgase (CO2, O2) wurden handelsübliche Sensoren verwendet, für CO2 der CO2 gascheck 3000 ppm, Edinburgh Instruments, für O2 der elektrochemische Sensor M-03 der Fa. Kranz GmbH. Da Hamster nachtaktiv sind, erfolgte eine getrennte Betrachtung der Atemgasanalyse für die Nacht (8 Stunden) und für den Tag (16 Stunden).

Die Durchführung der Experimente gliederte sich in Phasen von jeweils einer Woche. Nach einer Eingewöhnungswoche wurden die Tiere für jeweils eine Woche im Wechsel scheinexponiert bzw. exponiert. Insgesamt wurden 4 unabhängige Durchläufe mit jeweils 4 Hamstern durchgeführt (jeweils 8 Wochen pro Durchlauf).

Die Bestimmung der Körpertemperatur erfolgte durch Infrarot-Thermografie (Infrarot-Kamera TI20, Fluke, Kassel). Die thermografische Methode erwies sich als berührungs- und damit stressfrei und trotzdem ausreichend empfindlich. Temperaturunterschiede von 0,1 °C konnten erfasst werden. Ermittelt wurde zum einen die Temperatur der Rückenpartie als Surrogat für die Hauttemperatur, zum anderen die Augentemperatur als Surrogat für die Körper-Kerntemperatur.

Der Gesundheitszustand der Tiere wurde 1 x täglich kontrolliert. Die Versuchsdurchführung erfolgte verblindet. Erst nach Auswertung und Übermittlung der biologischen Daten erfolgte die Bekanntgabe des Expositionsstatus.

Der vollständige Abschlussbericht steht zum Download als PDF-Datei (4.390 KB) zur Verfügung.

Fazit

Die Ergebnisse der Studie stimmen gut mit Ergebnissen von z. B. Ebert et al (2005) überein. Dort wurde zum einen die Schwelle für das Einsetzen thermoregulatorischer Antworten (thermal regulatory threshold) und zum anderen die Schwelle für die Überforderung der Thermoregulation (thermal breakdown threshold) bei Mäusen bestimmt. Erst wenn diese zweite Schwelle überschritten wird, wird die Körpertemperatur messbar erhöht. Die erste Schwelle (Einsetzen der Thermoregulation) lag bei Ebert et al. je nach untersuchtem Stamm bei einer 2-stündigen Exposition mit GSM 900, SAR 2 W/kg oder 5 W/kg, während die Schwelle für die Überforderung der Thermoregulation bei etwa 7.7 bzw. 10.1 W/kg lag. Die in der vorliegenden Studie verwendete höchste SAR von 4 W/kg fällt also in den Bereich der aktivierten Thermoregulation, was mit Hilfe einer nicht-invasiven, für die Versuchstiere stressfreien Methode (Infrarot-Thermografie) gezeigt wurde.

Der Forschungsnehmer kommt zu dem Schluss, dass seine Hypothese „Beeinflussung des Metabolismus unterhalb der Schwelle für gesicherte thermische Effekte“ (d. h. Erhöhung der Körpertemperatur um mind. 1 ºC) gestützt wird.

Hierzu wird folgende Einschätzung gegeben:

Die in der aktuellen Studie beschriebenen Effekte bei Oberflächentemperatur, Futterverbrauch und verminderter CO2-Abgabe treten ausschließlich bei einem SAR-Wert von 4 W/kg auf (zur Einordnung: der Grenzwert für die Ganzkörperexposition beim Menschen liegt bei 0.08 W/kg), d. h. in einem Bereich, der zwar noch unterhalb der Schwelle für eine messbare Erhöhung der Körper-Kerntemperatur liegt, aber bei den Versuchstieren bereits thermoregulatorische Reaktionen auslöst, was durch die Infrarot-Thermografie auch gezeigt wurde. Es soll nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer chronischen Ganzkörperexposition von 4 W/kg in den Versuchstieren Wirkungen auf den Stoffwechsel auftreten. Die beobachtete Abnahme der CO2-Produktion und des RQ würden auf eine Abnahme der metabolischen Umsatzrate am Tag hindeuten. Eine Verminderung der Umsatzrate als Maßnahme zur Stabilisierung der Körpertemperatur wäre plausibel und wurde schon von Adair bei Totenkopfaffen beschrieben (Adair et al. 1992, 1993).

Relevant für den Strahlenschutz und Auslöser für die Studie war aber vor allem die Frage, ob Effekte bei den Versuchstieren auch bei Ganzkörper-SAR-Werten auftreten, die unterhalb der thermoregulatorischen Schwelle im Bereich geltender Grenzwerte liegen. Hierfür finden sich in der vorliegenden Studie jedoch keine Hinweise, da bei 0.08 und 0.4 W/kg eben keine Auswirkungen auf die Parameter, die vom Forschungsnehmer als indirektes Maß für die metabolische Umsatzrate herangezogen wurden, auftraten.

Die in dem DMF-Projekt „Beeinflussung der spontanen Leukämierate bei AKR/J-Mäusen durch nieder- und hochfrequente elektromagnetische Felder“ (http://www.emf-forschungsprogramm.de/forschung/biologie/biologie_abges/bio_040.html) beobachteten Gewichtszunahmen der AKR-Mäuse bei SAR 0.4 W/kg lassen sich daher mit diesen Ergebnissen nicht plausibel erklären. Ergänzend soll auf die im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms durchgeführte 3-Generationen-Studie an Ratten (chronische Exposition mit GSM und UMTS, SAR 0.4 W/kg) hingewiesen werden. Dort trat keine Erhöhung der Körpergewichte auf obwohl vergleichbare Energiemengen ebenfalls langfristig in den Körper eingetragen wurden (http://www.emf-forschungsprogramm.de/forschung/biologie/biologie_abges/bio_050.html).

Auch in anderen in vivo Studien an Labornagern wurde keine derartige Gewichtszunahme beobachtet, wobei allerdings nur wenige Studien im Hinblick auf die durchgehende Exposition mit der Studie an AKR-Mäusen vergleichbar sind. Zwar kann nicht generell ausgeschlossen werden, dass – in Abhängigkeit von der Versuchstierart bzw. -tierstamm und den Versuchsbedingungen (Umgebungstemperatur, etc) - auch in niedrigeren SAR-Bereichen metabolische Regulationsprozesse im physiologischen Rahmen stattfinden können. Konkrete Hinweise darauf ergeben sich aus der vorgelegten Studie jedoch nicht.

Aus Strahlenschutzsicht werden weitere Projekte in dieser Richtung daher derzeit nicht als prioritär beurteilt. Allerdings ist bei künftigen tierexperimentellen Studien mit chronischer HF-Exposition eine stringentere Überwachung des Futter- und Wasserverbrauchs sowie des Gewichts der Versuchstiere zu empfehlen. So könnten für den Fall, dass erneut Effekte auftreten, wie sie bei den AKR-Mäusen (Sommer et al. 2004) und Hamstern (Lerchl et al. 2007) beobachtet wurden, diese besser eingeordnet werden.

Handlungsbedarf im Sinne einer Senkung der Grenzwerte ergibt sich aus den Ergebnissen der Studie nicht.