Untersuchungen zu Wirkungsmechanismen an Zellen unter Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern der Mobilfunktechnologie
A. Demodulation / Kommunikation

Thema

Untersuchungen zu Wirkungsmechanismen an Zellen unter Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern der Mobilfunktechnologie.
A. Demodulation / Kommunikation

Beginn

01.07.2003

Ende

30.06.2007

Projektleitung

Universität Rostock

Zielsetzung

Das Projekt nutzt zwei unabhängige Zugänge, um kausale Aussagen über mögliche biologische Wirkungen elektromagnetischer Felder zu treffen.

Zum einen soll die subzelluläre elektrische Feldverteilung unter besonderer Berücksichtigung der molekularen Struktur an und in der Zellmembran modelliert und über Einzelzellspektroskopie experimentell überprüft werden. Dies soll zu einer Abschätzung der subzellulären Energieabsorption, der Energieflüsse und des Zeitverhaltens der Energiedissipation führen. Hierbei soll in einem Zellmodell, das die molekulare Zell- und Membranstruktur berücksichtigt, geklärt werden, ob die Möglichkeit einer Demodulation der niederfrequenten Pulsung von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern des Mobilfunks an der Zellmembran besteht.

Zum anderen soll die funktionelle Bedeutung der auf subzellulärer Ebene beobachteten Effekte an der als am empfindlichsten angesehenen Struktur des Zentralnervensystems, nämlich an lebenden Hirnschnitten, aufgedeckt werden. Elektrophysiologische Messungen der Aktivität von einzelnen Nervenzellen und der Signalübertragung zwischen Nervenzellen innerhalb von neuronalen Netzwerken werden Aussagen über funktionelle Auswirkungen möglicher Membraneffekte auf die neuronale Kommunikation liefern.

Ergebnisse

ZZu Beginn des Vorhabens wurde eine Literaturstudie erarbeitet, die aktuelle Ergebnisse der Modellierung der Membraneigenschaften sowie Daten zu molekularen Eigenschaften des Zytoplasmas und der Zellmembran zusammenstellt. Die Literaturstudie wurde als Broschüre veröffentlicht.

Der Text der Literaturstudie liegt zum Download als PDF-Datei (1.108 kB) vor.

Weiterhin wurden Modellrechnungen zur Energieabsorption infolge von HF Exposition in simulierten Zellen und deren Membranen durchgeführt. Es wurde das Modellsystem “menschliche rote Blutkörperchen” genutzt. Das Modell ist durch elektrisch anisotrope Eigenschaften der Kopfgruppenregion der Lipide in der Zellmembran gekennzeichnet, die zu einer bisher nicht beschriebenen, ungewöhnlichen Feldverteilung in der Membran und einer um bis zum Faktor 10 erhöhten lokalen Feldabsorption führen. Es konnte gezeigt werden, dass für diese komplizierten Systeme eine Laplace-Lösung auch für mehrschalige Modelle existiert, die mit den numerischen Ergebnissen übereinstimmt.

In Kooperation mit dem Lehrstuhl für Theoretische Elektrotechnik wurde der Frequenzbereich der Elektrorotationsmessungen bis über 2 GHz erweitert. Dazu wurden Messkammern gebaut, die jeweils auf bestimmte Messfrequenzen abgestimmt sind. Weiterhin wurden Rotationselektroden angepasst, um ein möglichst gleichmäßiges Rotationsfeld zu erhalten. Die Ergebnisse zeigen GHz-Rotationseffekte bei Zellen mit Zellwand (z. B. Hefen), jedoch keine bei Blutkörperchen. Diese Unterschiede werden dem Vorhandensein eines größeren Bound-Water-Volumens zugeschrieben.

In Elektrorotationskammern wurden Messungen an Blutkörperchen bei unterschiedlichen Temperaturen durchgeführt. Bei hohen SAR Werten in starken und inhomogenen HF-Feldern zeigte sich im Vorversuch ein Ionenausfluss aus den Zellen. Daraufhin wurde die Zeit- und Temperaturabhängigkeit des Ionenausflusses zunächst ohne Exposition überprüft und die Versuchsbedingungen optimiert. In weiteren Versuchen zeigte sich auch bei hohen SAR-Werten kein zusätzlicher nicht thermischer sondern ein direkt feldinduzierter Ionenausfluss (s. Anlage 1).

Es wurden Messungen an Zellkulturen aus der Hirnrinde von Mäusen auf Silizium-Chips durchgeführt. Erste Ergebnisse bei „continuous wave“ sowie UMTS zeigten eine schwache Korrelation zwischen der Zellaktivität und der effektiven Feldleistung, die stufenförmig mit einem Zyklus von etwa 40 min geändert wurde. Diese Exposition führt zu einer Temperaturerhöhung von bis zu 0,2 °C. Der gefundene Effekt ist deshalb höchstwahrscheinlich thermischer Natur. Die zugehörigen SAR-Werte bewegten sich im Bereich 0.5 – 2 W/kg. Weitere, detailliertere Experimente (s. Anlage 2) wurden bei SAR-Werten von 0,14 W/kg, 1,3 W/kg und 2,6 W/kg durchgeführt. Die letzen beiden Expositionen führen zu einer Erwärmung von 0,12°C bzw. 0,24°C; die Exposition mit 0,14 W/kg verursachte keinen messbaren Temperaturanstieg. Etwa 33 % der auswertbaren Nervenzellen zeigte eine thermisch bedingte Korrelation mit der Leistung des UMTS Signals. Veränderungen der Leistung für Zeitintervalle von weniger als 10 s, konnten die Neuronen nicht folgen, vermutlich weil in dieser kurzen Zeit der Temperaturanstieg im Nährmedium zu gering war, um eine Reaktion der Nervenzellen auszulösen. Dass Nervenzellen und vor allem verknüpfte neuronale Netzwerke auch auf sehr geringe Temperaturveränderungen reagieren können, ist aus der Physiologie bekannt. Dieser Effekt ist allerdings gesundheitlich nicht relevant, da die Körpertemperatur im Tagesverlauf wesentlich stärker variiert. Es wurde kein Einfluss der Leistungsregelung des UMTS-Signals bei 10 Hz gefunden (sog. Fading-Mode). Ebenfalls wurde keine Demodulation des UMTS Signals bei 740 Hz beobachtet, die eventuell zu Veränderungen in der Form der Nervenimpulse hätte führen können.

Der Abschlussbericht sowie Anlage 1 (Zellsuspensionen) und Anlage 2 (Neurochipexposition) liegen zum Download als PDF-Dateien vor:

Abschlussbericht (1.862 KB)

Anhang 1 (1.066 KB)

Anhang 2 (195 KB)

Publikationen

  • Bohinc K, Gimsa J, Kralj-Iglic V, Slivnik T, Iglic A (2005) Excluded volume driven counterion condensation inside nanotubes in a concave electric double layer model with excluded volume effect. Bioelectrochemistry. 67: 91 – 99
  • Gimsa J, Habel B, Schreiber U, van Rienen U; Strauss U, Gimsa U. (2005). Choosing electrodes for deep brain stimulation experiments – electrochemical considerations. J. Neurosci. Meth. 142: 251 – 265
  • Gimsa U, Iglic A, Fiedler S, Zwanzig M, Kralj-Iglic V, Jonas L, Gimsa J (2007) Actin is not required for nanotubular protrusions of primary astrocytes grown on metal nano-lawn. Mol. Mem. Biol. 24:243 – 255
  • Gimsa U, Kralj-Iglic V, Iglic A, Fiedler S, Zwanzig M, Jonas L, Gimsa J (2006) Basic cell-cell and cell-surface interactions in liposome and cellular systems. in: A. Leitmannova Liu (ed.) Advances in planar lipid bilayers and liposomes. Elsevier. Vol. 5, 229 – 251
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  • Sudsiri J, Wachner D, Gimsa J (2006) On the temperature dependence of the dielectric membrane properties of human red blood cells. Bioelectrochemistry 70: 134 – 140
  • Sudsiri J, Wachner D, Simeonova M, Donath J, Gimsa J (2006) Effect of temperature on the electrorotation behavior of human red blood cells. Jurnal Teknologi (Malaysia) 44(F): 1 – 12
  • van Rienen U. Flehr U, Schreiber U, Schultze U, Gimsa U, Baumann W, Weiss DG, Gimsa J, Benecke R, H.-W. Pau H-W. (2005): Electro-Quasistatic Simulations in Bio-Systems Engineering and Medical Engineering. Advances in Radio Science. Vol. 3 pp.39 – 49

Fazit

Die vorliegende Studie hat einige Angaben zur mikroskopischen Feldverteilung in Zellen präzisiert. Infolge ihrer geschichteten Struktur und des Wassergehaltes absorbiert die Zellemembran mehr Energie als bisher erwartet. Ein feldinduzierter Ionenausfluss aus Zellen wurde auch bei hohen SAR-Werten nicht beobachtet. Eine Demodulation des UMTS Signals an Nervenzellen wurde nicht gefunden. Es zeigte sich aber, dass diese Zellen mit ihrer Aktivität langsamen und schwachen feldbedingten Temperaturschwankungen folgen können. Insgesamt handelt es sich um neue und teilweise unerwartete physiologische Beobachtungen. Bei Feldern unterhalb der gültigen Grenzwerte sind die beobachteten Veränderungen sehr gering, sodass keine gesundheitlichen Auswirkungen erwartet werden.