Altersabhängige Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder des Mobilfunks auf Entwicklungs- und Differenzierungsprozesse des Zentralnervensystems in juvenilen Labornagern

Thema:

Kinder und Jugendliche stellen eine wichtige Nutzergruppe für Mobiltelefone dar. Die Frage, ob die immer früher beginnende Nutzung negative gesundheitliche Auswirkungen haben kann, sollte weiter erforscht werden. Bei tierexperimentellen Untersuchungen wird aus methodischen Gründen in aller Regel die Nahfeld-Exposition im Kopfbereich erst nach dem Absetzen der Jungtiere von der Mutter, d.h. frühestens im Alter von 4-7 Wochen begonnen. Frühere Entwicklungsstadien werden also von der HF-Exposition nicht umfasst. Sofern in bisherigen Studien prä- und frühe postnatale Entwicklungsstadien einbezogen wurden, wurde das Szenario der chronischen Ganzkörperbefeldung mit niedrigen SAR-Werten gewählt, was wiederum keine Aussagen über die Situation „Handynutzung“ erlaubt, bei der speziell der Kopf deutlich höher exponiert wird. Diese Kenntnislücke soll mit der vorliegenden Studie geschlossen werden.

Beginn:

01.11.2009

Ende:

29.07.2013

Projektleitung:

Jacobs University Bremen

Zielsetzung:

In einer tierexperimentellen Studie an juvenilen Labornagern sollte der Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder des Mobilfunks bei wiederholter Exposition des Kopfes auf Entwicklungsparameter, Kognition und Verhalten untersucht werden. Auftretende Neoplasien insbesondere im Gehirn sollten histopathologisch untersucht werden.

Ergebnisse:

Weibliche Wistar-Ratten (24 pro Expositionsgruppe + 24 Käfigkontrollen) wurden beginnend mit dem Alter von 14 Tagen bis zum Alter von 19 Monaten im Kopfbereich für 2 Stunden pro Tag, 5 Tage pro Woche elektromagnetischen Feldern des Mobilfunks (GSM 900 MHz) ausgesetzt. Die SAR-Werte betrugen 0, 0,7, 2,5 und 10 W/kg als über das Rattenhirn gemittelte Teilkörper-SAR. Die vornehmliche Exposition des Kopfes erfolgte durch Fixierung der Tiere in Röhren unterschiedlicher Größe. Der Schwerpunkt der Studie lag auf Tests zu Verhalten, Lernen und Gedächtnis. Die Tests wurden im juvenilen, mittleren und höheren Lebensalter durchgeführt. Dadurch können auch Effekte erfasst werden, die sich erst in späteren Lebensphasen erkennbar auswirken. Es zeigten sich keine Hinweise auf negative Auswirkungen der Expositionen auf Verhalten, Lernen und Gedächtnis. Hinweise auf ein erhöhtes Tumorrisiko aufgrund der HF-Exposition ergaben sich ebenfalls nicht.

In der vorliegenden Studie wurde zunächst eine geeignete Expositionsanlage konstruiert, die eine gezielte Kopfexposition bereits ab einem frühen postnatalen Entwicklungsstadium ermöglicht. Mit Hilfe eines der körperlichen Entwicklung angepassten Sets von Fixier-Röhren (Restrainern) wurde die Kopf-Exposition mit dem 14. Lebenstag begonnen und bis ins präsenile Alter (19 Monate) fortgesetzt. Im Alter von 14 Tagen ist die Gehirnentwicklung der Ratte noch nicht abgeschlossen. Im Alter von 12 Tagen wird erst ca. 50 % des Gehirn-Endgewichts erreicht.

Die Expositionsanlage musste für dieses Projekt speziell konzipiert werden, um eine definierte, möglichst homogene Kopf-Exposition unterschiedlich großer Tiere bei verblindeter Versuchsdurchführung sicherzustellen. Numerische Berechnungen zur Bestimmung der für die gewünschten SAR-Werte notwendigen Leistungsflussdichten mussten für die jungen Tiere ergänzt werden. Die entsprechenden Computermodelle wurden auf der Basis von MRI-Aufnahmen erstellt. Die laufende Kontrolle von Temperatur und Feldstärken war gewährleistet. Versuchsdurchführung und Auswertung erfolgten verblindet, die tatsächliche Expositionssituation war nur dem technischen Partner (BU Wuppertal) bekannt. Neben den scheinexponierten Kontrollen (SAR = 0 W/kg) in der Expositionsanlage wurden zusätzlich Käfigkontrollen mitgeführt, um den Faktor Stress bei den fixierten Tieren abschätzen zu können.

Der Schwerpunkt der Studie lag auf Tests zu Verhalten, Lernen und Gedächtnis. Die Tests (RotaRod Tredmill zur Untersuchung der motorischen Koodination und Motivation, achtarmiges Labyrinth für räumliche Orientierung und Gedächtnis, open-field-Test für Explorationsverhalten, Motivation und Ängstlichkeit sowie der Water-Maze-Test für Motivation, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis wurden im Alter von 1-2 Monaten (juvenil), 10-11 Monaten (adult) und 16-17 Monaten (präsenil) durchgeführt.

Bei den jungen Tieren wurde die Ausbildung von Entwicklungszeichen wie Augen- und Ohröffnung sowie die Ausbildung von Reflexen geprüft. Unterschiede zwischen Kontrollen und exponierten Tieren traten nicht auf.

Der einzige Unterschied zwischen den Untersuchungsgruppen betraf das Körpergewicht. Dieses lag ab dem Alter von 15 Monaten bei den Käfigkontrollen, das heißt bei den Tieren, die nicht stundenweise in die Expositionsanlage verbracht wurden, signifikant über dem der scheinexponierten und der exponierten Tiere. Die präsenilen Tiere der Käfigkontrolle zeigten zudem in zwei der vier Verhaltenstests (RotaRod und Open-Field) ein im Vergleich zu den scheinexponierten und den exponierten Tieren verringertes Explorationsverhalten und geringere Aktivität. Vermutlich wirkt sich hier das tägliche „Handling“ der (schein)exponierten Tiere positiv aus, ein Effekt, der aus der Fachliteratur bekannt ist. Die geringere Aktivität der Käfigkontrollen könnte auch ihre im fortgeschrittenen Alter höheren Körpergewichte erklären.

Am Ende der Versuchsphase wurden Gehirn und Hypophyse auf das Vorhandensein von Tumoren untersucht. 38 von 120 Tieren wiesen einen gutartigen Tumor der Hypophyse (ein Adenom) auf, allerdings über alle Gruppen verteilt. Hinweise auf ein erhöhtes Tumorrisiko aufgrund der HF-Exposition ergaben sich nicht.

Fazit

Zwischen den Gruppen der exponierten bzw. scheinexponierten Tiere zeigten sich in Bezug auf Entwicklungsparameter sowie in den Verhaltenstests keine auffälligen Unterschiede. Es ergaben sich auch keine Hinweise auf erhöhte Tumorraten des Zentralnervensystems aufgrund der Exposition. Diese tierexperimentelle Untersuchung ergänzt die Erkenntnisse über Auswirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder des Mobilfunks auf den heranwachsenden Organismus. Sie verbessert im Interesse des Strahlenschutzes die bisher nicht befriedigende Datenlage bezüglich altersabhängiger Wirkungen, insbesondere auf das noch nicht ausgereifte Gehirn.

Der Abschlussbericht des Projekts kann im Volltext als pdf (1,91 MB) unter http://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-2013112711143/3/BfS_2013_FM8848.pdf abgerufen werden.