Protokoll des Kolloquiums zum Thema "Elektrosensibilität" im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms

Bundesamt für Strahlenschutz, Neuherberg, 16.05.2006


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TeilnehmerInnen (alphabetisch)

M. Asmuß Bundesamt für Strahlenschutz
C. BaldermannBundesamt für Strahlenschutz
B. BartholoméJohannes-Gutenberg-Universität Mainz
N. DahmenJohannes-Gutenberg-Universität Mainz
A. DehosBundesamt für Strahlenschutz
U. FrickBezirksklinikum Regensburg
M. GeißlerJohannes-Gutenberg-Universität Mainz
F. GrimmJohannes-Gutenberg-Universität Mainz
S. HauserBezirksklinikum Regensburg
M. LandgrebeBezirksklinikum Regensburg
S. LangJohannes-Gutenberg-Universität Mainz
N. LeitgebTechnische Universität Graz
R. Matthes Bundesamt für Strahlenschutz
L. MichaelisJohannes-Gutenberg-Universität Mainz
A. MüllerJohannes-Gutenberg-Universität Mainz
R. Ch. MundhenkeBundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ch. Pölzl Bundesamt für Strahlenschutz
B. Pophof Bundesamt für Strahlenschutz
A. SchröderBundesamt für Strahlenschutz
E. VogelBayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz
J. WeidemannJohannes-Gutenberg-Universität Mainz
W. Weiss Bundesamt für Strahlenschutz
G. Ziegelberger Bundesamt für Strahlenschutz

Tagesordnung

  1. Begrüßung
  2. Vorstellung und Diskussion der im Rahmen des DMF erzielten Forschungsergebnisse
  3. Zusammenfassende Diskussion der Ergebnisse der Forschungsprojekte
  4. Zusammenfassende Diskussion und Bewertung des wissenschaftlichen Kenntnisstands zum Thema "Elektrosensibilität"

1 Begrüßung

Herr Weiss eröffnet das Kolloquium, begrüßt die Teilnehmer und bedankt sich für die rege Teilnahme. Er führt kurz in die Thematik ein. Dabei stellt er fest, dass es Probleme gibt beim gegenseitigen Verständnis von Betroffenen und Fachleuten, die sich mit dem Thema beschäftigen. Einerseits sei es bisher nicht gelungen, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den gesundheitlichen Beschwerden der Betroffenen und den in der Umwelt vorhandenen elektromagnetischen Feldern nachzuweisen. Andererseits sei es aber unbestritten, dass die Betroffenen unter den gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden und dass dies von den Behörden ernst genommen werden müsse. Die im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms durchgeführten Forschungsvorhaben dienen der weiteren Klärung der Ursachen der Beschwerden und insbesondere der Klärung der Frage, ob ein ursächlicher Zusammenhang mit elektromagnetischen Feldern besteht.

2 Vorstellung und Diskussion der im Rahmen des DMF erzielten Forschungsergebnisse

2.1 Untersuchung des Phänomens "Elektrosensibilität" mittels einer epidemiologischen Studie an "elektrosensiblen" Patienten einschließlich der Erfassung klinischer Parameter

Herr Frick und Herr Landgrebe stellen die Aufgabenstellung und das Design des Forschungsvorhabens sowie die bisherigen Ergebnisse vor. In dem Vorhaben sollen einige Ergebnisse einer vorangegangenen Machbarkeitsstudie, die sich mit den Möglichkeiten und Voraussetzungen für die Untersuchung des Phänomens Elektrosensibilität (gegenüber niederfrequenten und hochfrequenten elektromagnetischen Feldern) befasste, anhand einer größeren Probandenzahl überprüft werden. Bei der vorgestellten Studie liegt der Schwerpunkt auf den elektromagnetischen Feldern des Mobilfunks. Einige der Messinstrumente und Testverfahren wurden aus der Machbarkeitsstudie übernommen. Das Design der Studie stellt eine Form einer Fall-Kontroll-Studie dar. Bei den Personen, die in die Studie eingeschlossen wurden, durfte keine schwerwiegende Erkrankung bestehen. Sie mussten aber eine hohe Belastung mit gesundheitlichen Beschwerden aufweisen, die von Betroffenen im Zusammenhang mit Elektrosensibilität beschrieben werden und sie mussten ihre Beschwerden auf konkrete Quellen elektromagnetischer Felder zurückführen. Die Personen der Kontrollgruppe wurden nach Alter, Geschlecht, EMF-Exposition am Wohnort oder EMF-Exposition am Arbeitsplatz an die elektrosensiblen Personen angepasst. Das Untersuchungsprogramm enthält mehrere Fragebogen zu Art und Intensität der Beschwerden, zu Begleiterkrankungen und zur Schlafqualität. Außerdem werden der sog. "Allostatic load", der den Einfluss psychosozialer Faktoren auf die Gesundheit erfassen soll, sowie das Vorhandensein bestimmter genetischer Faktoren geprüft. Außerdem werden die Probanden mit Hilfe der Transkranialen Magnetstimulation (TMS) untersucht. Dabei handelt es sich um ein medizinisches Verfahren, bei dem bestimmte Bereiche des Gehirns mit magnetischen Impulsen stimuliert werden. Die Impulse werden ab einer individuellen Intensitätsschwelle wahrgenommen, so dass eine subjektive Wahrnehmungsschwelle ermittelt werden kann. Wenn ein bestimmter Bereich des motorischen Kortex (also des Bereichs der Großhirnrinde, von dem aus willkürliche Bewegungen gesteuert werden) stimuliert wird, lässt sich eine Muskelreaktion z.B. am kleinen Finger messen. Die Intensität des Impulses, ab dem die Muskelreaktion gemessen werden kann, wird als objektive motorische Wahrnehmungsschwelle bezeichnet. Neben diesen beiden Parametern wird bei den Probanden auch die sogenannte "Exzitabilität" (Erregbarkeit) des motorischen Kortex ermittelt. Dabei werden zwei magnetische Impulse in einem definierten zeitlichen Abstand voneinander verabreicht (Doppelpuls-Methode). Abhängig von der Größe des Abstands wirkt der vorausgehende Impuls hemmend oder verstärkend auf den zweiten Impuls, was wiederum an der Stärke der Muskelreaktion abgelesen werden kann.

Ein Teil der Probanden wird mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRI) untersucht. Dabei handelt es sich um eine Erweiterung der klassischen Magnetresonanztomographie, bei der Stoffwechselvorgänge sichtbar gemacht werden können, die aufgrund einer Aktivität im Gehirn entstehen. Bei den Probanden wird mit diesem Verfahren die kortikale Aktivität (Aktivität in der Großhirnrinde) bestimmt, die bei Ankündigung bzw. Exposition mit einem Wärmereiz oder einem Handysignal auftritt.

Bezüglich der objektiven motorischen Schwellen bei der Transkranialen Magnetstimulation unterscheiden sich die "Elektrosensiblen" nicht von den Personen der Kontrollgruppe. Bei beiden Gruppen wird allerdings eine große Bandbreite der Wahrnehmungsschwellen beobachtet. Hinsichtlich der Fähigkeit, subjektiv einen tatsächlichen Magnetimpuls von einem Scheinimpuls zu unterscheiden, ergeben sich dagegen deutliche Unterschiede zwischen den Elektrosensiblen und den Kontrollpersonen. Da die Kontrollgruppe in dieser Studie bezüglich verschiedener Parameter wie Alter, Geschlecht und EMF-Exposition am Wohnort bzw. am Arbeitsplatz besser an die Elektrosensiblen angepasst ist als in der Machbarkeitsstudie, sind die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen nicht mehr so deutlich erkennbar. Abhängig vom Alter der Personen zeigt sich aber auch in dieser Studie, dass Elektrosensible schlechter zwischen tatsächlichen und Scheinimpulsen differenzieren können als die Kontrollpersonen.

Auch bei der Bestimmung der Exzitabilität des motorischen Kortex sind Alterseffekte feststellbar. Bei der Fazilitierung (Steigerung der Muskelantwort des 2. Impulses durch den vorausgehenden 1. Impuls) ergeben sich - ähnlich wie in der Machbarkeitsstudie - Unterschiede zwischen den Elektrosensiblen und den Personen der Kontrollgruppe. Abweichend von den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie zeigt sich aber je nach Alter der Personen entweder eine Erhöhung oder eine Erniedrigung der Fazilitierung.

Bei der Untersuchung genetischer Faktoren und beim "Allostatic Load", (Einfluss psychosozialer Faktoren auf die Gesundheit) ergaben sich bisher keine Unterschiede zwischen Elektrosensiblen und Kontrollpersonen. Hinsichtlich der Ausprägung dysfunktionaler Kognitionen (ungünstige Grundeinstellungen, negative Bewertungen, Fehlinterpretationen) unterscheiden sich die beiden Gruppen dagegen deutlich voneinander.

Die Untersuchungen zur kortikalen Aktivität bei Ankündigung bzw. Exposition mit einem Wärmereiz bzw. einem Handysignal waren zum Zeitpunkt des Workshop noch nicht abgeschlossen, so dass noch keine eindeutigen Ergebnisse präsentiert werden können.

Diskussion

Es wurden vor allem die Alterseffekte auf die Wahrnehmung von Magnetimpulsen und auf die kortikale Exzitabilität diskutiert. Außerdem stellte Herr Leitgeb fest, dass nach seinen Erfahrungen die Wahrnehmungsschwelle für elektromagnetische Felder (z.B. für 50 Hz Wechselstrom, der über Elektroden am Unterarm appliziert wird) bei elektrosensiblen Personen eine höhere intraindividuelle Streuung aufweist als bei Kontrollpersonen. Dies wird von Herrn Frick zum Teil bestätigt. Er schränkt aber ein, dass die mit der Transkranialen Magnetstimulation objektiv messbare motorische Schwelle bei den elektrosensiblen Personen keine größere Streuung aufweist als bei den Personen der Kontrollgruppe.

2.2 Untersuchungen elektrosensibler Personen im Hinblick auf Begleitfaktoren bzw. Erkrankungen, wie z.B. Allergien und erhöhte Belastung mit bzw. Empfindlichkeit gegenüber Schwermetallen und Chemikalien

Herr Dahmen und seine Mitarbeiter/innen berichten über die Aufgabenstellung und das Design des Forschungsvorhabens sowie über die bisherigen Ergebnisse. Aufgabe des Vorhabens ist es, nach Begleiterkrankungen der Elektrosensibilität zu suchen. Zu diesem Zweck sollen signifikante Unterschiede zwischen einem Elektrosensiblen-Kollektiv und einer Kontrollgruppe in folgenden Bereichen ermittelt werden: allgemeiner Gesundheitszustand, Lebensqualität, Lebenszufriedenheit, Belastung durch Allergien, Schwermetalle, Chemikalien. Gleichzeitig sollen Gemeinsamkeiten in der Gruppe der Elektrosensiblen erfasst werden. Da es bisher keine eindeutigen Diagnosekriterien und keine charakteristische Häufung bestimmter Symptome bei den Betroffenen gibt, kann die Auswahl der Probanden nur aufgrund deren eigener Charakterisierung erfolgen. Untersuchungen im Hinblick auf einen möglichen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Beschwerden und den Feldern des Mobilfunks oder sonstigen elektromagnetischen Feldern sind nicht Gegenstand dieses Vorhabens. Die elektrosensiblen Probanden wurden über Selbsthilfegruppen, über den "Mainzer Wachhund" sowie über die Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe am Bezirksklinikum Regensburg rekrutiert. Die Personen der Kontrollgruppe wurden über Anzeigen und Aushänge um Teilnahme gebeten. Letztere wurden nach Altersverteilung und Geschlecht an die elektrosensiblen Probanden angepasst. Signifikant mehr Kontrollpersonen als Elektrosensible sind erwerbstätig. Für die genaue Charakterisierung der Beschwerden, der Lebenszufriedenheit und der Begleiterkrankungen wurde ein umfangreiches Befragungsinstrument aus verschiedenen, größtenteils erprobten Fragebögen zusammengestellt. Außerdem wird eine Vielzahl an objektiven Laborparametern erhoben.

Folgende wesentliche Ergebnisse wurden bei den Befragungen erzielt (die Fragebogenerhebungen waren zum Zeitpunkt des Workshops abgeschlossen und ausgewertet. Mit den Laboruntersuchungen wurde zu diesem Zeitpunkt aber erst begonnen):

Über die Hälfte der untersuchten Elektrosensiblen hat an mehr als 5 Tagen pro Woche Beschwerden aufgrund elektromagnetischer Felder, Beschwerden an 1 bis 5 Tagen pro Woche haben weitere 35 %. Knapp 90 % fühlen sich in ihrer Lebensqualität durch elektromagnetische Felder eher stark bis sehr stark beeinträchtigt. Bei etwa 90 % bestehen die Beschwerden seit mehr als zwei Jahren, bei mehr als einem Drittel sogar schon seit mehr als 10 Jahren. Etwa 97 % der befragten Elektrosensiblen geben an, dass die Belastung vor allem am Schlafplatz auftritt. Alle anderen Aufenthaltsorte spielen eine deutlich geringere Rolle. Ein großer Teil hat Messungen durchgeführt bzw. durchführen lassen und hat Maßnahmen ergriffen, um den "Elektrosmog" zu reduzieren. Etwa drei Viertel der Betroffenen waren und sind wegen der Beschwerden in ärztlicher Behandlung, ein Drittel sogar kontinuierlich. Unter den genannten unspezifischen Beschwerden standen Schlafstörungen und Mattigkeit bei den Elektrosensiblen an der Spitze. Insgesamt hatten die Elektrosensiblen einen deutlich höheren Beschwerdelevel als die Kontrollpersonen, die Erkrankungshäufigkeit in vielen Bereichen war erhöht und die Ausprägung der Beschwerden war deutlich stärker.

36 % der befragten Elektrosensiblen aber nur 4 % der Personen der Kontrollgruppe klagten über Umweltbelastungen, wobei vor allem Schwermetalle und Formaldehyd genannt wurden. Außerdem gaben die Elektrosensiblen häufiger Beschwerden an, die durch verschiedene chemische Substanzen, wie z.B. Tabakrauch oder organische Lösungsmittel ausgelöst werden. Dagegen ergaben sich bei der Beurteilung der Lärmbelästigung und der Luftschadstoffbelastung keine signifikanten Unterschiede zwischen den Elektrosensiblen und den Kontrollen.

Die befragten Elektrosensiblen leiden häufiger unter Kopfschmerzen und beurteilen ihre Schlafqualität deutlich schlechter, insbesondere gaben sie eine längere Einschlafzeit und eine kürzere Schlafdauer an.

Bei den Elektrosensiblen zeigte sich eine gegenüber den Personen der Kontrollgruppe höhere Depressivität (negative emotionale Grundstimmung), was aber vom Forschungsnehmer vor allem auf Schlafstörungen, teilweise Arbeitsunfähigkeit und soziale Isolierung sowie auf die Besorgnis um die eigene Gesundheit zurückgeführt wird. Hinsichtlich der Symptome einer akuten und schwer wiegenden Depression zeigten sich dagegen keine Unterschiede zwischen den befragten Elektrosensiblen und den Kontrollpersonen.

Bzgl. der allgemeinen Lebenszufriedenheit unterschieden sich die Elektrosensiblen nicht signifikant von den Personen der Kontrollgruppe. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität war aber bei den Elektrosensiblen vermindert, wobei die Unterschiede bei den körperbezogenen Werten ausgeprägter waren als bei den psychischen Werten.

Diskussion

In der Diskussion wird die Vermutung geäußert, dass bei den Betroffenen möglicherweise bereits vorhandene Belastungsfaktoren aufgrund der empfundenen Belastung mit "Elektrosmog" verstärkt werden. Es wird die Frage aufgeworfen, wie bei den Betroffenen das Selbstbild "Ich bin elektrosensibel" entsteht und ob die Ausprägung der Krankheit sich im Lauf der Zeit verändert. Es wird darauf hingewiesen, dass die Betroffenen auf keinen Fall als psychisch krank behandelt werden wollen und dass in Schweden Elektrosensibilität insofern anerkannt wird als man sich am Arbeitsplatz bemüht, durch Veränderungen des Umfelds Verbesserungen für Arbeitnehmer mit entsprechenden Beschwerden zu erreichen. Da es aber auch in Schweden keine medizinische Diagnose für Elektrosensibilität gibt, ist sie kein anerkannter Grund für eine Frühverrentung.

2.3 Untersuchung der Schlafqualität bei elektrosensiblen Anwohnern von Basisstationen unter häuslichen Bedingungen

Herr Leitgeb erläutert das Ziel und das Design des Forschungsvorhabens, der so genannten EPROS-Studie, und stellt die bisherigen Ergebnisse vor. Er hebt besonders hervor, dass bei dieser Studie das Schlafverhalten der Probanden unter "Normalbedingungen" mit dem bei abgeschirmtem Feld verglichen wird. Bisherige Studien unterzogen in der Regel die Elektrosensiblen einem Provokationsexperiment, d.h. sie wurden – oftmals in fremder Umgebung – mit elektromagnetischen Feldern exponiert. Von den elektrosensiblen Personen wurde dabei oft beanstandet, dass sie in der ungewohnten Umgebung nicht wie gewohnt reagiert hätten und durch die elektromagnetischen Felder sehr stark belastet wurden. Im Gegensatz dazu erhalten die Probanden bei diesem Vorhaben eine allseitige Umhüllung um ihr eigenes Bett. Diese besteht in einem Teil der Nächte aus einem Gewebe, das hochfrequente elektromagnetische Felder abschirmt. Der abschirmende und der nicht abschirmende Vorhang sind äußerlich nicht zu unterscheiden. Jede Person wird 10 Nächte lang untersucht, wobei sich Abschirmung und Nicht-Abschirmung in zufälliger Weise abwechseln. Die Untersuchungen werden doppelblind durchgeführt, d.h. weder die Probanden selbst, noch die Personen, die die Untersuchungen durchführen, wissen, welche Art von Vorhang gerade angebracht ist. Die elektromagnetischen Felder im Schlafbereich werden über den Frequenzbereich von 80 MHz bis 3 GHz kontinuierlich gemessen. Die Probanden werden am Morgen über ihr subjektives Empfinden zur Schlafqualität befragt und außerdem werden die wichtigsten Schlafparameter aufgezeichnet.

Bei allen Probanden wurde nach der in der Arbeitsgruppe schon früher verwendeten Methode die Elektrosensitivität (d. h. Fähigkeit zur Wahrnehmung elektromagnetische Felder) bestimmt. Es wurden die Wahrnehmungsschwelle und deren Streuung für 50 Hz Wechselstrom, der über Elektroden am Unterarm appliziert wurde, ermittelt. Der Vergleich der Elektrosensitivität der EPROS- Probanden mit Elektrosensiblen, die in vorangegangenen Studien auf verschiedene Weise angesprochen wurden (z.B. Mitglieder von Elektrosensiblen- Selbsthilfegruppen und Personen, die sich auf Zeitungsaufrufe gemeldet haben) zeigte erstaunliche Unterschiede hinsichtlich der Sensitivität. Am empfindlichsten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung war die EPROS- Gruppe, obwohl, wie Herr Leitgeb betont, die Sensitivität kein Auswahlkriterium für die Teilnahme an der Studie war.

Für die Auswertung der Ergebnisse wurde ein Schema entwickelt, mit dessen Hilfe die Unterschiede in der Schlafqualität zwischen den verschiedenen Bedingungen beurteilt werden konnten. Dabei wurden vier verschiedene Ergebnisarten unterschieden: ein positiver Effekt, d.h. die Schlafqualität verbessert sich bei Abschirmung, ein negativer Effekt, d.h. die Schlafqualität verschlechtert sich bei Abschirmung, ein Placebo-Effekt, d.h. die Schlafqualität verbessert sich durch das Vorhandensein des Vorhangs selbst, unabhängig davon ob er abschirmt oder nicht, und eine Nebenwirkung, d.h. die Schlafqualität verschlechtert sich bei Vorhandensein des Vorhangs unabhängig von dessen Schirmwirkung. Außerdem enthält das Schema Bereiche, die als neutral eingestuft werden, da sie keinem der genannten Effekte eindeutig zugeordnet werden können. Die Ergebnisse der einzelnen Probanden wurden aufgrund ihrer durchschnittlichen Unterschiede in der Schlafqualität zwischen den verschiedenen Bedingungen in das Schema eingetragen. Dabei war bei dem größten Teil der bisher ausgewerteten Probanden kein eindeutiger Effekt feststellbar. Bei vier Personen war ein Placebo-Effekt zu verzeichnen und zwei Personen schliefen unter Abschirmung besser. Ein negativer Effekt und die Nebenwirkung traten bei keiner der untersuchten Personen auf. Da die Probanden wegen der erforderlichen Verblindung nicht wissen durften, welcher Vorhang gerade angebracht war, wurden Manipulationskontrollen durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass gelegentlich versucht wurde, herauszufinden, welche Art des Vorhangs aktuell installiert war. Zusammenfassend stellt Herr Leitgeb fest, dass die Art der Probandenrekrutierung offensichtlich Einfluss hat auf die Beurteilung der Frage, ob es Elektrosensibilität geben könnte, dass die Analyse der anderen Einflüsse auf das Schlafverhalten wichtig ist und dass das Verhalten der Probanden beobachtet werden muss.

Diskussion

In der Diskussion wird die Frage aufgeworfen, welche Rolle der Hautwiderstand bei der Bestimmung der Elektrosensitivität spielt. Herr Leitgeb stellt fest, dass der Hautwiderstand eine Rolle spielen könne, dass er aber nach einer kurzen zeitlichen Übergangsphase relativ stabil sei. Außerdem sei jedoch ein Untersuchungsgerät angewendet worden, mit dem der Einfluss des Hautwiderstandes ausgeschlossen werden konnte. Weiterhin wird gefragt, ob für die Schlafüberwachung eine Kamera verwendet wird. Herr Leitgeb antwortet, dass EEG (Elektroenzephalogramm, Aufzeichnung der Gehirnströme), EKG (Elektrokardiogramm, Aufzeichnung der elektrischen Aktivität des Herzens), EOG (Elektrookulogramm, Aufzeichnung der Augenbewegungen) und die Körperbewegung aufgezeichnet werden, aber keine Kamera eingesetzt wird.

Auf die Frage nach der statistischen Signifikanz der Ergebnisse stellt Herr Leitgeb fest, dass diese selbstverständlich mit einem entsprechenden Verfahren gestestet wird und dass das gezeigte Schema hauptsächlich der Veranschaulichung dient.

Die Frage nach der Verblindung beantwortet Herr Leitgeb dahingehend, dass die Untersuchungen doppelt blind durchgeführt werden, dass die Probanden aber grundsätzlich darüber aufgeklärt werden, welche Untersuchungen durchgeführt werden und was dabei zu erwarten ist.

2.4 Ergänzende Informationen über Elektrosensible

Frau Pölzl stellt die Aufgabenstellung und die wichtigsten Ergebnisse des von ihr betreuten und bereits abgeschlossenen Forschungsvorhabens vor. Ziel des Vorhabens war es, soziodemografische (wie z.B. Alter, Familienstand, verfügbares Haushaltseinkommen, Schul- und Ausbildung) und psychografische (Einstellungen und Werte, Vorlieben, Offenheit etc.) Daten über die Elektrosensiblen zu erheben, vor allem im Hinblick darauf, ob es sich um eine homogene oder eher heterogene Bevölkerungsgruppe handelt und welche Konsequenzen für die Ausrichtung von Informations- und Kommunikationsmaßnahmen sich daraus ergeben. Sie betont, dass die Frage, ob Elektrosensibilität im Sinne eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Beschwerden und elektromagnetischen Feldern tatsächlich existiert, nicht Gegenstand des Vorhabens war. Im Rahmen des Vorhabens wurden allgemein Personen befragt, die körperliche Beschwerden auf das Vorhandensein von elektromagnetischen Feldern (EMF) zurückführen, die Selbstbezeichnung als "elektrosensibel" war für die Teilnahme nicht Voraussetzung. Der Begriff "Elektrosensible" wurde aber im Vorhaben übergreifend für alle Personen verwendet, die gesundheitliche Beschwerden auf EMF zurückführen. Es mussten allerdings konkrete Beschwerden angegeben werden können, die nicht nur einmal auftraten.

Es wurde zunächst eine bevölkerungsrepräsentative, telefonische Haushaltsbefragung durchgeführt, um die Häufigkeit des Vorkommens in der Bevölkerung und die wichtigen Basisdaten zu ermitteln. Dabei wurden die Teilnehmer für die anschließende qualitative Erhebung identifiziert.

Das Screening ergab einen Anteil von 6 % an Personen in der bundesdeutschen Bevölkerung, die gesundheitliche Beschwerden auf elektromagnetische Felder zurückführen. Davon kannte etwa die Hälfte den Begriff "elektrosensibel" und wiederum ein Drittel davon hat sich selbst schon einmal als elektrosensibel bezeichnet. Bei den soziodemografischen Daten zeigten sich nur geringe Unterschiede zwischen den Elektrosensiblen und der allgemeinen Bevölkerung: Die Elektrosensiblen weisen im Mittel einen höheren Bildungsstand auf. Eine gewisse Häufung wird im Südwesten der Bundesrepublik (Bayern, Baden-Württemberg) beobachtet. Auffallend ist, dass knapp die Hälfte der Elektrosensiblen angab, in der Vergangenheit Beschwerden gehabt zu haben, jetzt aber nicht mehr. Die am häufigsten genannten Beschwerden waren Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen. Die Quellen für EMF, die als Auslöser der Beschwerden genannt wurden, waren sehr breit gestreut, wobei aber das Handy am häufigsten genannt wurde (gefolgt von Fernseher und Radiowecker). Das Handy wurde auch von allen Elektrosensiblen am häufigsten als stärkste Quelle der Beeinträchtigung genannt (gefolgt von Radiowecker und Hochspannungsleitungen), die Gruppe der Personen, die nur in der Vergangenheit Beschwerden hatte, nannte allerdings als stärkste Quelle den Radiowecker.

Etwa ein Drittel der Betroffenen hat wegen der EMF-bedingten Beschwerden bereits einen Arzt aufgesucht. Gesprächspartner für das Problem sind aber deutlich vor dem behandelnden Arzt vor allem Familienmitglieder, Partner und Freunde.

Für die qualitative Erhebung wurden mit 40 Betroffenen (davon ein Drittel mit Beschwerden in der Vergangenheit und zwei Drittel mit aktuell vorhandenen Beschwerden) Tiefeninterviews geführt. Ziel war es, spezifische psychografische Merkmale von Elektrosensiblen zu identifizieren. Es wurde erfragt, wie die Elektrosensibilität im Alltag erlebt wird, welche Bedeutung sie im täglichen Leben der Betroffenen hat und welche Formen des Umgangs damit gefunden wurden. Weiterhin wurde ermittelt, wie die Einstellung gegenüber modernen Kommunikationsmitteln ist, welche Informationsquellen genutzt werden und wie diese eingeschätzt werden.

Die Elektrosensiblen stellten sich dabei als sehr heterogen heraus. Es lassen sich mehrere Untergruppen identifizieren, die sich hinsichtlich der Bedeutung des Themas im ihrem täglichen Leben unterscheiden. In der schwächsten Ausprägung ist die Elektrosensibilität ein seltenes Erlebnis und in der stärksten hat sie eine zentrale Bedeutung für die derzeitige Lebenssituation. Eine generelle Technikfeindlichkeit, verbunden mit einem Verzicht auf die Nutzung moderner Kommunikationsmittel, war nicht festzustellen, wohl aber ein gewisses diffuses Unbehagen an der modernen, technologischen Kultur und ein Gefühl der Abhängigkeit bzw. der Überforderung durch die rasante Entwicklung.

Diskussion

In der anschließenden Diskussion wird festgestellt, dass die Risikowahrnehmung gegenüber den möglichen gesundheitlichen Risiken elektromagnetischer Felder bei den Betroffenen sehr unterschiedlich ausgeprägt war und dass sich auch die getroffenen Vorsorgemaßnahmen und Vermeidungsstrategien stark unterscheiden. Exakte Zahlen für die Häufigkeit der Elektrosensibilität in der Bevölkerung sind auch aus der repräsentativen Befragung nicht zu ermitteln, da die Aussagen der im Screening erfassten Personen in den Tiefeninterviews teilweise deutlich "aufgeweicht" wurden.

3. Zusammenfassende Diskussion der Ergebnisse der Forschungsprojekte

Die Frage nach einem tatsächlichen kausalen Zusammenhang zwischen den Beschwerden und den elektromagnetischen Feldern wird nach Meinung mehrerer Teilnehmer des Kolloquiums sehr erschwert durch die starke Beteiligung psychischer Faktoren an dem Krankheitsbild. Außerdem wurde in vielen Fällen eine spontane Remission (ein Verschwinden der Symptome ohne erkennbare Ursache) beobachtet. Nach Meinung der Teilnehmer gibt es aber möglicherweise tatsächlich einige Personen, bei denen eine niedrige Wahrnehmungsschwelle gegenüber elektromagnetischen Feldern mit daraus resultierenden Beschwerden verbunden ist.

Die Teilnehmer sind sich aber einig, dass unabhängig von den wirklichen Ursachen der Beschwerden diese ernst genommen werden müssen und dass eine ärztliche Verpflichtung besteht, den Betroffenen zu helfen. Die wirksamste Methode der Hilfe muss aber noch erforscht werden.

4. Zusammenfassende Diskussion und Bewertung des wissenschaftlichen Kenntnisstands zum Thema "Elektrosensibilität"

In der zusammenfassenden Diskussion werden viele Fragen aufgeworfen und diskutiert, wobei die Probleme "eindeutige Definition der Elektrosensibilität", "kausaler Zusammenhang zwischen Beschwerden und EMF" und "Möglichkeiten für therapeutische Maßnahmen" im Mittelpunkt stehen.

Der Begriff Elektrosensibilität wird zur Kennzeichnung des Krankheitsbildes verwendet, ohne dass eine eindeutige Definition dafür existiert. Er ist aber für die Betroffenen und für die Kommunikation mit ihnen relevant. Für wissenschaftliche Studien wird vorgeschlagen, mangels objektivierbarer Kriterien bei der Definition des Krankheitsbildes pragmatisch vorzugehen und ein gewisses Mindestbeschwerdelevel, eine deutliche Beeinträchtigung im Alltag und eine gewisse Zeitstabilität als Einschlusskriterien für Probanden zu verwenden.

Eine über einen längeren Zeitraum hinweg stabile Elektrosensitivität im Sinne einer erniedrigten Wahrnehmungsschwelle für EMF ist nach Meinung einiger Teilnehmer grundsätzlich eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für Elektrosensibilität. Es wird aber zu bedenken gegeben, dass die Wahrnehmungsschwellen für alltägliche Quellen schwer zu ermitteln sind.

Elektrosensibilität tritt in erster Linie bei Erwachsenen auf. Falls Kinder betroffen sind, ist schwer festzustellen, wie stark sich der Einfluss der Eltern oder anderer Erwachsener dabei auswirkt. Es wird bemängelt, dass es bisher keine Studien gibt, die den Verlauf der Erkrankung über einen längeren Zeitraum verfolgen. Lohnenswert wäre auch, die Ursachen für die deutlichen regionalen Unterschiede im Vorkommen der Elektrosensibilität zu ergründen.

Es werden sehr vielfältige Beschwerden im Zusammenhang mit EMF angegeben, eine überzufällige Häufung bestimmter Symptome konnte nicht ermittelt werden. Dies wird aber im Rahmen der Querschnittsstudie zu Basisstationen (epidemiologische Studie zu akuten gesundheitlichen Beschwerden in der Umgebung von Basisstationen) nochmals untersucht. Ein Teilnehmer merkt an, dass es nicht zulässig sei, einen ursächlichen Zusammenhang allein deshalb auszuschließen, weil es sich um unspezifische Symptome handelt.

Elektrosensible Personen sind oftmals gegen nieder- und hochfrequente Felder empfindlich. Die biophysikalische Wirkung der Felder in unterschiedlichen Frequenzbereichen ist aber sehr unterschiedlich. Es ist schwer vorstellbar, dass diese unterschiedlichen Wirkungsweisen ursächlich sein sollen für die gleichen Beschwerden. Nach Meinung der Teilnehmer müssen daher psychische Faktoren, wie z.B. bestimmte kognitive Verarbeitungsmuster oder die unterschiedlichen Reaktionsweisen in Belastungssituationen in die Erklärung der Elektrosensibilität mit einbezogen werden.

Das Krankheitsbild hat praktische Bedeutung, was sich auch daran zeigt, dass bei einer Umfrage unter österreichischen Allgemeinärzten 96 % der Ärzte, die den Fragebogen ausgefüllt hatten, einen Einfluss von Elektrosmog auf die Gesundheit nicht ausschließen und dass etwa 60 % bereits einen solchen Zusammenhang bei ihren Patienten hergestellt hatten.

In Anbetracht der Tatsache, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen EMF und den Beschwerden der Betroffenen bisher nicht nachgewiesen werden konnte und demnach die von den Betroffenen geforderte Hilfe z.B. in Form von "Ruhezonen" oder einer Grenzwertsenkung unrealistisch ist, wird vorgeschlagen, nach Wegen zu suchen, auf denen die Betroffenen lernen, besser mit ihren Beschwerden umzugehen. Dafür stehen nach Aussage einiger Teilnehmer mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, von denen die Verhaltenstherapie bereits erfolgreich angewandt wurde. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, symptomatisch zu therapieren, d.h. zu versuchen, die Beschwerden zu lindern. Auf die Frage, ob die Elektrosensiblen bereit wären, solche Therapien zu akzeptieren, antwortet ein Teilnehmer, dass dies zumindest teilweise der Fall ist, wenn man die Betroffenen ernst nimmt und ihnen erläutert, dass die Therapie eine Hilfe zur Bewältigung der gesundheitlichen Probleme bietet, unabhängig von der Ursache der Beschwerden. Wichtig sei es auch, den Patienten klar zu machen, dass psychotherapeutische Maßnahmen oftmals auch dann helfen, wenn keine primär psychischen Ursachen vorliegen. Ein Teilnehmer regt an, interdisziplinäre Teams für die Behandlung der Patienten einzusetzen und die Art der Behandlung auch vom bisherigen Verlauf abhängig zu machen.

Es wird vorgeschlagen, in einer Studie unterschiedliche Bewältigungsstrategien im Hinblick auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Außerdem sollte dringend der zeitliche Verlauf der Erkrankung untersucht werden, d.h. ob und wie sich die Ausprägung der Beschwerden verändert. Erfahrungen aus Untersuchungen zu anderen umweltbedingten Erkrankungen sollten bei weiteren Studien berücksichtigt werden. Einer der Teilnehmer stellt fest, dass nicht alle bisherigen Studien zur Elektrosensibilität belastbar seien, da wegen fehlender Selektionskriterien teilweise Probanden eingesetzt wurden, die für die jeweilige Fragestellung ungeeignet waren. Es bestehe daher noch weiterer Forschungsbedarf.

Zum Abschluss des Kolloquiums bedankt sich Herr Matthes bei den Vortragenden für ihre Beiträge und bei den Teilnehmern für die lebhafte und offene Diskussion.