Im folgenden werden wichtige Studien zu diesem Thema vorgestellt und
nach den Maßstäben des BfS bewertet:
Studie von Fritze et al. (1997)
Bewertung des BfS
Studie von Tsurita et al.(2000)
Bewertung des BfS
Studie von Finnie et al. (2002)
Bewertung des BfS
Studie von Salford et al., 2003
Bewertung des BfS
Studie von Fritze et al.
(1997)
Eine umfassende Studie zur
Blut-Hirn-Schranke mit dem Titel "Effect of global system for
mobile communication (GSM) microwave exposure on blood-brain barrier
permeability in rat" (Auswirkungen hochfrequenter
elektromagnetischer Felder des GSM-Standards auf die Durchlässigleit
der Blut-Hirn-Schranke von Ratten) wurde 1997 von der Arbeitsgruppe
Fritze et al. durchgeführt.
Männliche Ratten (Gewicht 250-300
g) wurden für die Dauer von 4 Stunden gezielt im Kopfbereich
hochfrequenten elektromagnetischen Feldern entsprechend dem deutschen
Mobilfunkstandard GSM 900 ausgesetzt. Die spezifischen
Absorptionsraten (SAR) im Kopf der Tiere betrugen 0.3, 1.5 und 7.5
W/kg und deckten somit die Bereiche unterhalb und oberhalb des
Teilkörpergrenzwertes von 2 W/kg ab. Während die Exposition
mit den beiden niedrigeren SAR-Werten unter der typischen,
niederfrequent mit 217 Hz "gepulsten"
Mobilfunk-Sendecharakteristik erfolgte, wurde für die Exposition
mit 7,5 W/kg das ungepulste Signal eingesetzt.
Es wurde ein Expositionssystem
verwendet, in dem pro Anlage 10 Tiere gleichzeitig exponiert werden
können. Die Tiere befinden sich in Röhren, die wie Speichen
eines Rades zum Mittelpunkt hin ausgerichtet sind, wo sich die Quelle
der hochfrequenten elektromagnetischen Felder befindet. Durch
Bewegungen der Tiere verursachte Schwankungen der des Energieeintrags
(SAR; spezifischen Absorptionsrate) in die Köpfe der
Versuchstiere können so minimiert werden.
Zur Bestimmung der Durchlässigkeit
der Blut-Hirn-Schranke wurde der Übertritt des Eiweißes
Albumin aus dem Blut ins Gehirn mit einem für Albumin
spezifischen Antikörper nachgewiesen. Die Auswertung der
Albuminübertritte ("Albuminspots") erfolgt
mikroskopisch. Diese Methode stellt ein übliches
Untersuchungsverfahren für den Grad der Durchlässigkeit der
Blut-Hirn-Schranke dar. Zusätzlich wurden die Präparate auf
das Vorhandensein geschädigter Nervenzellen untersucht. Hierfür
werden die Nervenzellen mit speziellen Farbstoffen angefärbt.
Veränderungen z.B. der Form lassen sich danach mikroskopisch
erkennen.
Bei der Hälfte der Tiere wurden
diese Untersuchungen sofort nach der Feldexposition durchgeführt,
bei der anderen Hälfte 7 Tage danach.
Hierdurch sollten einerseits Effekte
aufgedeckt werden, die erst zeitverzögert auftreten,
andererseits kann auch festgestellt werden, ob auftretende Effekte
anhaltender oder vorübergehender Natur sind.
Zusammenfassung der Ergebnisse
a) Untersuchung sofort nach Feldexposition:
Im Vergleich zu den Käfigkontrollen
und auch zu den scheinexponierten Tieren trat in einigen der mit 0.3
und 1.5 W/kg exponierten Tiere eine leichte Zunahme an
Albuminübertritten ("Albuminspots") auf. In den 10 Tieren
einer Gruppe wurden insgesamt 7 bzw. 6 Albuminspots nachgewiesen,
d.h. 0,7 (bei SAR 0.3 W/kg) bzw. 0,6 Spots/Tier (bei SAR 1.5 W/kg).
Dieser Effekt war statistisch nicht signifikant. Ein statistisch
signifikanter Anstieg der Albuminspots wurde erst bei der über
dem Grenzwert liegenden spezifischen Absorptionsrate von 7,5 W/kg
beobachtet, ebenfalls nur in einem Teil der exponierten Tiere.
b) Untersuchung nach 7 Tagen
Die Zahl der Albuminspots entsprach in
allen Gruppen derjenigen der nicht-exponierten Kontrollen, d.h. auch
bei den hoch exponierten Tieren waren keine Albuminübertritte
nachweisbar.
c) Geschädigte Nervenzellen wurden in keiner
der Gruppen gefunden.
Fazit der Autoren
Die Autoren kommen zu der
Schlussfolgerung, dass hochfrequente Strahlung bei den Frequenzen und
Intensitäten, wie sie bei der Nutzung von Mobiltelefonen
auftreten, keine bzw. nur vernachlässigbare Auswirkungen auf die
Blut-Hirn-Schranke hat.
Das BfS beurteilt die Studie folgendermaßen:
Die Studie ist methodisch, vor allem
hinsichtlich der Exposition der Tiere, sehr sorgfältig
durchgeführt, die Versuche sind ausführlich und
nachvollziehbar beschrieben. In dieser Studie wurde erstmalig der
Aspekt eines möglichen zeitverzögerten Auftretens von
Schäden bzw. die Reversibilität eines sofort auftretenden
Effekts untersucht. Das Fazit der Autoren hinsichtlich der Ergebnisse
dieser Studie ist nachvollziehbar. Sofern überhaupt
Albuminübertritte detektiert wurden, waren diese minimal.
Hinweise auf gesundheitlich relevante Effekte unterhalb der
Grenzwerte ergeben sich aus dieser Studie nicht.
Literatur
Fritze K., Sommer
C., Schmitz B., Mies, G., Hossmann, K.-A., Kiessling, M., Wiessner,
C. (1997), Effect of global system for mobile communication (GSM)
microwave exposure on blood-brain barrier permeability in rat, Acta
Neuropathol 94: 465-470
Studie von Tsurita et al.
(2000)
Die Arbeitsgruppe Tsurita et al.
führte 2000 Untersuchungen zur Blut-Hirn-Schranke an männlichen
Ratten mit dem Titel "Biological and morphological effects on the
brain after exposure of rats to a 1439 MHz TDMA field" (Biologische
und morphologische Effekte auf das Gehirn nach Exposition von Ratten
mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern des TDMA-Standards bei
einer Frequenz von 1439 MHz) durch.
Die Ratten wurden wiederholt (2 Stunden
pro Tag an 5 Tagen pro Woche für die Dauer von 2 bzw. 4 Wochen)
gezielt im Kopfbereich Feldern des japanischen Mobilfunks (TDMA, 1,44
GHz) ausgesetzt. Es wurde ein Expositionssystem verwendet, in dem pro
Anlage 6 Tiere gleichzeitig exponiert werden können. Die Tiere
befanden sich in Röhren, die wie Speichen eines Rades zum
Mittelpunkt hin ausgerichtet sind, wo sich die Quelle der
hochfrequenten elektromagnetischen Felder befindet. Durch Bewegungen
der Tiere verursachte Schwankungen des Energieeintrags (spezifischen
Absorptionsraten; SAR) konnten so minimiert werden. Der SAR-Wert im
Kopf, d.h. die im Gewebe absorbierte Energie in W/kg Körpergewicht,
betrug 2 W/kg.
Zur Bestimmung der Durchlässigkeit
der Blut-Hirn-Schranke wurden zwei unter-schiedliche Nachweismethoden
gewählt. Einem Teil der Tiere wurde ein Farbstoff (Evans Blau)
injiziert und untersucht, in welchem Umfang der Farbstoff die
Blut-Hirn-Schranke passieren kann. Bei einem anderen Teil der
untersuchten Tiere wurde der Übertritt eines bestimmten Eiweißes
(Albumin) aus dem Blut ins Gehirn mit einem für Albumin
spezifischen Antikörper mikroskopisch nachgewiesen. Beide
Methoden stellen anerkannte Nachweisverfahren für den Grad der
Durchlässigkeit der BHS dar.
Zusätzlich wurden die Tiere auf
Veränderungen im Kleinhirn untersucht. Auch die
durchschnittliche Körpermasse der Tiere wurde bestimmt, da diese
z.B. durch Stress beeinflusst werden kann.
Die Ergebnisse können folgendermaßen
zusammengefasst werden:
Es konnte kein Einfluss der
Feldexposition auf die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke,
kein Übertritt von Evans-Blau oder Albumin und kein Einfluss auf
die untersuchten Parameter im Kleinhirn oder die Körpermasse
nachgewiesen werden.
Das Fazit der Autoren lautet:
Die in der Studie verwendeten Felder
entsprechend dem japanischen Mobilfunkstandard bewirken bei den
Intensitäten, wie sie bei Mobilfunknutzung auftreten, keine
nachweisbaren Veränderungen. Weder wurde die Durchlässigkeit
der Blut-Hirn-Schranke beeinflusst, noch zeigten sich Veränderungen
im Kleinhirn oder bei der Körpermasse der Tiere.
Das BfS beurteilt die Studie folgendermaßen:
Die Studie ist hinsichtlich der
Exposition der Tiere sorgfältig durchgeführt, die
experimentelle Durchführung ist nachvollziehbar beschrieben. Ein
Vorteil der Studie liegt in der mehrfachen Exposition der Tiere
täglich über zwei längere Zeiträume (2 bzw. 4
Wochen) hinweg. Unter diesen Expositionsbedingungen wurden keine
Hinweise auf eine Schädigung der Blut-Hirn-Schranke gefunden. Da
jedoch nur zwei Tiere pro Gruppe auf Evans-Blau und nur vier Tiere
pro Gruppe auf Albuminübertritte untersucht wurden, ist die
Aussagekraft der Studie begrenzt. Für eine belastbare Aussage
ist die untersuchte Tierzahl zu gering.
Literatur
Tsurita G., Nagawa
H, Ueno S., Watanabe S., Taki, M., (2000) Biological and
morphological effects on the brain after exposure of rats to a 1439
MHz TDMA field, Bioelectromagnetics 21: 364-371
Studie von Finnie
et al. (2002)
Die australische Arbeitsgruppe um
Finnie untersuchte in dieser Langzeitstudie mit dem Titel "Effect
of long-term mobile communication microwave exposure on vascular
permeability in mouse brain" (Effekte einer Langzeit-Exposition mit
Mobilfunkfeldern auf die Durchlässigkeit der Blutgefäße
im Maus-Gehirn) den Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer
Felder des Mobilfunks nach GSM 900 Standard auf die
Blut-Hirn-Schranke in weiblichen Mäusen. Die Tiere wurden 1
Stunde pro Tag, 5 Tage pro Woche über einen Zeitraum von 104
Wochen, d.h. annähernd 2 Jahre, beginnend im Alter von 8 Wochen
unter Fernfeldbedingungen exponiert. Es wurde ein Expositionssystem
verwendet, in dem mehrere Tiere gleichzeitig exponiert werden können.
Die Tiere befinden sich hierbei in Röhren, die wie Speichen
eines Rades zum Mittelpunkt hin ausgerichtet sind, wo sich die Quelle
der hochfrequenten elektromagnetischen Felder befindet. Durch
Bewegungen der Tiere verursachte Schwankungen des Energieeintrags in
den Kopf der Tiere (spezifischen Absorptionsrate; SAR) können so
minimiert werden.
Die durchschnittlichen SAR-Werte, d.h.
die im Gewebe absorbierten Energien in W/kg Körpergewicht,
betrugen 0.25, 1, 2 und 4 W/kg. Zur Bestimmung der Durchlässigkeit
der Blut-Hirn-Schranke wurde der Übertritt des Eiweißes
Albumin aus dem Blut ins Gehirn mit einem für Albumin
spezifischen Antikörper nachgewiesen. Diese Methode stellt ein
übliches Nachweisverfahren für den Grad der Durchlässigkeit
der Blut-Hirn-Schranke dar.
Es wurden Käfigkontrollen,
schein-exponierte Kontrollen sowie Positivkontrollen mit den
tatsächlich exponierten Tieren verglichen. Die Gehirne der Tiere
wurden in 3 unterschiedlichen Schnittebenen untersucht, um
Albuminübertritte in den unterschiedlichen Hirnarealen
nachweisen zu können. Die Tierzahl in den einzelnen Gruppen
betrug 21 (Käfigkontrolle), 38 (Scheinexposition), 37 (0.25
W/kg), 39 (1 W/kg), 23 (2 W/kg) und 39 (4 W/kg), d.h. es wurden
zwischen 63 und 117 Präparaten pro Gruppe ausgewertet, was eine
belastbare Aussage ermöglicht.
Die Ergebnisse können folgendermaßen
zusammengefasst werden:
In allen Tieren fanden sich nur
minimale Albuminübertritte, es waren höchstens 3 einzelne
Kapillaren (kleine Blutgefäße) pro Gehirn betroffen. wobei
keine signifikanten Unterschiede zwischen den nicht exponierten
Kontrollen und den exponierten Gruppen beobachtet wurden. Es trat
kein dosisabhängiger Effekt (d.h. keine Zunahme an
Albuminübertritten mit steigender spezifischer Absorptionsrate
auf.
Das Fazit der Autoren lautet:
Unter den Bedingungen der
durchgeführten Langzeit-Exposition waren die nachweisbaren
Einflüsse der untersuchten mobilfunktypischen Felder bis zu 4
W/kg auf die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke
vernachlässigbar.
Das BfS beurteilt die Studie folgendermaßen:
Es erfolgte eine quantitative
Auswertung der Präparate, d.h. die Albuminspots wurden
ausgezählt. Die Auswertung wurde von zwei Pathologen unabhängig
voneinander geblindet durchgeführt, d.h. den auswertenden
Personen war nicht bekannt, ob das Präparat von einer Kontrolle
oder einem exponierten Tier stammt. Hierdurch wurde eine
vorurteilsfreie Beurteilung der Präparate sichergestellt. Die
Studie ist besonders relevant für die Beurteilung von
Langzeiteffekten bei chronischer Exposition mit hochfrequenten
elektromagnetischen Feldern. Sie ist methodisch, vor allem
hinsichtlich der Exposition der Tiere, sorgfältig durchgeführt,
die experimentellen Bedingungen werden ausführlich beschrieben.
Die Bewertung der Autoren hinsichtlich der Ergebnisse der Studie ist
nachvollziehbar. Hinweise auf gesundheitlich relevante Effekte auf
die Blut-Hirn-Schranke unterhalb der Grenzwerte ergeben sich aus der
Studie nicht.
Literatur
Finnie J.W.,
Blumberg, P.C., Manavis J., Utteridge, D., Gebski, V., Davies, R.A.,
Vernon-Roberts, B., Kuchel, T.R. (2002) Effect of long-term mobile
communication microwave exposure on vascular permeability in mouse
brain, Pathology 34, 344-347
Studie von Salford
et al. (2003)
Von den Arbeitsgruppen Salford und
Persson wurden in den 90er Jahren mehrere Studien veröffentlicht,
in denen eine erhöhte Durchlässigkeit der
Blut-Hirn-Schranke für das Eiweiß Albumin bei zum Teil
sehr geringen spezifischen Absorptionsraten beschrieben wird (Salford
et al. 1993, 1994, Persson et al., 1997). Beobachtet
wurden die Effekte sowohl bei "gepulsten" als auch bei
"ungepulsten" Feldern. Die aktuelle Studie der Arbeitsgruppe
erregte besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und wird
daher hier ausführlicher besprochen:
In der Studie von 2003 mit dem Titel
"Nerve cell damage in mammalian brain after exposure to microwaves
from GSM mobile phones" (Schädigung von Nervenzellen in
Säugetiergehirnen nach Exposition mit hochfrequenten Feldern von
GSM Handy). Untersucht wurde der Einfluss hochfrequenter
elektromagnetischer Felder des Mobilfunks nach GSM 900-Standard auf
die Blut-Hirn-Schranke in Ratten. Die Tiere wurden einmalig für
zwei Stunden exponiert, die berechneten durchschnittlichen SAR-Werte
(d.h. die im Gewebe absorbierte Energie in W/kg Körpergewicht)
betrugen 0.002, 0.02 und 0.2 W/kg. Die beiden niedrigeren Werte
liegen unterhalb des empfohlenen Wertes für die
Ganzkörperexposition von 0,08 W/kg. 50 Tage nach der Exposition
wurden die Tiere auf Albuminübertritte und neuronale Schäden
untersucht. Der Übertritt des Eiweißes Albumin aus dem
Blut ins Gehirn wurde mit einem für Albumin spezifischen
Antikörper nachgewiesen. Diese Methode stellt ein übliches
Untersuchungsverfahren für den Grad der Durchlässigkeit der
Blut-Hirn-Schranke dar. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet die
Untersuchung der Tiere auf das Vorhandensein geschädigter
Nervenzellen (sog. "dunkle Neurone"). Hierfür wurden
Nervenzellen in den Schnittpräparaten mit dem Farbstoff
Cresyl-Violett angefärbt. Veränderungen z.B. der Zellform
lassen sich danach mikroskopisch erkennen.
Die Ergebnisse können folgendermaßen
zusammengefasst werden:
50 Tage nach der einmaligen,
2-stündigen Exposition zeigten die gegenüber den
elektromagnetischen Feldern exponierten Tiere Albuminübertritte
sowie zahlreiche abnormale Nervenzellen ("dunkle Neurone") in
allen untersuchten Hirnarealen. Das Auftreten dieser "dunklen
Neurone" war bereits bei der niedrigsten spezifischen
Absorptionsrate von 0,002 W/kg nachweisbar. Bei 0.02 W/kg wurde das
Maximum der Anzahl der Schäden (ca. 2 % "dunkle Neurone")
erreicht, der 10-fach höhere SAR-Wert von 0,2 W/kg führt zu
keiner weiteren Verschlechterung der Schadensbilder. In
scheinexponierten Tieren wurden entweder keine oder nur vereinzelte
Albuminspots gefunden und nur in einem Tier trat eine geringe Anzahl
dunkler Neurone auf.
Das Fazit der Autoren lautet:
Die Autoren bewerten die Ergebnisse der
Studie als hochsignifikanten Hinweis auf neuronale Schäden nach
Exposition mit elektromagnetischen Feldern des Mobilfunks. Aufgrund
des Alters der untersuchten Ratten sehen sie vor allem Parallelen zu
jugendlichen Handy-Nutzern.
Das BfS beurteilt diese Studie folgendermaßen:
Zur experimentellen Durchführung
ist folgendes anzumerken:
- Auf Käfigkontrollen und
Positivkontrollen wurde verzichtet, die für die Beurteilung des
Feldeffektes entscheidende Kontrolle mit scheinexponierten Tieren
wurde jedoch durchgeführt.
- Die mikroskopische Auswertung
erfolgte geblindet, d.h. der auswertenden Person war nicht bekannt,
ob das Präparat von einer Kontrolle oder einem exponierten Tier
stammt. Hierdurch wurde eine vorurteilsfreie Auswertung der
Präparate gewährleistet.
- Es fehlt die Angabe, wie viele
Schnitte pro Tier ausgewertet wurden. Da nur wenige Tiere (8 pro
Gruppe) untersucht wurden, wäre diese Information für die
Beurteilung der statistischen Belastbarkeit hilfreich gewesen, auch
im Vergleich zu den hier angesprochenen Arbeiten von Finnie et
al, Fritze et al. sowie Tsurita et al., in denen
die Zahl der pro Tier gefertigten Schnitte angegeben wurde.
- Die Auswertung der "dunklen
Neuronen" erfolgte halb-quantitativ, d.h. die Präparate
wurden in 3 Schadensgruppen (0 = keine oder nur vereinzelte dunkle
Neurone; 1 = moderates Auftreten von dunklen Neuronen oder 2 =
zahlreiches Auftreten von dunklen Neuronen) eingeteilt, was im
Vergleich zu einer quantitativen Auswertung (Auszählen)
subjektiver ist. Eine quantitative Auswertung hätte die
Aussagekraft der Studie erhöht.
- Eine quantitative Auswertung der
Albuminspots erfolgte nicht oder wurde zumindest nicht präsentiert.
Es werden lediglich zwei Abbildungen veröffentlicht, bei denen
jedoch die Beschriftung nicht ausreicht, v.a. fehlen Angaben zu den
SAR-Werten. Eine ursprünglich in der Arbeit verwendete
Abbildung bezüglich der Albuminübertritte wurde nach
internationaler Kritik von den Autoren ausgetauscht, da sie geeignet
war, Missverständnisse beim Betrachter hervorzurufen. Die
ursprünglich veröffentlichte Abbildung stammte aus einer
10 Jahre alten Arbeit desselben Autors (Salford et al., 1994,
Microscopy Research and Technique 27: 535-542) und zeigte ein
Präparat unmittelbar nach Exposition mit 3.3 W/kg (d.h. 40 x
über dem Grenzwert). Es war mithin ungeeignet, die Ergebnisse
der aktuellen Arbeit zu dokumentieren.
- In den übrigen hier
vorgestellten Arbeiten (Finnie et al., Fritze et al.
und Tsurita et al.) wurden Expositionssysteme verwendet, in
denen mehrere Tiere gleichzeitig exponiert werden können. Die
Tiere befinden sich in Röhren, die wie Speichen eines Rades zum
Mittelpunkt hin ausgerichtet sind, wo sich die Quelle der
elektromagnetischen Felder befindet. Durch Bewegungen der Tiere
verursachte Schwankungen der spezifischen Absorptionsraten werden
auf diese Weise minimiert. Von der Arbeitsgruppe Salford werden
hingegen sogenannte TEM-Zellen benutzt. Eine TEM-Zelle ist ein
geschlossener Wellenleiter, in dem sich
Transversale-Elektro-Magnetische Wellen
ausbreiten. Die Tiere befinden sich in einer 12 x 12 x 7 cm großen
Plastikschale innerhalb der TEM-Zelle (15 x 15 x 15 cm) und können
sich - in vermutlich unterschiedlichem Maße, abhängig von
Größe und Gewicht - in dieser Schale umdrehen und
bewegen. Hierdurch wird die Schwankungsbreite der SAR-Werte im
Vergleich zu den oben beschriebenen "Karussell-Setups" größer.
Sollten pro TEM-Zelle zwei Tiere gleichzeitig exponiert worden sein,
wäre zudem der Abstand zwischen Kopf und Strahlenquelle und
damit der Energieeintrag in den Kopf der Tiere unterschiedlich, je
nach dem, ob sich das Tier im Einschub oberhalb oder unterhalb der
Strahlenquelle befindet. In der Arbeit fehlen Angaben darüber,
wie viele Tiere gleichzeitig exponiert wurden, bzw. in welchem
Zeitraum die Exposition der insgesamt 32 Tiere stattfand.
- Es wurden männliche und
weibliche Ratten unterschiedlichen Alters (zwischen 12 und 26
Wochen) und unterschiedlichen Gewichts (zwischen ca. 191 und 373 g)
untersucht. Da Größe und Volumen der Tiere die
Feldverteilung in den TEM-Zellen und die von den Tieren tatsächlich
absorbierte Energie beeinflussen, wäre eine größere
Einheitlichkeit schon aus Gründen der Reproduzierbarkeit der
Arbeit wünschenswert gewesen.
- Bei den genannten SAR-Werten
handelt es sich um indirekte Berechnungen, nicht um Messungen. Die
Autoren beziehen sich auf alte Arbeiten (Martens et al., 1993
bzw. auf nicht veröffentlichte Referenzen (Malmgren, 1998 Es
kann nicht nachvollzogen werden, inwieweit die alten Berechnungen
für die aktuell durchgeführten Experimente gültig
sind bzw. inwieweit seit 1993 entwickelte Verbesserungen der
numerischen und experimentellen Methoden berücksichtigt wurden.
Insgesamt stellt die entweder nicht ausreichend durchgeführte
oder zumindest nicht ausreichend dokumentierte Ermittlung der
tatsächlichen Exposition der Tiere einen Schwachpunkt der
Arbeit dar.
Die Ergebnisse, zu denen die Autoren
gelangen, werden folgendermaßen beurteilt:
Der Ausdruck "dark neurons"
("dunkle Neuronen") bezeichnet ursprünglich eine
Anfärbbarkeit geschädigter Nervenzellen mit silberhaltigen
Verbindungen. Was diese stärkere Anfärbbarkeit verursacht,
ist unbekannt. Ihr Auftreten wird als Hinweis auf Nervenzellschäden
angesehen, kann jedoch sehr unterschiedliche Ursachen haben, darunter
einige experimentell bedingte wie unvollständige Fixierung der
Präparate, mechanische Einwirkungen, nach dem Tod auftretende
Erschütterungen u.a. Unter der Voraussetzung, dass die
experimentelle Durchführung und Aufarbeitung der Präparate
bei scheinexponierten Kontrollen und exponierten Tieren genau gleich
war, dürften diese möglichen Fehlerquellen aber keine Rolle
spielen. Insofern ergeben sich aus der Beschreibung der Methoden
keine erkennbaren Hinweise darauf, dass die Nervenzellen durch die
Handhabung während der Präparation geschädigt wurden
(präparationsbedingte Artefakte).
Vohra et al. (2002) beschreiben
allerdings das Auftreten dunkler Neurone als "bisher nicht näher
aufgeklärtes Altersphänomen" und weisen darauf hin, dass
sich die Zahl dunkler Neurone schon bei 6 Monate alten Ratten im
Vergleich zu 3 Monate alten Tieren annähernd verdoppelt. Da die
von Salford untersuchten Tiere diese Altersspanne umfassen und keine
Angaben über die Altersverteilung zwischen Kontrollen und
exponierten Tieren zum Zeitpunkt der Untersuchung vorliegen, können
Alterungsprozesse als Ursache zumindest nicht ausgeschlossen werden.
Salford et al. vertreten die
Ansicht, dass die als "dunkle Neuronen" sichtbaren
Nervenzellschäden durch Albuminaufnahme verursacht wird,
erwähnen jedoch nicht, ob ein räumlicher Zusammenhang
zwischen den Albuminspots und den "dunklen Neuronen"
festgestellt wurde. Auch wäre eine Einschätzung darüber
wünschenswert gewesen, wie stark die Albuminaufnahme gegenüber
den normalen physiologischen Bedingungen erhöht sein müsste,
um derart massive neuronale Schäden zu verursachen.
Bei den nach 50 Tagen, d.h. nach mehr
als 7 Wochen gefundenen Albuminspots kann es sich nicht um
unmittelbar als Folge der EMF-Exposition übergetretenes Albumin
handeln. Alle Proteine werden innerhalb der Zellen nach kurzer Zeit
wieder abgebaut, so dass ursprünglich übergetretenes
Albumin nach 50 Tagen keinesfalls mehr nachweisbar ist. Salford et
al. schlagen daher nicht näher erläuterte "sekundäre
Prozesse" als Spätfolgen der ursprünglich gesetzten
Schädigungen vor. In der hier beschriebenen Arbeit von Fritze et
al. sind jedoch 7 Tage nach Exposition mit 7,5 W/kg keine
Albuminspots mehr auffindbar und es zeigen sich auch keine Anzeichen
auf neuronale Schäden. Leider diskutieren Salford et al.
diese widersprüchlichen Ergebnisse nicht.
Im Diskussionsteil der Studie fehlt
generell die Auseinandersetzung mit Ergebnissen anderer
Forschungsgruppen. Diese Diskussion wäre vor allem deshalb
nötig, weil die Studie zwar ältere eigene Arbeiten
bestätigt, aber im Widerspruch zu Ergebnissen anderer
Forschungsgruppen steht.
Zusammenfassend kann man sagen, dass in
der Studie Effekte beschrieben werden, die unter der Voraussetzung,
dass sie reproduziert werden könnten, gesundheitlich relevant
wären. Die Studie wird jedoch durch eine Reihe von
Ungenauigkeiten und Unklarheiten bei der experimentellen
Durchführung, der Auswertung und der Beurteilung der Ergebnisse
geschwächt. Die in der Arbeit dokumentierte Nervenzellschädigung
50 Tage nach einer einmaligen, 2-stündigen, wesentlich unterhalb
der Grenzwerte liegenden Mobilfunkexposition ist mit dem Gesamtbild
der veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten nicht
vereinbar. Da es sich aber um schwerwiegende Effekte handelt, wird
die Studie trotz der Mängel als Hinweis auf gesundheitlich
relevante Effekte unterhalb der Grenzwerte behandelt. Hieraus ergibt
sich die Notwendigkeit, die von Salford et al. präsentierten
Ergebnisse in Wiederholungsstudien durch eine andere Forschungsgruppe
unter Vermeidung der erwähnten Mängel v.a. bezüglich
der Expositionsbedingungen zu überprüfen.
Im Rahmen des Deutschen Mobilfunk
Forschungsprogramms werden aus diesem Grund zwei Studien (in
vitro, d.h. an einem Zellkulturmodell, und in vivo, d.h.
im Tierversuch) zur Untersuchung des Einflusses hochfrequenter
elektromagnetischer Felder auf die Blut-Hirn-Schranke durchgeführt.
Parallel dazu sind auch in anderen Ländern Wiederholungsstudien
geplant bzw. zum Teil bereits begonnen worden.
Literatur
Salford, L.G., Brun,
A.E., Eberhardt, J.L., Malmgren, L., Persson, B. (2003); "Nerve
cell damage in mammalian brain after exposure to microwaves from GSM
mobile phones", Environmental Health Perspectives, 111, no.
7, 881-883
Martens, L, Van Hese J, De Sutter D, De
Wagter C, Malmgren L, Persson BRR (1993); "Electromagnetic field
calculations used for exposure experiments on small animals in
TEM-cells", Bioelectrochem Bioenerg 30: 73-81
Malmgren L. (1998); "Radio Frequency
Systems for NMR Imaging: Coil Development and Studies of Non-Thermal
Biological Effects"; (PhD thesis); Lund, Sweden: Department of
Applied Electronics, Lund University
Vohra BPS., James TJ, Sharma, SP,
Kansal, VK, Chudhary, A., Gupta, SK (2002); "Dark neurons in the
ageing cerebellum: their mode of formation and effect of Maharishi
Amrit Kalash"; Biogerontology 3: 347-354
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