Ziel dieser Studie, die in
Zusammenarbeit mit Jérôme Racine und Klaus Winkler
durchgeführt wurde, war zu klären, ob eine standardisierte
Anwendung alternativer Verfahren zur Konfliktbeilegung (ADR:
Alternative Dispute Resolution), und hier insbesondere die Mediation,
im Bereich der Standortfindung von Mobilfunksendeanlagen zu einem
Abbau der vorhandenen Konfliktpotenziale führen kann.
Die Studie kann im Internet unter
http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/root,did=51578.html
eingesehen werden.
Vorgehen
Die Schwerpunkte der Studie bestanden
in der Darstellung zentraler ADR-Verfahren und der Untersuchung ihrer
bisherigen Anwendung in der Praxis, sowie in der Überprüfung
der Anwendbarkeit des Mediationsverfahrens anhand eines konkreten
Modellkonfliktfalles.
Das Ziel von ADR-Verfahren ist
es, durch professionelle Moderation eines Diskussions- und
Aushandlungsprozesses einen nachhaltigen Ausgleich zwischen den
Konfliktparteien durch Befriedigung aller Interessen zu erhalten.
Unter den zahlreichen ADR-Verfahren wurden die Verfahren Mediation,
Planungszellen/Bürgergutachten, Konsensus-Konferenzen,
Ombudsstellen, Arbitration bzw. Schiedsverfahren und der moderierte
Runde Tisch näher betrachtet. Ihre bisherigen Einsatzfelder und
Erfahrungen im internationalen Kontext wurden aufgezeigt und ihre
Chancen der Konfliktentschärfung bzw. -beilegung insbesondere
hinsichtlich der Mobilfunk-Thematik beurteilt. Die Autoren stellten
fest, dass die betrachteten Verfahren mit Ausnahme des Runden Tisches
sowohl in Deutschland, als auch in den anderen Ländern im
Bereich Mobilfunk bislang kaum Anwendung gefunden haben. Die
Recherche bzgl. des Einsatzes und der Erfahrungen mit der
Umweltmediation in den Ländern USA, Österreich und Schweiz
identifizierte nur einen konkreten Fall in Österreich, in dem
die Mediation im Bereich Mobilfunk angewandt wurde.
Ziel des Mediationsverfahrens ist
es, unter gleichberechtigter Berücksichtigung aller beteiligten
Interessen eine für alle Parteien optimale Lösung zu
suchen. Die Anwendbarkeit dieses Verfahrens im Mobilfunkbereich wurde
anhand eines Modellkonfliktfalls um eine Sendeanlage in München
beurteilt, deren Standort sich in unmittelbarer Nachbarschaft einer
Grundschule und eines Kindergartens befand. Das Mediationsverfahren
mit vier der betroffenen Konfliktparteien (Vertreter der
Mobilfunknetzbetreiber, Vertreter der Stadt München,
Elternvertreter der Grundschule sowie Elternvertreter des
Kindergartens) wurde durch zwei geschulte Mediatoren geleitet.
Mitarbeiter von wik-Consult waren zur Beobachtung anwesend. Das
Mediationsverfahren zeichnete sich zunächst durch eine
konstruktive und kompromissbereite Haltung aller Konfliktbeteiligten
aus, eine für Alle verträgliche Lösung zu finden. Die
Umsetzung der in der Mediation erfolgreich ausgehandelten Lösung
erwies sich jedoch als problematisch. Die letztendliche Einigung auf
eine "zweitbeste" Lösung führte zu einer recht
hohen Frustration auf Seiten der Mediationsteilnehmer, so dass dieser
Aushandlungsprozess und rückwirkend auch das Mediationsverfahren
durch die Beteiligten als "zu lang", "nicht fair",
oder insgesamt "nicht geeignet" beurteilt wurde.
Schlussfolgerungen der Autoren und Mediatoren:
Der Modellkonfliktfall wird sowohl aus
Sicht der Mediatoren, als auch aus Sicht der begleitenden
Wissenschaftler von wik-Consult beurteilt.
Die Mediatoren analysieren den
Prozess hinsichtlich möglicher Fallstricke sowie tatsächlich
begangener Fehler und zeigen die Vor- und Nachteile der Mediation
auf. Als ein zentraler für den Prozess förderlicher Aspekt
wurde die Offenheit der Beteiligten für die Kompromissfindung
erachtet. Als nachteilige Aspekte sind z.B. die Identifizierung
geeigneter, entscheidungskompetenter Ansprechpartner während der
Erkundungsphase zu erwähnen, oder auch die Probleme bei der
Realisierung der in der Mediation ausgehandelten Lösung, die
hauptsächlich auf die zu späte Einbeziehung betroffener
"Dritter" und die damit verbundenen Akzeptanz- und
Verfahrensprobleme zurückgeführt wird. Deutlich traten in
dieser "kritischen Phase" verbleibende Probleme auf der
Beziehungs- und Wahrnehmungsebene der Beteiligten zum Vorschein.
Die Mediatoren kommen trotz der
angeführten Probleme zu dem Schluss, dass Mediation insbesondere
in den "harten" Konfliktfällen als
Streitbeilegungsverfahren durchaus angewandt werden kann, eine
standardisiert festgelegte Vorgehensweise jedoch nicht zielführend
ist.
Die Autoren, die über die
Mediation hinaus den Aushandlungsprozess begleiteten, ziehen
angesichts der Probleme in der Umsetzungsphase insgesamt das Fazit,
dass die Mediation nur sehr eingeschränkt ein zielführender
und Kosten-Nutzen-adäquater Ansatz für die Konfliktregelung
in der Standortdiskussion ist. Eine rechtliche Verankerung der
Mediation als "das Verfahren der Wahl" lehnen sie ab, und
empfehlen vielmehr, die Entscheidung über die beste Art der
Konfliktlösung im jeweiligen Fall zu treffen. Sie geben zu
bedenken, dass die Mediation für die Identifikation konkreter
Lösungsalternativen eingesetzt werden kann, sich jedoch nicht
zur Behandlung von Grundsatzfragen oder zur Lösung von
Wertekonflikten eignet - zwei Aspekte, die im Mobilfunkbereich
oftmals im Hintergrund ablaufen und den Mobilfunkkonflikt stark
prägen. Die Autoren empfehlen, weitere Verfahren wie z.B. das
Bürgergutachten oder auch den moderierten Runden Tisch
hinsichtlich ihrer Eignung für die Lösung von
Standortkonflikten zu untersuchen.
Bewertung des BfS
Die erschwerenden und fördernden
Aspekte bei der Identifizierung des Modellkonfliktfalls und im
Verlauf des Mediationsverfahrens werden sehr differenziert
dargestellt und bieten so einen umfassenden und nachvollziehbaren
Einblick in die notwendigen Voraussetzungen und möglichen
Hindernisse für die Eignung der Mediation. Es wird deutlich,
dass viele der für den Mediationserfolg entscheidenden Umstände
je nach Konflikt unterschiedlich, sehr komplex und kaum beeinflussbar
sind.
In Übereinstimmung mit den Autoren
kann das Fazit gezogen werden, dass die Mediation nur in
Ausnahmefällen für den Mobilfunkbereich geeignet ist.
Angesichts der Studienergebnisse erscheint es wichtiger, den
Mobilfunk-Akteuren anstelle eines kompletten standardisierten
Konfliktschlichtungsverfahrens vielmehr modulartig verwendbare
Verfahrensabläufe anzubieten, die den jeweiligen
konfliktspezifischen Besonderheiten angepasst werden können.
Darüber hinaus sollte die Eigeninitiative der Akteure weiter
gefördert und mögliche Handlungsspielräume aufgezeigt
werden.
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