Rede des BfS-Präsidenten Wolfram König zum 3. BfS-Fachgepräch Mobilfunk


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Eine Zwischenbilanz

Es gilt das gesprochene Wort


Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Unter dem Motto "Zwischenbilanz" steht der heutige Tag. Eineinhalb Jahre nach dem letzten Fachgespräch zum Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramm, das vor allem der Festlegung der Forschungsschwerpunkte gedient hat, ist es an der Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen, Rechenschaft abzulegen, was bisher geleistet wurde, welche Wege eingeschlagen und welche Entscheidungen getroffen worden sind. Auch werden erste Ergebnisse zur Diskussion gestellt. Heute besteht noch einmal die Möglichkeit, letzte offene Punkte zu besprechen und, wo nötig, Kurskorrekturen vorzunehmen. Der kurze Überblick über den Stand der Forschungsprojekte in den Bereichen Biologie, Dosimetrie, Epidemiologie und Risikokommunikation liefert die Basis für die Fortführung des Meinungsaustauschs und für Diskussionen.

Lassen Sie mich noch einmal kurz die Ziele des DMF umreißen, denn bekanntlich wird die Qualität der erzielten Ergebnisse an der Erreichung der gesetzten Ziele gemessen. Die Ziele des DMF waren und sind eindeutig: Es gilt, Unsicherheiten in der Bewertung möglicher biologischer und gesundheitlicher Wirkungen von Mobilfunkfeldern zu verringern und damit auch den Sorgen und Befürchtungen in der Bevölkerung Rechnung zu tragen.

Die Rahmenbedingungen zum Erreichen der Ziele, vor allem die Bereitstellung eines Budgets in Höhe von 17 Millionen Euro, haben BMU und Netzbetreiber gemeinsam geschaffen. Das BMU ist gemeinsam mit dem BfS verantwortlich für die inhaltliche und fachliche Bewertung und Umsetzung der erzielten Ergebnisse. Die Identifizierung von Wissenslücken und somit die Festlegung der Forschungsschwerpunkte erfolgten auf der Basis des internationalen Kenntnisstandes, unter anderem unter Hinzuziehen der WHO Research Agenda, aber auch unter Einbeziehung von nationalen Experten. Zu letzteren zähle ich die deutsche Strahlenschutzkommission mit ihren Forschungsempfehlungen, aber auch Ihre Beiträge während der bisherigen Fachgespräche sowie Ihre Voten zur Prioritätensetzung. Dies führte schließlich zur Festlegung des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms im Herbst 2003.

Wo stehen wir zum jetzigen Zeitpunkt?

Derzeit befinden sich die meisten Projekte in der Durchführungsphase - das gesamte Finanzvolumen ist zu etwa 85% mit Projekten hoher und zu etwa 15% mit Projekten mittlerer Priorität verplant. Für Projekte mit niedriger Priorität werden nach dem derzeitigen Stand keine Mittel mehr zur Verfügung stehen.

Das bisher umgesetzte bzw. beauftragte Programm wird Ihnen in den folgenden Beiträgen noch näher erläutert. Ich möchte mich deshalb im weiteren nur auf einige Projekte beziehen, bei deren Umsetzung Verzögerungen oder Änderungen aufgetreten sind:

Zwei Projekte mit hoher Priorität befinden sich noch in der Pilotphase. Das bedeutet, dass zunächst in vorgeschalteten Machbarkeitsstudien die Durchführbarkeit der Hauptstudie nachgewiesen werden muss. Es handelt sich dabei um

  1. die prospektive Handy-Kohortenstudie und
  2. die Untersuchungen zur Schlafqualität bei Anwohnern in der Nähe einer Mobilfunk-Basisstation.

Zu diesen Projekten möchte ich kurze Anmerkungen machen:

  • Die geplante Handykohorte soll Teil einer großen internationalen prospektiven Kohortenstudie mit ca. 250.000 Studienteilnehmern werden. Dänemark, Schweden und England sind voraussichtlich daran beteiligt. Die Logistik einer derartigen Studie ist nicht einfach und kann unter Umständen sehr kostenintensiv werden. Aus diesem Grund muss die Durchführbarkeit - unter Mithilfe der Mobilfunk-Netzbetreiber - und der Aufwand in einer Machbarkeitsstudie geklärt und letztendlich gewährleistet werden. Die Studie ist insofern einzigartig, da sie nicht nur auf die aktuellen fachlichen Fragen abzielt, sondern auch die Datenbasis für zukünftige, aufkommende Fragen im Zusammenhang mit der Handynutzung sicherstellt. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich bei den Netzbetreibern für ihre Bereitschaft zur Mitarbeit zu bedanken.
  • Ich kann nicht umhin, die Anlaufschwierigkeiten der Schlafstudie zu erwähnen. Ziel der bundesweiten Studie war und ist es, die von einigen Anwohnern subjektiv beobachtete Verschlechterung der Schlafqualität in der Nähe von Mobilfunk-Basisstationen zu verifizieren. Dafür bedarf es eines qualitativ hochwertigen Studiendesigns und - daraus resultierend - belastbaren Ergebnissen. Geeignete Standorte und definierte Expositionsbedingungen können nur in Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern sichergestellt werden. Eine derartige experimentelle Studie ist innovativ und im Vergleich zu Laborstudien nur unter weniger streng kontrollierbaren Randbedingungen durchführbar. Dies kann durch die Erfassung physiologischer und psychologischer Parameter, eine belastbare Statistik und ein möglichst verblindetes Versuchsdesign weitgehend ausgeglichen werden. Unter Berücksichtigung von Empfehlungen der SSK wird das Projekt derzeit vergeben. In einer dreimonatigen Pilotphase haben die Forschungsnehmer die Gelegenheit, die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit mit den Netzbetreibern festzulegen. Trotz der etwas langen Entstehungsgeschichte sehe ich das Vorhaben dennoch als positives Beispiel für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit einem neuen Thema und als positives Beispiel für die Einhaltung der Selbstverpflichtung der Netzbetreiber.

Drei weitere Projekte mit hoher Priorität mussten zu meinem großen Bedauern zurückgestellt oder gestrichen werden:

  1. Die Ausschreibung für das Projekt "Kurz- und mittelfristige Effekte von Mobilfunksignalen auf Gehirnfunktion und kognitive Leistungsfähigkeit", wurde aufgehoben, da kein wirtschaftliches Angebot eingegangen ist.
  2. Im Bereich Dosimetrie war es ein Ziel, die Möglichkeiten zur Minimierung der HF-Exposition der Bevölkerung durch regionale integrierte Netzplanung zu untersuchen. Um die bestehenden Mobilfunknetze zu evaluieren und Strategien zur Minimierung zu entwickeln, sind Informationen über den Netzaufbau verschiedener Betreiber erforderlich. Leider haben die Netzbetreiber in diesem Projekt der Zusammenarbeit nicht zugestimmt. Sie sehen in der Offenlegung der Netzstrategie ureigenste Unternehmensinteressen tangiert. Da bereits einige expositionsminimierte Netzmodelle ohne Einbeziehung von Betreiberdaten entwickelt wurden, ist von einer weiteren Studie ohne eine aktive Beteiligung der Betreiber kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten. Damit musste das Projekt gestrichen werden.
  3. Ein weiteres Ziel im Bereich der Dosimetrie war es, die tatsächlichen, individuellen Expositionsdaten einer repräsentativen Bevölkerungsgruppe gegenüber Mobilfunk, aber auch anderer hochfrequenter Feldquellen zu erfassen. Hierfür ist der Einsatz von Personendosimetern unerlässlich. Leider hat sich die Entwicklung von geeigneten HF-Personendosimetern verzögert, so dass die Durchführung einer derartigen Studie bisher noch nicht möglich war.

Die Erfassung der tatsächlichen Expositionsdaten - nicht nur durch Felder von Basisstationen, sondern auch von Mobiltelefonen - war auch Thema zweier Fachkolloquien des BfS im Jahr 2004 und lieferte zum Teil überraschende Ergebnisse. In einem Forschungsvorhaben wurde das Regelverhalten von Handys hinsichtlich der Sendeleistung in alltäglichen Situationen untersucht. Dabei konnten die ersten Ergebnisse die oftmals behauptete Effektivität der Leistungsregelung nicht bestätigen. Es sieht derzeit so aus, dass der häufig diskutierte und im Zusammenhang mit dem "Blauen Engel" auch kritisierte SAR Wert zur Beschreibung der unterschiedlichen Geräte durchaus geeignet ist. Dies ist eine erfreuliche Bestätigung unserer Bemühungen, strahlungsarme Handymodelle mit dem "Blauen Engel" zu kennzeichnen.

Abgesehen von den genannten Änderungen, haben die restlichen 45 Projekte nach Plan begonnen und ich bin gespannt, ob auch Sie am Ende des Tages zu dem Schluss kommen werden, dass wir auf dem richtigen Weg sind, um die aufgeworfenen Fragen innerhalb des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms zu beantworten. Dabei stehen vor allem die offenen wissenschaftlichen Fragen im Zentrum des Interesses.

Es war uns jedoch auch ein Anliegen, die von der Bevölkerung an uns herangetragenen Fragen durch wissenschaftliche Studien zu objektivieren und zu beantworten. Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist, dass ein belastbares Studiendesign gefunden werden kann, das eindeutige und aussagekräftige Ergebnisse liefert. Ist ein Studiendesign jedoch nicht belastbar - ich denke hier z.B. an den Bericht aus Naila - führen kleinräumig beobachtete Assoziationen zu schwerwiegenden Fehlinterpretationen und damit zu Verunsicherungen, die dann selbst Ursache für Gesundheitsbeeinträchtigungen sein können. Allzu leicht und allzu häufig werden zufällige zeitliche Korrelationen - von denen es im Leben ja allzu viele gibt - als Kausalzusammenhänge bewertet.

Im letzten Fachgespräch habe ich für die Projekte des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms einen hohen wissenschaftlichen Standard gefordert. Dass wir dem an uns mehrfach herangetragenen Wunsch einer "Naila-Wiederholungsstudie" nicht nachgegangen sind, soll für Sie eine Bestätigung der strikten Einhaltung meiner Forderung sein.

Aufgrund der bisherigen Erfahrungen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir unsere fachlichen Ziele erreichen werden. Unsere Projekte im Bereich Risikokommunikation unterstützen uns dabei, die gewonnenen Informationen an die Bevölkerung weiterzugeben.

Bei dieser Aufgabe hilft uns die hohe Glaubwürdigkeit, die uns im Rahmen unserer kürzlich veröffentlichten Studie "Zielgruppenanalyse zur differenzierten Information über Mobilfunk und Gesundheit" bescheinigt wurde. Auf diese Einschätzung der Bevölkerung sind wir stolz - zeigt sie doch, dass wir im Umgang mit dem sensiblen Thema Mobilfunk sowohl in fachlicher als auch in kommunikativer Hinsicht den richtigen Weg eingeschlagen haben. Zugleich ist diese Einschätzung seitens der Öffentlichkeit eine Herausforderung für die Zukunft, das Erreichte nicht aufs Spiel zu setzten und von unseren hohen Anforderungen an die Qualität unserer Arbeit nicht abzurücken.

Wie die gerade erwähnte Studie zur Zielgruppenanalyse gezeigt hat, ist nicht nur die Mobilfunknutzung, sondern auch der Wissensstand und der Informationsbedarf innerhalb der Bevölkerung sehr unterschiedlich. Das Informationsbedürfnis der einzelnen Gruppen zu kennen, ermöglicht es uns, die Ergebnisse aus dem Forschungsprogramm so zu gestalten und zu kommunizieren, dass wir die Menschen besser erreichen. Wir haben im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms den Informationsfluss zur breiten Bevölkerung bereits wesentlich intensiviert und auch eine Reihe von Transparenzmaßnahmen ergriffen, so zum Beispiel

  • die DMF-Homepage, die inzwischen ausführlich und zum Teil auch in Englisch vorliegt,
  • die öffentliche Konsultation zu den einzelnen Forschungsvorhaben und, nicht zuletzt,
  • die Etablierung des begleitenden Runden Tisches zum Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramm.

Erst das Zusammenspiel all dieser Komponenten ermöglicht es uns, die Ziele des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms zu erreichen.

Nur noch ein kurzer Ausblick: Eine große Zahl an Einzelergebnissen kommt auf uns zu. Bevor aus den neuen Erkenntnissen die Risikobewertung überarbeitet werden kann, ist es notwendig, die Ergebnisse in den internationalen Kenntnisstand einzuordnen. Wir haben vor kurzem auf der DMF-Homepage eine Rubrik "Internationale Forschung" geschaffen. Dort werden wir die Ergebnisse aus anderen nationalen Forschungsprogrammen darstellen und bewerten. Das BfS ist als WHO-Kollaborationszentrum am internationalen WHO EMF-Projekt beteiligt. Ich darf hier bereits auf unser nächstes Treffen blicken: Unser viertes und letztes Fachgespräch wird voraussichtlich zweigeteilt sein. Wir beabsichtigen, gemeinsam mit der WHO einen internationalen wissenschaftlichen Workshop durchzuführen und danach die Ergebnisse, Auswertungen und die überarbeitete Risikobewertung in einem nationalen, öffentlichen Fachgespräch zu präsentieren.

Für heute erhoffe ich, mit dem dritten Fachgespräch Mobilfunk an die positiven Erfahrungen der Vorangegangenen anknüpfen zu können und wünsche ich Ihnen konstruktive Diskussionen und Erkenntnisgewinne.

Vielen Dank