Erweiterungsstudie einer multinationalen epidemiologischen Studie des möglichen Zusammenhangs zwischen hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung und dem Auftreten von Tumoren des Kopf- und Halsbereiches (INTERPHONE-Studie)

Thema

Erweiterungsstudie einer multinationalen epidemiologischen Studie des möglichen Zusammenhangs zwischen hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung und dem Auftreten von Tumoren des Kopf- und Halsbereiches (INTERPHONE-Studie)

Beginn

01.07.2001

Ende

31.12.2004

Projektleitung

INTERPHONE-Studiengruppe (Koordination: Institut für Med. Biometrie, Epidemiologie und Informatik der Universität Mainz)

Zielsetzung

Bisherige epidemiologische Studien lieferten keine belastbaren Hinweise auf ein erhöhtes Hirntumorrisiko bei Verwendung eines Mobiltelefons. Die Aussagekraft aller Studien war jedoch eingeschränkt, da die Fallzahlen zum Nachweis kleiner Risiken nicht ausreichend groß waren, die Latenzzeiten zwischen dem Beginn einer Handy-Nutzung und der Tumordiagnose recht kurz waren und zudem die Studien vor allem Rückschlüsse auf die ältere, analoge Technik erlaubten. Deshalb wurde von der WHO bereits 2000 eine internationale Fallkontrollstudie initiiert, die inzwischen in 13 Ländern nach einem einheitlichen Studienprotokoll durchgeführt wurde. In die Studie wurden mehr als 7.000 Patienten mit einem Gliom, Meningeom oder Akustikusneurinom aufgenommen, so dass selbst der Nachweis eines kleinen Risikos möglich ist.

Die Studienregion in Deutschland setzte sich aus den Großräumen Bielefeld, Heidelberg, Mainz und Mannheim zusammen, was sich aus der Kooperation der drei Zentren "AG Epidemiologie und Medizinische Statistik" der Universität Bielefeld, "AG Umweltepidemiologie" des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg und des Instituts für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik der Universität Mainz in der Interphone-Studiengruppe ergibt. Patienten im Alter zwischen 30 und 59 Jahren, die neu an einem Gliom, Meningeom oder Akustikusneurinom erkrankt waren, wurden direkt in den Neurochirurgien und HNO-Kliniken der Studienregion kontaktiert und um Mitarbeit an der Studie gebeten. Mit Fällen und Kontrollen wurde das gleiche computergestützte Interview geführt. Die einzelnen Zielsetzungen sind im internationalen Studienprotokoll der INTERPHONE-Studiengruppe definiert. Die Auswertungsstrategie für die internationale Studie wurde von einer "Analysis Task Force" vorgeschlagen, in der auch die deutschen Studiengruppe vertreten war. Die Haupthypothesen der internationalen Studie sind, ob (i) die Exposition gegenüber hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung aus verschiedensten Quellen das Risiko erhöht, an einem Hirntumor zu erkranken, und ob (ii) die Nutzung eines Handys das Risiko erhöht, an einem dieser Tumorformen zu erkranken.

Die deutsche Erweiterungsstudie sah die Ausdehnung der Feldphase von 2 auf 3 Jahre, sowie die Ziehung einer zweiten Kontrollperson pro Fall und den Einschluss der 60-69-Jährigen vor. Zusätzlich wurde auch die Exposition durch Basisstationen von Schnurlostelefonen einbezogen, da die Basisstationen der nach dem DECT-Standard arbeitenden Schnurlostelefone in ihrer direkten Umgebung Feldstärken emittieren, die innerhalb der Wohnung mit denen externer Sendeanlagen vergleichbar sind.

Ergebnisse

Insgesamt zeigen die Ergebnisse der deutschen Studie keinen Zusammenhang zwischen dem Gehirntumorrisiko und einer Nutzung eines Mobiltelefons von weniger als zehn Jahren. Die Schätzungen für die relativen Risiken sind teilweise erniedrigt. Dies könnte auf einem Selektionsbias (Unterrepräsentation von Mobiltelefonnutzern in der Kontrollgruppe) beruhen. Für Langzeitnutzer von zehn Jahren und mehr bietet die deutsche Studie nur sehr kleine Fallzahlen: hier wird für Meningeome kein Zusammenhang mit dem Tumorrisiko beobachtet; für Gliome zeigt sich in dieser Gruppe eine Verdoppelung des Risikos, allerdings ist diese Risikoerhöhung nicht statistisch signifikant. Das erhöhte Gliomrisiko für Langzeitnutzer wird von den anderen nationalen INTERPHONE-Teilstudien bisher nicht bestätigt, allerdings sind auch hier die Fallzahlen eher klein. Akustikusneurinome sind eine seltene Tumorart. Verschiedene Risikofaktoren, die bisher im Zusammenhang mit dem gutartigen Gehörnervtumor diskutiert werden, wurden erfasst und bewertet. Ein Zusammenhang mit der Mobiltelefonnutzung wurde nicht gefunden.

Es zeigten sich keine Assoziationen zwischen der Nutzung von Schnurlos-Telefonen und dem Risiko, an einem Gliom oder Meningeom zu erkranken. Neben der Nutzung des Schnurlostelefons wurde auch die Aufstellung der DECT-Basisstation berücksichtigt.

Alle Daten der 30-59-Jährigen unter den deutschen Studienteilnehmern wurden für die internationale Auswertung zu der International Agency for Research on Cancer (IARC) nach Lyon transferiert.

Der vollständige Bericht steht zum Download als PDF-Datei (274 KB) zur Verfügung.

Publikationen

  • Schüz J, Böhler E, Berg G, Schlehofer B, Hettinger I, Schlaefer K, Wahrendorf J, Kunna-Grass K, Blettner M (2006) Cellular Phones, Cordless Phones, and the Risks of Glioma and Meningioma (Interphone Study Group, Germany), Am. J. Epidemiol. 63(6):512-520
  • Schüz J, Böhler E, Schlehofer B, Berg G, Schlaefer K, Hettinger I, Kunna-Grass K, Wahrendorf J, Blettner M (2006) Radio frequency electromagnetic fields emitted of DECT cordless phones and risk of glioma and meningioma (Interphone study group, Germany), Radiat. Res. 166: 116-119
  • Berg G, Spallek J, Schlehofer B, Böhler E, Schlaefer K, Hettinger I, Kunna-Grass K, Wahrendorf J, Blettner M (2006) Occupational exposure to radio frequency/microwave radiation and the risk of brain tumors: Interphone Study Group, Germany. Am. J. Epidemiol 164: 538-48
  • Schlehofer B, Schlaefer K, Blettner M, Berg G, Böhler E, Hettinger I, Kunna-Grass K, Wahrendorf J, Schüz j (2007) Environmental risk factors for sporadic acoustic neuroma (Interphone Study Group, Germany), Eur J Cancer, doi:10.1016/j.ejca.2007.05.008.

Fazit

Die deutsche INTERPHONE-Studie zeigte insgesamt keinen Zusammenhang zwischen dem Risiko an einem Gehirntumor (Gliom, Meningiom oder Akustikusneurinom) zu erkranken und einer regelmäßigen Nutzung von Mobiltelefonen. Dies gilt zumindest für die Nutzung über einen Zeitraum von 10 Jahren. Die statistische Power der nationalen Teilstudie ist nicht ausreichend, stabile Aussagen zu Risiken bei Langzeitnutzern (über 10 Jahre) zu machen, da diese Gruppe relativ klein ist. Auch sind Fehlklassifikationen bei der Erfassung der Mobiltelefonnutzung, vor allem bei lange zurückliegenden Telefoniergewohnheiten nicht auszuschließen. Aus epidemiologischer Sicht kann das Risiko einer lang andauernden Nutzung auf Grund der vorliegenden nationalen Daten zur Zeit noch nicht abschließend beurteilt werden, weil die Epidemiologie den realen Bedingungen folgt: Die in der deutschen INTERPHONE-Teilstudie eingeschlossenen Patienten sind zwischen Ende 2000 und 2003 erkrankt, gehören bei einer mehr als zehnjährigen Mobiltelefonnutzung deshalb zu den sehr frühen Nutzern und hier meist zu Nutzern der heute nicht mehr verfügbaren Mobiltelefone nach analoger Technologie. Nur mit der Zusammenfassung der Daten aller 13 INTERPHONE-Länder wird die Gruppe der Langzeitnutzer groß genug, um statistisch abgesicherte Aussagen treffen zu können, was letztendlich auch der Grund für die Konzeption einer derart großen Fallkontrollstudie war.