Untersuchungen an Probanden unter Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern von Mobiltelefonen

Thema

Untersuchungen an Probanden unter Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern von Mobiltelefonen.

Beginn

01.10.2003

Ende

31.03.2007

Projektleitung

Freie Universität Berlin

Zielsetzung

Ziel des Vorhabens ist es zu klären, ob hochfrequente elektromagnetische Felder, die von Mobiltelefonen emittiert werden, die Gehirnaktivität beeinflussen können. Für hochfrequente Felder im zulässigen Expositionsbereich gibt es aus experimentellen Studien an Menschen einzelne Hinweise auf biologische Effekte, aber keine Hinweise auf ein erhöhtes Gesundheitsrisiko. Die Expositionen bei den geplanten Experimenten an 30 gesunden Probanden werden so beschaffen sein, wie sie beim Telefongebrauch von GSM- und UMTS-Geräten mit höchster Sendeleistung auftreten. In einem doppelblinden crossover Design mit randomisierter (durch Wahrscheinlichkeitsgenerator zugewiesen) Expositionszuordnung (incl. Scheinexposition) sollen mögliche Einflüsse auf elektrophysiologische Prozesse im Gehirn sowie auf kognitive Leistungen untersucht werden. Am Tag werden als Zielparameter das spontane Wach-EEG, evozierte und ereigniskorrelierte Potentiale sowie kognitive Funktionen auf unterschiedlichem Komplexitätsniveau herangezogen. Darüber hinaus wird der Schlaf als Zustand einer Hirnaktivität auf anderem Niveau untersucht. Neben den klassischen Parametern zur Beschreibung des Nachtschlafes sollen Powerspektralwerte in der Auswertung berücksichtigt werden.

Ergebnisse

Als erstes wurde 2004 eine sehr umfangreiche bewertende Literaturstudie zu möglichen Einflüssen von Hochfrequenzfeldern des Mobilfunks auf die Gehirnaktivität, Kognition, EEG im Wach- und Schlafzustand und die Schlafqualität von Menschen erstellt.

Die Literaturstudie wurde 2007 zum Ende der Studie aktualisiert und bildet einen Teil des Abschlussberichtes. Insgesamt lassen die bisher vorliegenden Publikationen zu Auswirkungen elektromagnetischer Felder des Mobilfunks, sofern sie überhaupt Veränderungen der untersuchten Parameter unter Exposition beobachten konnten, allenfalls leichte physiologische Effekte erkennen, die jedoch mit Ausnahme der Erhöhung der Powerspektralwerte im Spindelfrequenzbereich des NREM-Schlafes nicht in anderen Labors reproduziert werden konnten.

An der vorliegenden Studie nahmen 30 gesunde männliche Probanden im Alter von 18 bis 30 Jahren Teil. Jede Testperson wurde jeweils an 10 Tagen und in 10 Nächten untersucht. Der erste Tag und die erste Nacht dienten der Adaptation, danach wurde jeweils drei Tage und drei Nächte im randomisierten doppelblinden „cross-over“ - Design unter den Bedingungen „sham“, GSM-900 und UMTS untersucht. Exponiert wurde mit einer tragbaren Antenne am Kopf, mit der die maximale zulässige Teilkörper-Exposition von 2 W/kg erreicht, aber nicht überschritten wurde (IMST GmbH).

Während der Tagestests wurden psychophysiologische Untersuchungen durchgeführt und gleichzeitig das EEG abgeleitet. Untersucht wurde die Aufmerksamkeit, die Schläfrigkeit, Reaktionsfähigkeit auf visuelle und akustische Signale und das Gedächtnis. Das Ruhe-EEG sowie das EEG in Antwort auf sensorische Reize und während kognitiver Gehirntätigkeit wurde abgeleitet.

In der Nacht wurde das Schlaf-EEG registriert. Ausgewertet wurde das Schlaf-EEG visuell durch Experten nach der Methode von Rechtschaffen und Kales (1968) und zusätzlich automatisiert mit Somnolyzer. Weiterhin wurden die Powerspektren und die Schlafspindel ebenfalls automatisch analysiert.

Der Schlaf wird in 5 Schlafphasen aufgeteilt: REM (rapid-eye-movement) entspricht der Traumphase, NREM1 (non-REM1) und NREM2 bilden zusammen den Leichtschlaf, NREM3 und NREM4 den Tiefschlaf. Insgesamt zeigte die visuelle und automatisierte Auswertung der Schlafparameter, dass unter GSM 14 und unter UMTS neun der insgesamt 241 Parameter signifikant verändert waren. Zwölf signifikante Veränderungen pro Expositionssituation wären aus rein statistischen Gründen zu erwarten. Die veränderten Parameter waren nicht alle voneinander unabhängig und bezogen sich auf eine geringfügige Verlängerung (einige Minuten) des REM-Schlafes bei gleichzeitiger Verkürzung der Schlafphasen NREM1 und NREM2. Der Tiefschlaf sowie die Gesamtschlafdauer blieben unverändert, deswegen kann man die beobachteten Effekte als eine leichte physiologische Anpassung werten, aber nicht als schlafstörend.

Es wurden insgesamt 400 Parameter der Powerspektralwerte des Schlaf-EEGs, verteilt über die jeweiligen Frequenzbereiche und Schlafstadien, untersucht. Unter GSM waren 32 davon signifikant verändert, unter UMTS neun, wobei es in allen Fällen um einen Anstieg der spektralen Leistung unter Exposition ging. 20 signifikante Untersiede pro Expositionssituation wären aus statistischen Gründen zufällig zu erwarten. Die Veränderungen zeigten sich vor allem im Wachzustand und im Leichtschlaf bei Frequenzen um 20 Hz, im Tiefschlaf sowie REM-Schlaf wurden keine signifikanten Veränderungen gefunden. Publikationen, die Veränderungen der Powerspektren unter GSM im REM-Schlaf (Mann und Röschke, 1996), sowie im NREM-Schlaf, aber in anderen Frequenzbereichen als die vorliegende Studie (Borbély et al. 1999; Huber et al. 2000, 2002; Loughran et al 2005) fanden, konnten nicht bestätigt werden.

Schlafspindeln sind Sequenzen sinusoidaler Wellen im Frequenzbereich 12 - 14 Hz, die vor allem im Schlafstadium NREM2 auftreten. Es wurden pro Exposition 810 Parameter der Schlafspindel automatisiert ausgewertet, davon waren 24 unter GSM und 11 unter UMTS signifikant unterschiedlich. Zufällig wären pro Expositionssituation 40 signifikante Unterschiede zu erwarten. Die publizierten Daten zum Einfluss einer GSM-Exposition auf die Schlafspindel (Borbély et al. 1999; Huber et al. 2000, 2002) konnten in der vorliegenden Studie nicht bestätigt werden.

Die kognitive Leistungsfähigkeit wurde mit 8 unterschiedlichen Tests, die insgesamt 36 Parameter ergaben, untersucht. Unter GSM waren 5 Parameter (aus 3 Tests), unter UMTS 2 Parameter (aus 2 Tests) signifikant verändert. Dabei handelte es sich überwiegend um Reaktionszeiten auf verschiedene Reize, die in unterschiedliche Richtungen verändert waren (verlängert oder verkürzt). Nach einer Korrektur für multiple Tests blieb keine dieser Veränderungen signifikant. Demgegenüber zeigte sich durchgehend ein signifikanter Einfluss der Tageszeit auf die Ergebnisse, und zwar im Sinne einer erhöhten Aktivierung und Wachsamkeit am Nachmittag, begleitet von verkürzten Reaktionszeiten und einer insgesamt verbesserten Leistungsfähigkeit. Zu der Verbesserung am Nachmittag kann teilweise auch ein Übungseffekt beigetragen haben. Die tageszeitlichen Einflüsse waren deutlich stärker ausgeprägt als die höchstwahrscheinlich zufällig auftretenden Einflüsse der Exposition. Dieses Ergebnis ist im Einklang mit Angaben aus der Fachliteratur, wo verkürzte Reaktionszeiten berichtet wurden (Koivisto et al. 2000), aber nicht reproduziert werden konnten (Haarala et al. 2004).

Während der Tagestests wurde auch das Wach-EEG sowie evozierte und ereigniskorrelierte Potentiale registriert. Es wurden insgesamt 361 Parameter des α-Frequenzbandes untersucht, davon zeigten unter GSM 10 und unter UMTS 5 einen signifikanten Einfluss der Exposition. Zufällig wären jeweils 18 signifikante Ergebnisse zu erwarten. Die in der Fachliteratur mehrfach im α-Frequenzband berichtete Erhöhung der Power (Curcio 2005, Vecchio 2007, Croft 2007) konnte in der vorliegenden Studie nicht bestätigt werden. Demgegenüber war die Power im α-Frequenzbereich des EEG durchgehend nachmittags signifikant höher als vormittags. Eine Auswertung des Verhältnisses der Power im α-Frequenzbereich bei offenen und geschlossenen Augen lässt Schlüsse auf die Wachsamkeit zu. Es zeigte sich erneut, dass nicht die Exposition, sondern die Tageszeit die Wachsamkeit beeinflusst. Diese war am Nachmittag besser, was im Einklang mit den Ergebnissen der Kognitionstests ist. Evozierte und ereigniskorrelierte Potentiale, die im Zusammenhang mit sensorischer Wahrnehmung und Vorbereitung einer Bewegungsreaktion entstehen, zeigten ebenfalls nur einen Einfluss der Tageszeit, aber keine Abhängigkeit von der Exposition. Dies ist im Einklang mit Angaben aus der Fachliteratur, wo zwar vereinzelt signifikante Veränderungen infolge einer Mobilfunkexposition berichtet wurden, diese aber sogar in derselben Arbeitsgruppe nicht reproduziert werden konnten (Krause, 2007; Hamblin, 2006).

Der Abschlussbericht (3.397 KB) mit einem Anhang (270 KB) liegt zum Download als PDF-Datei vor:
Abschlussbericht
Anhang

Publikationen

  • Bahr A, Dorn H, Bolz T. (2006): Dosimetric assessment of an exposure system for simulating GSM and WCDMA mobile phone usage. Bioelectromagnetics 27(4):320-327
  • Danker-Hopfe H., Dorn H. (2005): Biological Effects of Electromagnetic Fields at Mobile Phone Frequencies on Sleep: Current State of Knowledge from Laboratory Studies. Somnologie 9: 192-198
  • Danker-Hopfe H, Dorn H, Bahr A, Anderer P, Sauter C (2010): Effects of electromagnetic fields emitted by mobile phones (GSM 900 and WCDMA/UMTS) on the macrostructure of sleep. J. Sleep Res. DOI 10.1111/j.1365-2869.2010.00858.
  • Sauter C, Dorn H, Bahr A, Hansen M-L, Peter A, Bajbouj M, Danker-Hopfe H (2010) Effects of exposure to electromagnetic fields emitted by GSM 900 and WCDMA mobile phones on cognitive function in young male subjects. Bioelectromagnetics DOI 10.1002/bem.20623x

Fazit

Insgesamt konnte die Vorliegende Studie die bisher publizierten Arbeiten zu Einflüssen des GSM Signals auf Schlaf und Kognition nicht bestätigen. Zu UMTS gab es bisher keine vergleichbaren Arbeiten. Die hier beschriebenen wenigen signifikanten Effekte deuten, sofern sie nicht zufällig sind, höchstens auf minimale physiologische Anpassungen und nicht auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung hin. Es wurden keine schlafstörenden Effekte gefunden. Während der Tagestests war der Einfluss der Tageszeit bei allen untersuchten Parametern deutlich stärker als der Einfluss der Mobilfunkexposition.