Untersuchung möglicher genotoxischer Effekte von GSM-Signalen auf isoliertes menschliches Blut

Thema

Untersuchung möglicher genotoxischer Effekte von GSM-Signalen auf isoliertes menschliches Blut

Beginn

01.01.06

Ende

26.01.11

Projektleitung

INCOS BOTÉ GmbH, Alzey (ehem. AMMUG – Arbeitskreis molekulare Mechanismen umweltbedingter Gentoxizität)

Projektpartner

1) Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI), Universität Mainz, 2) Hochschule Darmstadt (HDA), Fachbereich Chemie-Biotechnologie, 3) Dermatologisches Zentrum Buxtehude (DZB), 4) Harlan Cryotest Cell Research GmbH (CCR), Rossdorf, 5) ITIS Foundation for Research on Information Technologies in Society, Zürich

Zielsetzung

Ziel des Vorhabens war es, mögliche DNA-, Chromosomen- und Genom-schädigende Wirkungen für Mobilfunksysteme genutzter hochfrequenter elektromagnetischer Felder (GSM 1800 MHz, SAR 0, 0.2, 2, 10 W/kg) in Form eines Ringversuchs zu untersuchen. Als biologische Endpunkte wurden DNA-Einzel- und Doppelstrangbrüche und alkalilabile Stellen, Chromosomenaberrationen (fünf Subtypen), Induktion von Mikrokernen sowie Schwesterchromatidaustausche analysiert. Die Untersuchung erfolgte in primären, menschlichen, PHA-stimulierten Lymphozyten aus dem Vollblut von 20 gesunden Spendern aus zwei Altersklassen (10 Jugendliche bzw. junge Erwachsene zwischen 16 und 20 Jahren und 10 Erwachsene aus der Altersgruppe 50-65 Jahre).

Ergebnisse

Es wurden folgende Endpunkte parallel in 3 Laboren untersucht und ausgewertet:

  1. Mikrokerninduktion (Mikrokerne / 2000 binukleare Zellen)
  2. Chromosomenaberrationen (1000 Mitosen)
  3. DNA-Schäden im alkalischen Comet-Assay
  4. Schwesterchromatidaustausche (SCE)

Im Comet-Assay, im Mikrokerntest und im SCE-Test ergaben sich in keinem der drei Labore und bei keinem der durchgeführten Tests signifikante Unterschiede zwischen scheinexponierten und exponierten Proben. Auch beim Chromosomen-aberrationstests traten in 4 von 5 Untergruppen keine Unterschiede zwischen exponierten und nicht exponierten Proben auf. Ein Labor (Labor 3, CCR) beschrieb bei der Untergruppe „dizentrische Chromosomen“ eine signifikante Erhöhung in der höchsten SAR Gruppe 10 W/kg im Vergleich mit der scheinexponierten Kontrolle. Die anderen beiden Labore bestätigen dieses Ergebnis nicht. Zu Beginn der Studie war im Analyseplan festgelegt worden, dass nur Ergebnisse, die mindestens von zwei der drei Untersuchungslabore bestätigt werden, einen belastbaren Verdacht auf einen Effekt begründen. Dies ist hier nicht der Fall. Auch ein Dosistrend wurde von keinem der beiden anderen Labore beobachtet. Zudem lagen die für die dizentrischen Chromosomen beobachteten Werte (mit Ausnahme eines einzelnen Probanden) in allen drei Laboren in der Größenordnung von in anderen Studien beschriebenen Spontanraten. Das in Labor 3 beschriebene Einzelergebnis kann daher keinen belastbaren Verdacht auf einen Bestrahlungseffekt begründen.
Von allen drei Laboren wurde eine erhöhte Zahl von Mikrokernen in der älteren Probandengruppe im Vergleich zur jüngeren Probandengruppe detektiert. Dieser Alterseffekt ist bereits aus der Literatur bekannt. Er trat unabhängig von der HF-Exposition auf.
Insgesamt wurden keine Befeldungseffekte im Hinblick auf Gentoxizität gefunden.

Durchführung

Die Untersuchungen erfolgten an PHA-stimulierten peripheren Lymphozyten aus dem Vollblut gesunder männlicher Spender zweier Altersklassen (10 Jugendliche bzw. Heranwachsende aus der Altersgruppe 16-20 Jahre und 10 Erwachsene aus der Altersgruppe 50-65 Jahre), sämtlich Nichtraucher.
Exposition und Fertigung der stabilen Präparate wurde zentral vom Projektleiter vorgenommen. Die Exposition bzw. Scheinexposition erfolgte verblindet in einer sXc-1800 XL-Expositionsanlage der ITIS-Foundation, Zürich. Die tatsächliche Befeldungssituation war nur dem technischen Partner ITIS-Foundation bekannt. Die Expositionsdauer betrug 28 Stunden und begann 20 Stunden nach Stimulation der Lymphozyten. Diese Zeiten wurden vorab ermittelt, um sicherzustellen, dass sich der Großteil der stimulierten Zellen während der Exposition in Teilung befindet, da auch möglicherweise empfindliche Phasen des Zellzyklus von der Exposition erfasst werden sollten. Die Befeldung der Lymphozyten erfolgte nach GSM 1800-Standard, SAR 0, 0.2, 2 und 10 W/kg intermittierend 5 min an/10 min aus, letzteres um das im Rahmen des abgeschlossenen EU-Forschungsprogramms REFLEX verwendete Expositionsmuster aufzugreifen. Die codierten Präparate wurden an 3 Labore verschickt (Labor 1: Hochschule Darmstadt, Fachbereich Chemie-Biotechnologie, Labor 2: Dermatologisches Zentrum am Klinikum Buxtehunde, Labor 3: Harlan Cytotest Cell Research) und dort jeweils verblindet ausgewertet. Die statistische Auswertung der Ergebnisse erfolgte am Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik der Universität Mainz.
Es wurden jeweils die Proben eines Probanden parallel exponiert, so dass jeder Proband seine eigene Kontrolle darstellt. Probandenrekrutierung, Anamnese, Blutentnahme und Codierung wurden von der Universität Mainz (IMBEI) durchgeführt.

Fazit

Mit dem vorliegenden Projekt wurden im Rahmen einer Ringstudie umfassende Analysen zu gentoxisch relevanten Endpunkten (Chromosomenaberrationen, Mikrokerninduktion, DNA-Schäden, Schwester-chromatidaustausche) in teilungsaktiven menschlichen Zellen durchgeführt. In der Studie wurden stimulierte Lymphozyten verwendet, die die Untersuchung möglicher Auswirkungen der HF-Exposition auf den Zellteilungsprozess erlauben. Mashevich et al. (2003) sowie Zotti-Martelli et al.(2005) beschrieben gentoxische Effekte in PHA-stimulierten (Mashevich) und nicht stimulierten Lymphozyten (Zotti-Martelli). Diese Ergebnisse werden von der vorliegenden Studie nicht gestützt. Insgesamt wurden im Rahmen der vorliegenden Studie keine Befeldungseffekte für die getesteten HF-Expositionen (0.2, 2 und 10 W/kg) gefunden. Bestätigt wurde lediglich ein Alterseffekt bei den Mikrokernen, dieser jedoch unabhängig von der Befeldungssituation. Die Umsetzung in Form eines Ringversuchs hat sich als sinnvoll (allerdings auch als ausgesprochen aufwendig und nicht als Standardverfahren realisierbar) erwiesen, da hierduch die Belastbarkeit der Ergebnisse erhöht und das Risiko falsch-negativer wie falsch-positiver Ergebnisse minimiert wird.

Der Abschlussbericht steht als pdf-Datei (1,2MB, link zum pdf) in deutscher Sprache zum Download zur Verfügung.

Publikation:

Waldmann P et al., Influence of GSM Signals on Human Peripheral Lymphocytes: Study of Genotoxicity, Radiation Research 2013, 179(2): 243-253, doi:
http://rrjournal.org/doi/abs/10.1667/RR2914.1

Literatur

Mashevich M et al.: Exposure of human peripheral blood lymphocytes to electromagnetic fields associated with cellular phones leads to chromosomal instability, Bioelectromagnetics 2003, 24: 82-90
Zotti-Martelli L et al.:, Individual responsiveness to induction of micronuclei in human lymphocytes after exposure in vitro to 1800-MHz microwave radiation. Mutat Res 2005, 582: 42-52